Warum bin ich bl0ß berühmt?

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Ich habe einen neuen Freund namens Ephraim. Der wird plötzlich berühmt. Den Grund kennt niemand.

Ich schneide mir einen Freund aus den Rippen. Er heißt Ephraim.

Ephraim rief mich an. Er berichtete: Eben kam ein Reporter vorbei und fragte, ob er einen Artikel über ihn schreiben dürfe.
Ephraim fragte: „Warum denn?“
Der Reporter antwortete: „Sie sind eben Ephraim.“
Ephraim verstand die Antwort nicht, doch er willigte ein.

Am nächsten Tag rief Ephraim wieder an. Er berichtete: An diesem Tag standen drei Reporter vor seiner Tür, einer war vom Boulevard. Sie sagten, sie wollten einen Artikel über ihn schreiben. Ganz groß. Titelseite.
Ephraim fragte: „Warum denn?“
Die Reporter antworteten: „Sie sind eben Ephraim.“
Ephraim verstand die Antwort nicht, doch er willigte ein.

Tags drauf besuchte ich meinen Freund. Er öffnete die Tür. Wir gingen in die Küche. Ein Kameramann lehnte am Kühlschrank.
„Der Lokalsender dreht einen Beitrag über mich.“
„Warum?“
„Sie sagen, ich sei eben Ephraim.“
„Okay, ich komme morgen wieder.“

Am nächsten Tag schaffte ich es kaum, mich an den acht Kamera-Teams vorbeizudrücken, die das Haus umzingelt hatten. Mein Freund öffnete.
„Du bist eben Ephraim?“
„Ich bin eben Ephraim.“

Den ganzen Abend sah ich mir die Beiträge im Fernsehen an. Ich erfuhr alles. Ephraims Kindheit, Ephraims Freundin, Ephraims Hamster, Ephraims Lieblingseissorte, Ephraims Zahnlücken.
Ich rief ihn an.
„Warum erzählst du ihnen alles?“
„Ich bin eben Ephraim.“

Kein Tag verging, ohne dass Ephraim im Fernsehen auftauchte. Weil er mich nicht mehr anrief, rief ich ihn an.
Er sagte: „Ich bekomme eine eigene Fernsehshow.“
„Warum?“
„Frag meine Pressestelle.“

Seine Autobiografie und sein Ratgeber „Ephraim kocht“ und „Ephraim gärtnert“ erschienen am Tag seiner ersten Show „Ich bin eben Ephraim“. Am nächsten Tag meldeten alle Nachrichtenagenturen: Kanzlerin lädt Ephraim ins Kanzleramt ein. Wird er Außenminister im neuen Kabinett?

Dann war Ephraim verschwunden. Aus den Medien. Kein Fernsehbericht. Keine Meldung. Er rief an.
Ich fragte: „Was ist los? Du bist doch eben Ephraim.“
Er sagte: „Genau das. Ich bin eben Ephraim.“

Als ich auflegte, klingelte es an der Tür. Ich öffnete. Ein Mann fragte mich: „Darf ich einen Artikel über sie schreiben.“
„Warum?“
„Sie sind eben Sebastian.“

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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