Der 26. September könnte ein historisches Datum werden: An diesem Tag stimmen Wahlberechtigte in Berlin über die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne ab. Sollte es dazu kommen, wäre das ein starkes Signal nach Jahrzehnten des großen Ausverkaufs, des Privatisierungswahns, der neoliberalen Stadtpolitik. Es wäre auch ein Sieg von mehreren Tausend Aktiven, die monatelang, einige von ihnen jahrelang, Konzepte geschrieben, ihre Nachbarschaft organisiert und Hunderttausende Unterschriften gesammelt haben.
Doch wenige Wochen vor der Wahl beschäftigt die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ ein interner Konflikt – im Zuge des Vorwurfs einer sexuellen Nötigung: Ein 69-jähriger Aktivist soll eine 29-jährige Mitstreiterin am Arm zu sich gezogen und ihre Hand gezielt zu seinem erigierten Glied geführt haben. Der Beschuldigte weist die Vorwürfe zurück, sie seien „frei erfunden“. Bei dem Aktivisten handelt es sich um Michael Prütz. Dieser hatte die Kampagne einst mitgegründet, war eines ihrer Gesichter, sein Makler-Büro bildete als Kampagnenbüro für viele den Dreh- und Angelpunkt. Die Frau hat Strafanzeige bei der Polizei gestellt, der Beschuldigte wiederum Unterlassung gefordert und die Frau mittlerweile wegen Verleumdung und Beleidigung angezeigt. So weit die Sachlage. Wer mit diversen Personen der Kampagne spricht – viele wollen anonym bleiben –, erfährt schnell, dass es bei dem Konflikt um mehr als um den schwerwiegenden Vorwurf der Nötigung geht.
Prütz und seine Unterstützer kritisieren vor allem den internen Umgang mit dem Vorfall. Er sei ohne Anhörung aufgefordert worden, sich aus der Kampagne zurückzuziehen. Ein offizielles Gespräch vonseiten der Kampagnen-Leitung, des sogenannten Ko-Kreises, habe es nicht gegeben. Vielmehr sei versucht worden, den Vorfall unter den Teppich zu kehren. Ein Mitglied des Ko-Kreises, das anonym bleiben möchte, wirft der Mehrheit des Gremiums außerdem vor, alle Kompromissversuche ausgeschlagen zu haben.
Feindbild Identitätspolitik
Andere aus dem Ko-Kreis haben eine andere Sicht auf die Dinge, so etwa Constanze Kehler: „Natürlich müssen wir als Initiative es ernst nehmen, wenn eines unserer Mitglieder ein anderes wegen eines sexuellen Übergriffs anzeigt. Wir haben unter Beratung externer Stellen ein Verfahren entwickelt und demokratisch ausgehandelt.“ Jonas Becker sitzt für die Kiezteams, die Basisgruppen der Kampagne, im Ko-Kreis und hat den Verlauf des Verfahrens ebenfalls eng begleitet. Mehrere Wochen habe es immer wieder Sondersitzungen gegeben, teilweise mehrmals die Woche.
Die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ ist 2018 gestartet, um private Immobiliengesellschaften zu vergesellschaften, die in Berlin mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Grundlage der Idee eines Volksentscheids ist ein weitgehend unbekannter Artikel des Grundgesetzes, der noch nie angewandt wurde: Artikel 15, wonach Grund und Boden „zum Zweck der Vergesellschaftung“ in Gemeineigentum überführt werden kann. Im Mai hatte die Kampagne einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der aber unabhängig vom Volksbegehren ist. Bei einem gewonnenen Volksentscheid am 26. September würden die Berliner:innen den Senat zur Enteignung auffordern, die konkrete Ausgestaltung läge in den Händen der kommenden Regierung. Die Wahl könnte eng werden: Laut Berlintrend befürworten 47 Prozent der Stimmberechtigten die Enteignung großer Wohnungsunternehmen, 43 Prozent lehnen sie ab.
Nach diversen Änderungsanträgen ist ein achtseitiger Verfahrensvorschlag herausgekommen, wie mit Vorwürfen sexualisierter Übergriffe umzugehen sei. In dem internen Papier, das dem Freitag anonym zugespielt wurde, wird sich „im Sinne der parteilichen Solidarität auf die Seite der betroffenen Person“ gestellt. Es soll eine Kommission eingerichtet werden, bei der es um die Analyse des Vorfalls geht, nicht um Wahrheitsfindung. Arbeitsgrundlage wäre die Schilderung der betroffenen Person. Allerdings habe das Verfahren das Ziel, „konstruktive, transformative Lernprozesse innerhalb unserer Organisation anzustoßen“. Nach langer Debatte haben dem Verfahrensvorschlag 73 Prozent zugestimmt.
In einer Mail an den Kampagnenverteiler lehnt Prütz dieses Verfahren scharf ab: Es falle durch die implizierte Vorverurteilung hinter Werte und Normen der bürgerlichen Aufklärung zurück und lande im 15. Jahrhundert, „wo Fürsten, Adlige und Gutsherren über Recht und Gesetz befunden haben“. Die Mail endet mit dem Verweis, dass zu gegebener Zeit Öffentlichkeit, soziale Bewegungen und Gewerkschaften über „dieses sektenhafte und dschihadistische Verhalten“ informiert werden müssten. Auch aus Prütz’ Umfeld stößt der Verfahrensvorschlag auf scharfe Ablehnung, was Aktive wie Jonas Becker enttäuscht. Es sei irritierend, wenn das von großer Mehrheit beschlossene Verfahren, das nach einem sehr langen und harten Prozess basisdemokratisch entschieden wurde, jetzt nicht akzeptiert wird. „Wir in den Kiezteams bündeln gerade alle Kräfte für den Wahlkampf. Auf den sollten wir uns jetzt fokussieren“, sagt Becker.
Aber nicht nur der Wahlkampf wird die Kampagne wenige Wochen vor der Wahl beschäftigten – das wurde klar, als ein langer Text von Rainer Balcerowiak auf den Nachdenkseiten erschien. Dass der Frau erst einmal geglaubt wird, erinnert Balcerowiak „eher an die spanische Inquisition, das späte Jakobinertum nach der französischen Revolution und Schauprozesse in der Stalin-Ära als an die Verfasstheit von großen demokratischen Bündnissen“. Ähnliche Beiträge waren vorher bereits bei Telepolis und RT zu lesen. Spätestens hier wird deutlich, dass bei dem Konflikt auch das Feindbild der Identitätspolitik eine Rolle spielt: Wer für das Verfahren ist oder sich mit der Betroffenen solidarisiert, wird der woken Linken zugerechnet. Balcerowiak fordert gar, die Unterstützung oder Zusammenarbeit mit der Kampagne zu beenden.
Es kommt noch eine weitere Ebene hinzu: Mehrere Frauen, die anonym bleiben wollen, werfen Prütz vor, sich ihnen gegenüber distanzlos verhalten zu haben. Eine Frau erzählt von einer Begegnung vor ein paar Monaten: Beide kannten sich schon ein paar Wochen, als er die Anfang 30-Jährige fragte, ob sie mal nach Büroschluss zu zweit einen Wein trinken würden. Für die Aktivistin ging das Angebot über das normale Miteinander in einer politischen Kampagne hinaus. Sie habe ausweichend reagiert, Prütz aber mehrmals nachgefragt. Nach dieser Erfahrung sei die Aktivistin nicht mehr, wie sonst üblich, regelmäßig im Kampagnenbüro gewesen, um dort Materialien abzuholen. Sie habe unangenehme Situationen vermeiden wollen, sei sich unsicher gewesen, ob es sich negativ für ihre Stellung in der Kampagne auswirken könnte, wenn sie ihn, immerhin eine zentrale Person der Kampagne, vor den Kopf stößt. Fast deckungsgleich klingt die Beschreibung einer weiteren Aktivistin, die Prütz zum privaten Weintrinken eingeladen haben soll. Prütz entgegnet: Er sei kein Typ, der speziell hinter jungen Frauen her sei. Er habe zwar immer mal wieder Aktivistinnen aus der Kampagne zum Wein eingeladen, aber ohne Hintergedanken. Gerade in Corona-Zeiten sei es normal gewesen, dass Frauen wie Männer abends mal auf einen Wein vorbeigekommen seien.
Von Spaltung keine Rede
Einladungen zum Wein, Flirtversuche oder Anzüglichkeiten sind juristisch gesehen keine Straftaten, aber sie können Grenzen überschreiten. Prütz schrieb Mitte Juli an den Verteiler der Kampagne, schilderte die Erkenntnis, dass er seine „joviale und charmante Art“ reduzieren müsse und er damit aus der Zeit gefallen zu sein scheint.
Im Streit der Kampagne spiegelt sich ein Konflikt, der keineswegs exklusiv für linke Zusammenhänge ist: Was ist ein akzeptabler Flirt? Wo verlaufen in einer politischen Organisation die Grenzen der professionellen Zusammenarbeit, wo fängt das Private an? Wo ist die Grenze zwischen einem charmant-ungefährlichen älteren Herren und einem grenzüberschreitend-unangenehmen Mann? Die Kriterien sind nur schwer objektiv zu bemessen, aber klar ist: Was einst noch akzeptabel erschien oder vielleicht auch zähneknirschend akzeptiert wurde, ist es heute nicht mehr.
Der Konflikt kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, in der heißen Phase des Wahlkampfs, wo jede Stimme zählt. Bereits jetzt deutet sich an, dass die Gegner der Enteignung versuchen könnten, den Konflikt auszuschlachten. Den vorläufigen Höhepunkt bildete Ende August ein Artikel im Berliner Tagesspiegel, der den Konflikt beschreibt und in dem Prütz ausführlich zu Wort kommt. Springers Welt nahm den Bericht dankend auf und titelte „Mutmaßliches Sexualdelikt spaltet ‚Deutsche Wohnen enteignen‘“.
Jonas Becker von den Kiezteams nimmt an der Basis etwas anderes wahr: Zwar gebe es eine gewisse Verunsicherung, aber von einer Spaltung könne keine Rede sein. Zu tun gibt es genug: Haustürgespräche, eine bundesweite Mietendemo in Berlin am 11. September, ein Aktionstag für Enteignungen einen Tag später. Zudem soll der 26. September nicht das Ende der Kampagne sein. Franziska Giffey, die für die SPD das Amt der Regierenden Bürgermeisterin erringen will, hat sich klar positioniert: Das Thema Enteignung sei für sie eine rote Linie bei der Koalitionsbildung. Auch die Grünen sind nicht gerade enthusiastisch, was die Kampagne angeht. Selbst wenn die Abstimmung also gewonnen werden sollte, wird es starken Druck von unten brauchen, um die Vergesellschaftung durchzusetzen.
Kommentare 33
Nicht das dieser Vorwurf verharmlost werden soll, aber man fragt sich, warum dieser Fall so pünktlich vor der Abstimmung in Berlin aufkommt und wem das vor allem nutzt. Ein Schelm, der böses dabei denkt.
Dümmste, dass die Abstimmenden wegen eines bis dato ungeklärten Konfliktes zwischen zwei Mitgliedern der Initiative die Vergesellschaftung der Wohnungen mit ihrer Stimme für überflüssig erklären.
"Beide kannten sich schon ein paar Wochen, als er die Anfang 30-Jährige fragte, ob sie mal nach Büroschluss zu zweit einen Wein trinken würden."
Schlimme Sache, das!
"Einladungen zum Wein, Flirtversuche oder Anzüglichkeiten sind juristisch gesehen keine Straftaten, aber sie können Grenzen überschreiten."
Welche Anzüglichkeiten genau sind im konkreten Fall gemeint? Oder geht es eher darum, den Begriff in diesem Zusammenhang irgendwie ins Spiel zu bringen?
Es geht jetzt darum dass das bei der Abstimmung keine Rolle spielen darf. Die internen Probleme kann die Initiative danach klären.
Natürlich sollte das bei der Abstimmung keine Rolle spielen!
Trotzdem ein eigenartiger Artikel! Über "DefMa" wollte der Autor wohl lieber nichts schreiben.
Natürlich muss man Vorwürfe sexueller Gewalt ernstnehmen. "Bedingungslos glauben" ist aber etwas ganz anderes. Dieses "Definitionsmacht"-Konzept schießt völlig übers Ziel hinaus und ist schlichtweg Wahnsinn. https://www.kommunikationskollektiv.org/wp-content/uploads/2014/07/Thesen-zur-Definitionsmachtsdiskussion-bei-Koko.pdf
>>Über "DefMa" wollte der Autor wohl lieber nichts schreiben.<<
Ja. Im Moment hat die Abstimmung und warum sie wichtig ist eindeutig Priorität, das Andere kann danach besprochen werden.
Schon bezeichnend, dass nette Einladungen zum Umtrunk mittlerweile schon als übergriffig diffamiert werden.
Mir ist das Rechtsgut der Unschuldsvermutung lieber als die aus Wokistan importierte Verdachtsdiktatur. In unserem Land gibt es unabhängige Gerichte - da braucht es keinen DefMa-Wächterrat.
Im übrigen gibt es massenweise Missbrauch mit dem "Missbrauch"...
Lieber Sebastian, gut, dass du dich mit diesem Fall auseinandersetzt. Was mir bei deinem Artikel aber deutlich negativ auffällt, ist, dass du hier einen Fall der sexuellen Belästigung mit der Kampagne an sich in einen Zusammenhang bringst. Dein Fokus liegt eher darauf, wie sich das nun negativ auf den Wahlausgang auswirken könnte: "Der Konflikt" (bisschen verniedlicht, wenn man das aus der Perspektive der Frau liest oder?) käme zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Wann bitte ist es denn für das Opfer sexueller Belästigung ein GÜNSTIGER Zeitpunkt? Folgende Passage finde ich auch sehr schwierig: "Was ist ein akzeptabler Flirt? Wo verlaufen in einer politischen Organisation die Grenzen der professionellen Zusammenarbeit, wo fängt das Private an? Wo ist die Grenze zwischen einem charmant-ungefährlichen älteren Herren und einem grenzüberschreitend-unangenehmen Mann? Die Kriterien sind nur schwer objektiv zu bemessen, aber klar ist: Was einst noch akzeptabel erschien oder vielleicht auch zähneknirschend akzeptiert wurde, ist es heute nicht mehr." Mit Verlaub, das klingt sehr stark nach einem Kleinreden. Es ist eigentlich gar nicht so schwierig, wenn man ein Mindestmaß an Feingefühl und Gespür für Situationen hat, abzuschätzen, welches Verhalten für eine andere Person gerade vielleicht übergriffig sein könnte. Ich habe am eigenen Leib sexuelle Belästigung in linken Kreisen erlebt und ich kenne SEHR viele Frauen, denen es genauso geht. An den Kommentaren sieht man auch, wie weit verbreitet offensichtlich "victim blaming" in der Linken verbreitet ist. Das schreit ja förmlich nach "hätte sie sich ja nicht so freundlich verhalten dürfen". Leute! Ganz im Ernst. Wenn ein Fall sexueller Belästigung innerhalb der FDP oder in sonst einem euch verhassten Verein/Partei usw. passiert, dann geht ihr direkt auf die Barrikaden, aber passiert es hier, dann kann das alles nicht stimmen? Aber Springer und allen Gegner:innen von Deutsche Wohnen enteignen werft ihr jetzt vor, dass die diesen Fall instrumentalisieren? Lieber Sebastian, guter, neutraler, informierender Journalismus geht wirklich anders. Liebe Grüße
Ganz im Ernst, was soll das? Es ging ja nicht nur um Einladungen zum Umtrunk, sondern auch um einen richtigen Tatvorwurf. Ich selbst habe schon sexuelle Belästigung in der Linken erlebt, genau wie sehr viele meiner Freundinnen. Und dass Frauen auch hier nicht geglaubt wird, wo doch so viel von Gerechtigkeit und Gleichheit und sonstwas geredet wird, ist sowas von bezeichnend. Was ist das bitte für ne Sprache? "Verdachtsdiktatur". Dir ist schon klar, dass von 100 Verdächtigen sexueller Gewalt genau EINER verurteilt wird? Also meinst du, dass 99 der Frauen lügen? Sind das unabhängige Gerichte? Es ist einfach super schwer Beweise für sexuellen Missbrauch festzustellen, das bedeutet aber nicht, dass es nicht geschehen ist.
Ich musste mehrmals den Artikel lesen, um mir sicher zu sein, daß das Gelesene so da steht. Timing ist das Wort, welches mir einfällt und wie Sch... der Zeitpunkt ist.
Kurze Geschichte dazu, war mit einem Familienmitglied in Neuhardenberg - Klassik Anne Sophie von Otter mit Pianisten und Gitarristen und danach war noch Zeit,um im Internet sich mit ihr zu beschäftigen und ihrer Familie, Ehemann-der sich das Leben nahm wegen der Anschuldigungen in einem Fall -Thematik siehe oben im Artikel. Er war nicht aus Deutschland ebenso seine Ehefrau nicht.
Da nehme ich die Zeile auf - Missbrauch mit dem Missbrauch.
Es ist so bescheiden, daß die Wohnungskampagne so runter gezogen wird.Ist das jetzt die,, moderne ''Art der Klarheiten?
1. Das Eine und das Andere haben nichts mit der Kampagne zu tun.
2. Kampagne und dargelegte Geschehnisse müssen zeitlich getrennt, betrachtet werden. Soll auch bedeuten, ich hoffe auf Aussagen von Betroffenen, daß die Kampagne durch sie nicht ,,behindert ''werden soll und sie weiterhin das Anliegen unterstützen.
>>Spätestens hier wird deutlich, dass bei dem Konflikt auch das Feindbild der Identitätspolitik eine Rolle spielt: Wer für das Verfahren ist oder sich mit der Betroffenen solidarisiert, wird der woken Linken zugerechnet. Balcerowiak fordert gar, die Unterstützung oder Zusammenarbeit mit der Kampagne zu beenden.<<
Wenn mir das mal jemand erklären würde: Ein solcher Vorwurf zu diesem Zeitpunkt ist doch ganz klar darauf ausgerichtet, die Kampagne zu spalten. Wenn das "Identitätspolitik" ist, dann wird sie genutzt, um den Klassenkampf zu torpedieren, denn nichts anderes ist die Kampagne "DW&Co. enteignen" de facto.
Friedrich meint nun, das "Feindbild der Identitätsploitik" sei das Problem. Ich denke, die "Identitätspolitik" ist das Problem.
Balcerowiak sieht auch die "Identitätspolitik" als Problem, schlägt aber vor, deren mutmaßliches Ziel, die Kampagne zu spalten, auch bitteschön zu erfüllen.
Hab ich das so?
"Friedrich meint nun, das "Feindbild der Identitätsploitik" sei das Problem. Ich denke, die "Identitätspolitik" ist das Problem."
So ist es!
Der Gründer der Kampagne wurde möglicherweise mit einer kriminellen falschen Beschuldigung weggemobbt und die Mobber haben die Leitung übernommen. Wie kann man das getrennt von der Kampagne betrachten?
"99"
Nun die Zahlen stimmen wohl nicht ganz, lt Terre des Femmes sind es 13 %.
Das Problem dabei ist die Beweislage, ohne Zeugen schwierig zu beweisen und zu verurteilen.
In dubio pro reo.
In den USA kommt es immer wieder zu Anzeigen wegen sexueller Übergriffe bei Spitzenkandidaten verschiedener Parteien vor den Wahlen, die auch schon mal 30 Jahre zurückliegen können. Die Hoffnung der Damen auf Millionen Schweigegelder ist offensichtlich. Der Vorwurf der sexuellen Belästigung ist ein scharfes Schwert.
Was wäre denn der Skandal wenn die Einladung zum Wein tatsächlich mit "Hintergedanken" erfolgt wäre?
Naja, das würde den Verdacht bestärken, er wäre notorisch in dieser Richtung unterwegs.
Allerdings frage ich mich auch bei dem Vorwurf der ersten Dame: Warum hat sie nicht einfach beherzt zugepackt? Manch einem vergeht da die Lüstlichkeit. :-D
"Es ging ja nicht nur um Einladungen zum Umtrunk, sondern auch um einen richtigen Tatvorwurf."
In einem Artikel des Tagesspiegels heißt es:
"Das besagte Treffen am 21. Juni am Rosa-Luxemburg-Platz war gut besucht."
und
"Aus dem Umfeld der Initiative sowie von einzelnen Linken-Politikern heißt es: Die von der Aktivistin gemachten Schilderungen seien womöglich nicht korrekt, schon weil Prütz und die Frau damals zu keinem Zeitpunkt allein gewesen seien."
https://www.tagesspiegel.de/berlin/wenige-wochen-vor-berlin-wahl-und-volksentscheid-streit-ueber-mutmassliches-sexualdelikt-bei-deutsche-wohnen-und-co-enteignen/27565148.html
"Obwohl dieser den Vorwurf vehement bestreitet und als „frei erfunden“ bezeichnet, wurde die Anschuldigung seitens des Leitungsgremiums der Kampagne als wahr und unhinterfragbar eingestuft. Prütz wurde ohne jegliche Anhörung und Erörterung aus der Kampagne ausgeschlossen, seine Zugänge zur internen Kommunikation wurden gekappt, für Veranstaltungen der Kampagne erhielt er eine Art Hausverbot. Ferner wurde er aufgefordert, absolutes Stillschweigen zu bewahren und bei Nachfragen einen „Burnout“ als Grund für seinen Rückzug anzugeben. Kritiker dieses Vorgehens wurden massiv als „Täterschützer*innen“ diffamiert, das Büroteam Hals über Kopf aufgelöst."
https://www.nachdenkseiten.de/?p=75361
Ich erwähnte das hier nochmal, weil das Interesse daran, angebotenen Links zu folgen, offenbar nicht sehr ausgeprägt ist.
"Was wäre denn der Skandal wenn die Einladung zum Wein tatsächlich mit "Hintergedanken" erfolgt wäre?"
Das soll Frauen und Männern schon passiert sein, und Männern und Männern, und Frauen und Frauen, und so weiter und so fort, und im Glücksfall übereinstimmend, sonst zerstreute man sich.
Das liegt aber in der Vergangenheit. Dürfte einer Erzählung der Gebrüder Grimm entsprungen sein.
Ich bin da Ihrer Meinung. Das war auch schon der erste Impuls bei den Reaktionen. Der Gedanke, dass da eine Person losgeschickt wurde, um die Kampagne zu diskreditieren.
Und dann kommt noch - bei manchen Autoren- dass so eine Beschuldigung ja den ernsthaften Kampf gegen sexuelle Übergriffe - diskreditieren würde und dabei intendiert wird, dass die Beschuldigung nur falsch sein kann.
Es ist immer das Gleiche und immer wieder werden dann auch gleich noch übergreifende Feindbilder einbezogen.
Es ist so mühsam.
"Es ist so mühsam"
Und das ist auch gut so: Die - oft mühsame - Pflicht, eine vermutete Straftat erst einmal zweifelsfreiei nachzuzweisen, bevor verurteilt werden kann - das gehört zum Wesen des funktionierenden Rechtsstaats.
Der Krawallfeminismus setzt sich dazu in einen klaren Gegensatz: Er versucht mit einer maßlosen Kultur des Verdachts vollendete Tatsachen zum eigenen Vorteil zu schaffen.
Schlagwörter dieses sehr deutschen Denunziantenstadels:
- Irgendwas wird schon dran sein...
- Irgendwas soll/wird hängen bleiben...
- Die Männer sind halt so...
- Unschuldsvermutung ist eh nur was für "Täterschützer"...
Um es nochmals klarzustellen: Ja, ich bin für die Enteignung bzw Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne. Und ja, es braucht in einer großen, demokratischen Bündniskampagne für dieses Ziel einen klaren Trennungsstrich zu vormodernen Inquisitoren, nicht nur bei DWE, sondern überall.
zweifelsfrei mit einem ei...
Lästereien über Herrn Habeck bitte in dem dazu passenden Artikel! >;->
Habeck, das toxische Neutrum... ;-)
Sorry an alle Grünseienden, aber wenn der Ball schon auf dem Elfmeterpunkt liegt, dann muss ich ihn einfach reinhauen.
(s. auch https://www.freitag.de/autoren/marlen-hobrack/so-ein-netter-kerl )
.. ooch, nuja ...
Es kann sein, dass er von der Interventionistischen Linken abgesägt werden sollte und mit dem genannten Vorwurf auch erfolgreich abgesägt wurde. Um ihn aus politischen Gründen aus dem Weg zu räumen. Die Frage, ob die Frau zu dieser Gruppe gehört, könnte ein wichtiger Hinweis sein.
"Es kommt noch eine weitere Ebene hinzu: Mehrere Frauen, die anonym bleiben wollen, werfen Prütz vor, sich ihnen gegenüber distanzlos verhalten zu haben."
Die teils mehrfache Einladung zum Weintrinken ist also ein "distanzloses Verhalten"? Bei diesem Menschenbild gruselt mir. Menschen sollen gefälligst auf Distanz bleiben. Und falls sie das nicht tuen, genügt bereits dies für einen Verdacht.
"Flirtversuche können Grenzen überschreiten."
Was für eine Nichtaussage wie: Freitag-Autoren können dummes Zeug schreiben. Die Frage ist doch, welche und wessen "Grenze" "überschritten" wird und wer diese setzt und definiert. Diese reine Schwammigkeit in der Lingua Friderici soll die nackte Willkür der selbst ernannten Grenzwächter verhüllen.
Insgesamt haben diese Pseudoprogressiven eine eigene Sprache geschaffen, welche der Autor entweder unreflektiert nachplappert oder deren wirres Gedankengut teilt.
Wer diese Sprache der Opfer und Täter, der Oppression, der Privilegien, der überschrittenen Grenzen, der Betroffenheit und einer beständig wachsenden Liste der Kategorien an Opfergruppen teilt, hat diese repressive Ideologie längt verinnerlicht.
Kernelement dieser Ideologie ist der Zirkelschluss, Opfer sei, wer dies von sich am lautesten behaupten kann. Dieser Zirkelschluss findet sich auch in der Formulierung: "im Sinne der parteilichen Solidarität auf die Seite der betroffenen Person". Die "betroffene Person", respektive "das Opfer", hat recht, sich als Opfer zu bezeichnen, weil es sich um ein Opfer handelt.
Diese perfide Logik hat die einstmals progressive politische Linke in einen Club der Akkumuleure von Schuldkapital transformiert. Ich kann nur jedem raten, der sich ein Abo hat aufschwatzen lassen, diese Mitgliedschaft umgehend zu kündigen.
Aus meiner Sicht lohnt sich ein Vergleich des Umgangs der Zeitung mit den großen Buchstaben im Fall des Hubertus Knabe mit dem Fall Michael Prütz. Hinter dem Fall Knabe wurde eine Intrige der alten Seilschaften vermutet, mit dem Fall Prütz wird die Integrität der Kampagne in Frage gestellt. Also Leute, die sich um die Wohnungspolitik der Stadt Sorgen machen, tun das eigentlich nur ganz andere Gelüsten zu frönen - ihre Ernsthaftigkeit ist in Frage zu stellen. Mich wundert nur, dass bisher noch keine Kinderpornografie auf dem Rechner eines der führenden Köpfe der Kampagne gefunden worden ist.
Entschuldigung für die Verschwöungstheorie! Aber ich kenne Michael Pütz seit etwa dreißig Jahren. Schon davor hat er sich in allen möglichen linken Kreisen bewegt und ich glaube, er weiß sich zu benehmen. Über die klagende Frau weiß ich nichts - vor allen Dingen nichts über ihren persönlichen Hintergrund.
Ein solcher Vorwurf ohne den entsprechenden Nachweis/Beweis ist einfach nur heiße Luft. Es gilt schließlich immer noch die Unschuldsvermutung.Sexuelle Nötigung/Belästigung oder gar Mißbrauch verschiedenster Art ist ein sehr scharfes Schwert, welches seltsamerweise (besonders dann, wenn keine Beweise vorliegen (können oder sollen)) bevorzugt in feministischen Kreisen gezückt wird und nur Zerstörung und Leid hinterlässt.
Konnte nicht gleich antworten.Ich meine mit meiner Schreibe, daß die VerfasserInnen der Anschuldigungen nicht den Niedergang der Kampagne bezwecken und das muss auch so ausgesprochen werden.Nu ja - wer hat jetzt die Leitung?Ist das so eine Kampagne?
Sebastian Friedrich ist ein sehr differenzierter Artikel zu einem heiklen Thema gelungen. Er stellt nicht in feministischen Kämpfen errungene Dinge wie das Definitionsrecht in Frage. Aber er lässt offen, ob es für diesen Fall überhaupt gilt. Wird nicht der Begriff sexistische Gewalt immer weiter ausgedehnt, dass schon die Einladung zu einem Glas Wein in den Verdacht gerät? Früher waren es of die Frauen, die für mehr Privatathmosphäre bei linken politischen Treffen sorgen, während viele Männer darauf keinen Wert legten. Es oft Frauen, die oft was zu trinken und zu essen mitbrachten und damit auch die Büroathmosphäre linker Treffen auflockerten. Heute scheint es schon verdächtig, "wenn ein "ungefährlicher alterer Herr" Frauen zum Wein einlädt? Da muss man schon fragen, ob hier die kapitalistische Arbeitswelt auch in linken politischen Zusammenhängen Einzug hält. In der kapitalistischen Arbeitswelt geht es ja immer um Profisionalität, was dann bedeutet, private Dinge haben draußen zu bleiben, bzw. da ist die Therapheut*in zuständig. Da wird dann schon eine Frage nach der Höhe des Lohnes zur Zudringlichkeit. Es muss die Frage gestellt werden, ob sich hier eine neue kapitalisische Subjektivität rausbildet, die auch vor linken Zusammenhängen nicht haltmacht, die einmal die Trennung von Privat und öffentlich aufheben wollten.