Über den Wolken mit Herrn von und zu

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Unser Kolumnist hat das letzte Interview mit Karl-Theodor zu Guttenberg vor dessen Abreise ins Ausland geführt. Die Sache hat nur einen Haken: Herr zu Guttenberg war nicht dabei.

Mir passieren Dinge. Ich stehe auf, gehe in die Küche, schütte mir ein Glas Milch ein. Die Milch ist so verdorben, dass mir ganz anders wird. Ich muss mich kurz setzen. Dann klingelt es an der Tür. Ich öffne, Herr Guttenberg steht dort und sagt: „Herr Dalkowski, wenn Sie wollen, können wir das Interview jetzt führen.“ Wir setzen uns.

Herr Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg, ich möchte mich zuerst bei Ihnen entschuldigen.

Sie zeigen Demut, das gefällt mir. Nur zu.

Ich möchte mich bei Ihnen für die deutschen Medien entschuldigen, die Sie aus dem Amt gedrängt haben. Ich habe mich geschämt für das, was täglich in der Zeitung zu lesen war oder im Fernsehen lief, als die Sache mit der gefälschten Doktorarbeit herauskam.

Ach ja, die Medien. Als sie mich lange genug in den Himmel geschrieben hatten, schrieben sie mich irgendwann in den Keller. Einfach der neuen Geschichte wegen. Selbst Journalisten vom Spiegel sagten mir in vertraulichen Gesprächen, dass sie ja eigentlich nichts gegen mich hätten, der Chef ihnen aber befohlen hatte, mich niederzumachen.

Hat Sie die Berichterstattung nicht verletzt?

Ach wissen Sie, ich schwebe über den Wolken. Dort trifft mich die Kritik nicht. Wenn diese Leute meinen, dass es Ihnen besser geht, wenn sie über mich richten, dann sollen sie das ruhig machen. Es zeugt zwar von schlechten Manieren und schlechter Erziehung, aber was will man von diesen Leuten anderes erwarten? Dabei brauchen die Medien mich mehr als ich sie. Was ist der Dank? Bösartigkeit.

Dabei haben Sie doch den Glamour in die deutsche Politik zurückgebracht, ach was sage ich. Sie haben den Glamour in der deutschen Politik erfunden.

Das ist korrekt. Darüber hinaus habe ich die Leute überhaupt erst wieder für Politik begeistert. Meinungsforscher gehen davon aus, dass die Wahlbeteiligung dank mir in den kommenden Jahren endlich wieder ansteigen wird. Politiker gilt endlich wieder als anständiger Beruf.

Und das Volk liebt Sie. Es küsst den Boden, auf dem Sie laufen. Hat Ihre Popularität auch damit zu tun, dass Sie von adeligem Geschlecht sind?

Ich bin davon überzeugt, dass die Deutschen eine tiefe Sehnsucht nach der Monarchie haben. Den Verlust des Kaisers 1918 hat das Land meiner Meinung nach nie verkraftet. Nur so ist es zu erklären, dass sich die Deutschen stundenlang im ZDF angucken, wie Prinz William diese Kate heiratet. Haben Sie mal gesehen, was bei solchen Übertragungen passiert? Nichts, rein gar nichts.

Schade, dass Ihre Hochzeit nicht im ZDF übertragen wurde.

Zur Silbernen Hochzeit wollen meine Gemahlin und ich unser Eheversprechen wiederholen. Ich denke, das wird eine großartige Fernsehshow.

Herr zu Guttenberg, bitte gestatten Sie mir, dass ich ich Sie noch einmal auf Ihre Doktorarbeit anspreche.

Aber nur einmal, so wie wir es vereinbart haben.

Selbstverständlich. Herr zu Guttenberg, haben Sie bei der Doktorarbeit bewusst getäuscht?

Ich kann auf jeden Fall sagen, dass ich mir den Doktortitel nicht gekauft habe.

Herr zu Guttenberg, das habe ich nicht gefr...

Nur eine Frage.

Aber.

Herr Dalkowski!

Verzeihen Sie, das soll nicht wieder vorkommen. Ich komme mir vor wie einer dieser üblichen Pressevertreter, die sich ständig so etwas wie Nachhaken herausnehmen.

Sie sind ja auch nur ein Mensch. Wissen Sie, für mich ist einfach wichtig, dass jemand das Herz am rechten Fleck hat. Wen interessieren schon Titel?

Ich danke Ihnen für Ihre Nachsicht. Nach dem Wirbel um Ihre Doktorarbeit haben Sie ja angekündigt, das Land zu verlassen.

Klar, hier ist es ja kaum zum aushalten. Es ist mir hier einfach nicht möglich, ein friedliches und freies Leben mit meiner Familie zu führen. Meine Frau Stephanie hat in dieser Zeit sogar drei Haare verloren. So geht das nicht weiter.

Aber Deutschland braucht Sie.

Das weiß ich, aber ich muss nun endlich auch einmal an mich, an mich und an meine Familie denken. Ich habe schon so viel geopfert und habe dafür so viel einstecken müssen.

Das kann ich verstehen, wenn ich es auch bedaure und mit mir ein ganzes Land. Kommen Sie zurück?

Selbstverständlich komme ich zurück. Mein geliebtes Heimatland darf nicht weiter vom Mittelmaß regiert werden, ach was sage ich, herunterregiert werden. Diese Einfallslosigkeit in Hosenanzügen, das ist ja unerträglich. Mehr Show, weniger Inhalt, das ist meine Maxime. Rock’n’Roll für alle.

Das heißt, Sie wollen irgendwann Bundeskanzler werden?

Wie auch immer dieser Posten dann heißen wird, mit dem man dieses Land regiert. Wir sollten da nicht so engstirnig sein. Wichtig ist nur, dass ich das Steuerrad in der Hand halte.

Eure Majestät, verraten Sie mir denn, wohin Sie Deutschland verlassen?

Jetzt kann ich es ja sagen. Ich begleite AC/DC als Roadie auf ihrer nächsten Welttournee.

Sie scherzen.

Keineswegs. Ich habe Angus Young schon vor einigen Jahren gefragt, als wir meinen Geburtstag zusammen auf meinem Schloss feierten. Ende des vergangenen Jahres hat er dann zugesagt. Ach, was freue ich mich. I’m on a highway to hell... highway to hell. Yeah. Wackeeen!

Das heißt, der Rücktritt vom Amt des Verteidigungsministers kam Ihnen entgegen?

Herr Dalkowski, denken Sie doch mal nach.

Worauf wollen Sie hinaus?

(pfeift fröhlich)

Sie sind zurückgetreten, weil Sie mit AC/DC auf Tour gehen wollten?

Denken Sie etwa, ich würde mich einfach so von den deutschen Medien aus dem Amt drängen lassen?

Aber Sie haben nicht auch noch selbst dafür gesorgt, dass die Sache mit der Doktorarbeit ans Licht kommt, damit Sie einen Grund hatten, zurückzutreten und als Roadie bei AC/DC einsteigen konnten, oder?

(pfeift noch fröhlicher)

Sie sind genial. Eure Majestät, ich verneige mich.

Gerne. Dazu müssten Sie sich aber erstmal von Ihren Knien erheben.

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