Merkel und Steinmeier – die Telefonaffäre (4)

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In dieser Woche lasse ich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier jeden Abend miteinander telefonieren. In der vierten Folge fürchten sich die beiden vorm Internet und sprechen über die Piratenpartei.

Das Telefon von Angela Merkel klingelt.

Angela Merkel: Ja, Merkel.
Frank-Walter Steinmeier: Hallo, Frau Merkel, ich bin‘s.
Merkel: Ich hatte mich schon fast gefragt, wann Sie anrufen.
Steinmeier: Der Wahlkampf, und ist er auch noch so nutzlos, lässt mir ja keine Ruhe.
Merkel: Herr Steinmeier?
Steinmeier: Ja.
Merkel: Also die Sache gestern mit dem Brüllen, die bleibt unter uns, ja?
Steinmeier: Klar.
Merkel: Ich habe da wohl etwas übertrieben. Ich hoffe, ich habe Sie im Eifer des Gefechtes nicht geduzt.
Steinmeier: Nein, nein, Sie waren noch relativ präsidial.
(Steinmeiers Handy piepst)
Merkel: Was war das?
Steinmeier: Ich habe eine SMS bekommen… schon wieder dieser Tauss.
Merkel: Sie meinen dieser…?
Steinmeier: Ja, sagen Sie es nicht. Jedenfalls nicht vor dem Urteil.
Merkel: Was schreibt er denn?
Steinmeier: Ach mal wieder, dass seine Piratenpartei in den Bundestag kommt, weil sie die Grünen des 21. Jahrhunderts sind.
Merkel: Also die nehme ich ja noch weniger ernst als die Linkspartei.
Steinmeier: Ich habe die in diesem Jahr auch nicht auf dem Zettel.
Merkel: Gerade tun die ja auch einiges dafür, dass sie nicht gewählt werden. Der Jungen Freiheit ein Interview geben… tja. Für mich sind das ein paar Verrückte, die einfach nur kostenlos Pornos und Rocksongs runterladen wollen.
Steinmeier: Na ja, die Piratenpartei hat das Problem, dass sie keinen Politikprofi in ihren Reihen hat, aber bereits jetzt unter Beobachtung steht wie eine richtige Partei.
Merkel: Das haben die sich ja selbst zuzuschreiben. Sie hätten diesen Tauss ja nicht aufnehmen müssen.
Steinmeier: Und noch heikler ist es für die, dass selbst ihre Klientel, diese Internet-Menschen, nicht voll hinter der Partei stehen. Die sind da umstritten wie ein Atomkraftwerk in der Lüneburger Heide. Das ist wie im linken Lager… die reinste Selbstzerfleischung.
Merkel: Woher Sie das wieder wissen.
Steinmeier: Na die SPD hat doch einen Online-Beirat und einer von ihnen, so ein Sascha Lobo, hat mir das erzählt. Er mag die Piraten auch nicht. Allerdings ist er fast genauso umstritten in der Szene wie die Piratenpartei. Sie sehen, die sprechen mit tausend Stimmen.
Merkel: Ich sage ja, die müssen wir nicht ernst nehmen.
Steinmeier: Na ja… denen gehört zwar nicht die Gegenwart, aber die Zukunft.
Merkel: Wie meinen Sie das denn?
Steinmeier: Für uns und die meisten anderen ist das Internet ja wie ein Fremder im Park um Mitternacht. Wir denken erstmal, dass er uns ausrauben will und sagen deshalb: Zäune bauen, direkt wegsperren, mehr Polizei einstellen. Und deswegen müssen wir uns auch nicht so sehr ums Internet kümmern, weil unsere Wähler nicht mit offenen Armen vorm Haus stehen und aufs Internet warten. Unsere Webseiten sind ja eher langweilig.
Merkel: Um nicht zu sagen furchtbar.
Steinmeier: Eben. Aber für die jungen Leute ist das Internet kein Fremder im Park, sondern Miss Juni im Playboy, die mit einem nach Hause geht und alle Wünsche erfüllt. Warum sollte man so jemanden einsperren?
Merkel: Nun werden Sie vulgär.
Steinmeier: Unsinn. Was ich damit sagen will – in zehn oder zwanzig Jahren ist das Internet so selbstverständlich wie Luft und ein so wichtiges Thema wie Energieversorgung und Klimaschutz. Dann wird es theoretisch möglich sein, alle Filme, CDs und Bücher mit einem Klick zu erreichen. Welche Partei da keine Ahnung vom Internet hat, braucht gar nicht zur Wahl anzutreten.
Merkel: Als ob das Internet alles andere verdrängen wird. Es gibt doch auch noch Bücher und Spaziergänge und Kartenspiele.
Steinmeier: Wo Sie gerade von Spielen sprechen, Frau Merkel - wissen Sie, was mir gerade einfällt? Es ist ja nicht mal Mitternacht. Warum spielen wir nicht eine Runde Schach übers Internet? Normalerweise spiele ich mit meiner Frau, aber die schläft schon.
Merkel: Schach spielen übers Internet – das geht?
Steinmeier: Ja, ich habe es mir von meinem Online-Beirat erklären lassen.
Merkel: Na gut, ich hole mir nur kurz meine Brille und werfe den Computer an. Bis gleich.

Angela Merkel holt ihre Brille, dann schaltet sie den Computer ein. Es taucht ein blauer Bildschirm auf, auf dem steht „Schwerer Ausnahmefehler“. Sie startet den Computer erneut, der Bildschirm wird wieder blau. Frustriert schaltet sie den Computer aus.
Sie ruft: Herr Sauer, morgen verschwindet dieser Computer aus unserem Haus. Sie greift wieder zum Hörer.

Merkel: Herr Steinmeier, ich kann gerade meine Brille nicht finden. Ich befürchte, wir müssen unser Spiel verschieben. Gute Nacht.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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