„Der talentierte Mr. Vossen“

Wirtschaftskrimi Eine Podcast-Reihe des NDR präsentiert journalistische Recherche als literarische Erzählung
Ausgabe 38/2016
Ein Bild aus besseren Zeiten: Felix Vossen (Mitte)
Ein Bild aus besseren Zeiten: Felix Vossen (Mitte)

Foto: Gerard Julien/AFP/Getty Images

Wirtschaftsthemen sind oft nicht leicht vermittelbar. Müssen Journalisten die Feinheiten von Rentenmarkt, Immobilienfonds und Finanzkrise verständlich machen, gerät das schnell zur drögen Unterrichtsstunde. Einfache Begriffe wie Wette, Rettungsschirm oder Schneeballsystem, die auch Komplexes noch halbwegs treffend beschreiben, gibt es nämlich nur wenig. Unter anderem aus dieser Not hat der Reporter Christoph Heinzle eine Tugend gemacht. Gemeinsam mit der NDR-Redaktion für Radiokunst hat er in sieben Podcast-Folgen den Fall des Aktienhändlers und mutmaßlichen Betrügers Felix Vossen nachgezeichnet.

Dazu greift Heinzle auf eine eher literarische Erzählweise zurück, montiert Interviewschnipsel und Notizen aus seinem Reisetagebuch oder nutzt Cliffhanger am Ende jeder Folge. Dabei bricht Heinzle auch mit klassischen journalistischen Gepflogenheiten, zum Beispiel wenn er zum Ich-Erzähler seiner monatelangen Spurensuche wird. Das Ergebnis ist jedoch meisterhaft. Heinzles Erzählweise entspricht dabei nicht nur dem Wunsch, den drögen Feinheiten eines Wirtschaftsthemas zu entkommen, Der talentierte Mr. Vossen – Jagd auf einen Millionenbetrüger ist auch das Ergebnis eines Scheiterns an anderer Front.

Vossen, ein westfälischer Geschäftsmann, der seine Londoner Freunde erst abgezockt haben soll und später abgetaucht ist, wurde im Februar dieses Jahres nämlich in Spanien von den Behörden gefasst. Heinzle wiederum klebte zu diesem Zeitpunkt schon länger an Vossens Fersen – und stand dann überraschend am Ende seiner Recherche. Denn der Fall wurde nun erst mal Sache der Justiz, die internationale Berichterstattung fand mit Vossens Festnahme vorerst ihren Abschluss.

In der Verarbeitung der Recherche zum Hörspiel spiegelt sich Heinzles Grenzgang zwischen Detektivhandwerk, Polizeiarbeit, Kopfgeldjagd und Reisejournalismus. Zudem bietet diese Form viel Spielraum für Mutmaßungen und Denkanstöße zu dem weltweit beachteten Fall. Schließlich wirft die Geschichte von Felix Vossen bis heute viele Fragen auf: Wie genau er seine reichen Freunde um ihr Erspartes prellte, weshalb die Anleger offenbar gar nichts von Vossens vermeintlich schlechten Absichten ahnten, warum er im März 2015 verschwand, und was aus den rund 60 Millionen Euro geworden ist, die ihm zur Anlage an den Finanzmärkten anvertraut waren, ist bis heute nicht geklärt.

In dieser Hinsicht macht Heinzle Vorschläge und regt zum Miträtseln in einem spannenden Wirtschaftsfall an. Zwar ist derlei in einer klassischen Darstellungsform auch möglich, etwa mittels rhetorischer Fragen. Doch die Entführung der Hörer in die Welt von Hochfrequenzhandel, Aktienmärkten und Treuhändern gelingt so besser und macht Lust auf diese ansonsten eher spröden Themen. Die Cliffhanger, die das serielle Erzählen mit sich bringt, leisten ihr Übriges. Das Ausweichen in eine literarische Form und der damit verbundene Wandel von Recherche zu Erzählstoff trübt die journalistische Freude nicht.

Info

Alle Folgen von Der talentierte Mr. Vossen sind als Podcast abrufbar: ndr.de/info

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