Merkel und Steinmeier – die Telefonaffäre (letzte Folge)

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In dieser Wahl-Woche lasse ich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier jeden Abend miteinander telefonieren. In der siebten Folge versucht der Außenminister alles, um weiter Außenminister zu bleiben und die Kanzlerin dreht durch.

Das Telefon von Angela Merkel klingelt.

Angela Merkel: Ja, Merkel.
Frank-Walter Steinmeier: Hallo Frau Merkel, ich bin‘s.
Merkel: Guten Abend, Herr Steinmeier. Sind Sie auch so aufgeregt wegen Morgen?
Steinmeier: (seufzt)
Merkel: Herr Steinmeier?
Steinmeier: Warum sollte ich aufgeregt sein? Die Wahl ist gelaufen. Meine Zeit in der Regierung ist abgelaufen.
Merkel: Ich kann Ihnen nicht widersprechen.
Steinmeier: Ich habe mir mit meiner Frau den ganzen Abend alte Fernsehauftritte angesehen. Jetzt habe ich feuchte Augen.
Merkel: Übertreiben Sie es nicht.
Steinmeier: Es gäbe natürlich noch eine Möglichkeit, wie ich weiter Außenminister bleibe.
Merkel: Und die wäre?
Steinmeier: Wir machen noch mal vier Jahre so weiter. Sie bleiben Kanzlerin und ich bleibe Ihr Außenminister.
Merkel: Herr Steinmeier, das haben wir doch ausgiebig diskutiert in den vergangenen Wochen. Eine große Koalition ist das schlechteste, was unserem Land passieren kann. Ohne eine richtige Opposition macht Politik keinen Spaß. Und Ihrer Partei hat es nicht gerade geholfen – im Gegenteil.
Steinmeier: Aber was hat Guido Westerwelle, was ich nicht habe?
Merkel: Herr Westerwelle ist mir doch völlig egal, aber die FDP… die ist uns einfach näher.
Steinmeier: Ich bitte Sie. Vergleichen Sie doch mal unser Wahlprogramm mit Ihrem. Den einzigen Unterschied, den die Menschen auf Anhieb nennen können, ist die Haltung zur Atomenergie. Wer hat denn bitte Hartz IV eingeführt? Wer hat unsere Truppen nach Afghanistan geschickt?
Merkel: Trotzdem… wir brauchen die SPD als Gegner und nicht als Freunde.
Steinmeier: Das sagen Sie doch nur so.
Merkel: Ich sage nur das, was ich mir vorgenommen habe zu sagen.
Steinmeier: Also keine Chance, dass wir weitermachen?
Merkel: Keine Chance.
Steinmeier: Auf Wiederhören, Frau Kanzlerin.
Merkel: Auf Wiederhören, Herr Steinmeier.

Das Telefon von Frank-Walter Steinmeier klingelt.

Steinmeier: Steinmeier.
Merkel: Frank-Walter, ich brauche dich.
Steinmeier: Frau Merkel, sind Sie das?
Merkel: Ja.
Steinmeier: Was ist denn mit Ihnen los?
Merkel: Ich habe es mir anders überlegt.
Steinmeier: Was haben Sie sich anders überlegt?
Merkel: Also eigentlich habe ich es mir schon die ganze Zeit anders überlegt.
Steinmeier: Ja was denn?
Merkel: Ich will doch die große Koalition.
Steinmeier: Ach, wie kommt’s?
Merkel: Mal angenommen, wir erreichen eine Mehrheit mit der FDP – was ist das für eine Mehrheit? Vermutlich erreichen wir die nur durch Überhangmandate. Diese 48 Prozent, was bedeuten die schon? Vor allem, wenn die Wahlbeteiligung weiter sinkt. 2005 waren es keine 80 Prozent mehr. Das heißt, wenn da so weitergeht, dann regieren wir ein ganzes Land mit der Unterstützung eines Drittels der Wahlberechtigten. Die Zeit der Volksparteien ist vorbei.
Steinmeier: Was wollen Sie damit sagen?
Merkel: Machen wir uns nichts vor. Parteien haben für die Menschen an Bedeutung verloren. Es ist für die Leute genauso Politik, sich bei Attac zu engagieren oder auf Schienen zu ketten. Oder aber sie interessieren sich überhaupt nicht mehr für Politik und gucken DVDs oder surfen im Internet.
Steinmeier: Nun machen Sie es sich aber ein bisschen einfach.
Merkel: Nur ein bisschen, Frank-Walter. Denkst du, ich habe nicht gemerkt, dass sich die Leute hier für den Präsidentschaftswahlkampf in den USA stärker interessiert haben als für den Wahlkampf im eigenen Land?
Steinmeier: Es gab ja auch keinen Wahlkampf.
Merkel: Du immer mit deinen Witzen. Wir müssen uns davon verabschieden, für eine Mehrheit der Bürger wichtig zu sein. Noch haben wir das Glück, dass die seriösen Medien unsere Äußerungen wichtiger finden als die von Amnesty International oder Dieter Bohlen. Aber das ja auch nur, weil sie es immer schon so gemacht haben. In ein paar Jahren laufen wir noch als achte Meldung in der Tagesschau.
Steinmeier: Worauf wollen Sie hinaus?
Merkel: Wenn deine Partei und meine Partei sich zusammentun, ist das noch eine echte Mehrheit. Das gibt uns ein paar Jahre Aufschub.
Steinmeier: Aber vorhin sagten Sie noch, dass…
Merkel: … was interessiert mich mein Geschwätz von eben. Also willst du?
Steinmeier: Na ja…
Merkel: Ach komm, vorhin warst du noch ganz wild drauf.
Steinmeier: Habe ich Ihnen erzählt, dass ich in der dritten Klasse furchtbar in Sabine verliebt war? Ich himmelte sie an, ich schenkte ihr Schokolade und Gummibärchen, ich pflückte ihr Gänseblümchen… doch sie interessierte sich nicht für mich. Eines Tages hörte ich auf, ihr Schokolade zu schenken… und plötzlich stand sie vor mir und sagte, dass sie sich in mich verliebt habe. Ich war trottelig genug, um darauf reinzufallen. Drei Tage später ließ sie mich für Markus sitzen. Seitdem habe ich mir geschworen, Leuten zu misstrauen, die mich erst ablehnen und dann doch haben wollen. Und die Sache mit Peer Steinbrück...
Merkel: Sie werden kindisch. Sie hatten Ihre Chance. Auf Wiederhören.
Steinmeier: Auf Wiederhören.

Steinmeier legt auf. Dann drückt er die Wahlwiederholung.
Merkel: Merkel.
Steinmeier: (schweigt)
Merkel: Herr Steinmeier, Sind Sie das?
Steinmeier: (schweigt)
Merkel: Herr Steinmeier?

Frank-Walter Steinmeier legt auf.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die bei RP Online erscheint. Alle Telefongespräche gibt es hier.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden