Berichte über Arbeitsbedingungen bei Amazon werden hierzulande schnell zu Reportagen wie aus einem Katastrophengebiet: Arme ausgebeutete Picker, Packer und Pakete-nach-Hause-Bringer erzählen – meist verpixelt – von Apps, die einen permanent überwachen, von befristeten Verträgen, von Chefs am längeren Hebel, vom Ausgeliefertsein, vom Wunsch, einen anderen Job zu finden.
Was bei solcher Skandal-Berichterstattung verloren geht, sind die stattfindenden Kämpfe gegen die Verhältnisse. Diese werden allenfalls öffentlich sichtbar, wenn mal wieder an einem der großen Amazon-Logistikzentren, in Bad Hersfeld, Leipzig oder in Brieselang etwa, gestreikt wird. Gestreikt wird oft, mehrmals im Jahr, seit fast zehn Jahren.
Der Kampf für einen Tari
Bad Hersfeld, Leipzig oder in Brieselang etwa, gestreikt wird. Gestreikt wird oft, mehrmals im Jahr, seit fast zehn Jahren.Der Kampf für einen Tarifvertrag, gegen ständig steigenden Druck ist beeindruckend, das Durchhaltevermögen der Beschäftigten einzigartig. Auch wenn es noch immer keinen Tarifvertrag gibt, hat sich die Beharrlichkeit für die Beschäftigten ausgezahlt: Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sind Zugeständnisse des Konzerns.Über Proteste wird fast nicht berichtetDoch wie sieht es bei jenen aus, die im Arbeitsprozess nach den großen Logistikzentren kommen, die in der Hierarchie weiter unten stehen? Bei jenen der letzten Meile, die in den kleineren Verteilzentren arbeiten oder Hunderte Pakete am Tag bis an die Haustüren bringen? Auch da gibt es Widerstand. Allerdings ist er weitgehend unsichtbar. Immer wieder erzählen Paketzusteller von Kolleginnen und Kollegen, die sich von den Subunternehmern, bei denen sie angestellt sind, nicht alles gefallen lassen. Die sich zurückgehaltene Löhne auf eigene Faust zurückholen.Es gibt kollektiven Widerstand, wenn Zusteller*innen eines Subunternehmens in den spontanen Streik treten und aus Protest die Pakete vor dem Amazon-Lager abladen, um darauf aufmerksam zu machen, dass nicht der Subunternehmer allein die Verantwortung trägt, sondern auch der Konzern, der vom Subunternehmer-System profitiert. Berichtet wird über solche Proteste fast nie – auch weil von solchen Aktionen kaum jemand etwas mitbekommt. Im niedersächsischen Wunstorf wird es nun sogar einen Betriebsrat in einem der kleinen Verteilzentren geben. Dort hat die Verdi-Liste sechs der neun Plätze bei der Betriebsratswahl gewonnen, auch weil die Gewerkschaft Verdi erkannt hat, dass nicht nur die Beschäftigten in den großen Logistikzentren organisiert werden müssen.Vielleicht gibt es bald weniger Katastrophen-Berichterstattung und mehr Berichte darüber, wie die von Menschen gemachte Ausbeutung durch Menschen herausgefordert wird.Placeholder authorbio-1