Es st ein Protest von ungewohnter Seite: Deichmann, H&M und anfangs auch Adidas wollen erst einmal keine Miete mehr zahlen. Sie beziehen sich dabei auf einen Beschluss des Bundestags, nach dem Mietkosten, die wegen Corona nicht beglichen werden können, erst in gut zwei Jahren zurückgezahlt werden müssen. Nicht nur die Immobilienbranche ist angesichts der drohenden Verluste in Aufregung. Unter #niewiederadidas entlud sich die Konsumentenwut in den sozialen Medien, viele drohten mit Boykott, manche sogar damit, ihre Adidas-Klamotten zu verbrennen. Entsetzt waren auch Politiker*innen der Bundesregierung und warfen den Konzernen vor, sich unsolidarisch zu verhalten.
Die Corona-Pandemie bringt Unruhe in das Team aus Immobilienbranche und global agierenden Konzernen. Beide zogen an einem Strang und profitierten kräftig vom staatlich organisierten Ausverkauf, durch den sich die Städte in Unternehmen verwandelten und mit anderen Standorten konkurrierten – um Tourist*innen, einkommensstarke Haushalte, Fördermittel und Niederlassungen großer Konzerne. Letztere freuten sich über niedrige Steuern. Auch das lokale Immobilienkapital war begeistert über die zahlungskräftige neue Kundschaft.
Die neoliberale Stadtpolitik, die außerdem mit Privatisierungen des öffentlichen Wohnungssektors und dem Trend einherging, Immobilien als Spekulations- und Anlageobjekt zu nutzen, ließ die Kassen für die Immobilienbranche klingeln und die Geldbeutel der Arbeiterklasse leichter werden. Win-win fürs Kapital. Die Wohnungsfrage, schreibt der Politikwissenschaftler Philipp Mattern, ist Klassenkampf im Reproduktionsbereich.
Doch im Kapitalismus gibt es nicht nur Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit, auch zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen existieren Widersprüche. Dem Staat fällt die Aufgabe zu, die widerstreitenden Interessen von Wirtschaftsbranchen und Unternehmen zu moderieren, auszugleichen, nicht zuzulassen, dass die Partikularinteressen das gemeinsame, übergeordnete Interesse übersteigen. Engels nannte den Staat treffend einen ideellen Gesamtkapitalisten. So hält sich der Staat im neoliberalen Kapitalismus keineswegs zurück, der Streit zwischen den Kapitalfraktionen dürfte bald schon beendet sein: Erste Hilfsfonds für die Unternehmen sind verabschiedet. Was ist mit den Mieten der vielen? Wie wäre es, wenn der Staat zur Abwechslung an der Seite der Mieter*innen stünde und das Immobilienkapital dazu zwänge, sich an den Schulden derer zu beteiligen, auf dessen Kosten es seine Profite eingefahren hat?
Kommentare 5
wie wird die "hilfe" des staates
für die anteils-eigner der lufthansa aussehen?
selbstredend "lebens-hilfe" für immer schon wenig-tätige aktionäre,
zusätzlich zu den anstehenden kurz-arbeiter-stützungen für 870 tsd
ehemals wirklich-tätige.
sorry: 87 tsd.
Das ist typisch für die Dax Unternehmen. Hier keine Steuern bezahlen, die Infrastruktur in Anspruch nehmen und jetzt auch keine Miete. Zum kotzen.
Links winken, rechts Augenzwinkern! Wie so oft.
Eine Politikerin, die mit einer Mieterinitiative im Kontakt war, auf deren Seite verbal stand; hatte aber selber Anteile am Unternehmen Deutsche Wohnen und schlug MieterInnen vor, Anteile von Deutsche Wohnen zu kaufen, um mitentscheiden zu können. Nun aber kann man mit kleinen Anteilen nichts bewirken bzw. mitentscheiden, erstens. Zweitens ist es mit Aktien oft so, dass die Anteile so verteilt sind, dass selbst wenn nur eine Person alle im Umgang befindlichen Anteile kaufen würde, hätte sie sich keine „Mitentscheidungskompetenz“ erkauft.
Außerdem ist es nicht in Ordnung, wenn eine politische Partei, die angeblich an der Seite der Mieter steht, mit Deutsche Wohnen redet. Aus diesen Gesprächen kommend, fängt Deutsche Wohnen an, Wohnungen in Berlin zu verkaufen, um dem Volksentscheid über Enteignungen zu entgehen.
So isses. Denn in einer neoliberal-konservativen Welt ist Mieter eben nicht gleich Mieter. Es gibt kleine Mieter und es gibt große Mieter. Kleine Mieter fliegen in unserem "christlichen" Land auf die Straße, wenn sie ihre Miete nicht zahlen können. Große Mieter sorgen sich darum, dass die Dividendenausschüttung an die Aktionäre im nächsten Jahr niedriger ausfällt.