Asymmetrie des Mitleids

Nahostkonflikt Über die bewusst verengte Wahrnehmung der blutigen Ereignisse im Nahen Osten und die Frage, welchen Islam Deutschland braucht und welchen nicht

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Die mörderische Bilanz der letzten Tage: 50 Tote in Afghanistan, Massenexekutionen im Irak, Selbstmordattentate in Afghanistan und auch das unaufhörliche Schlachten in Syrien geht mit unaufhörlicher Grausamkeit weiter. Solidarität auf deutschen Straßen? Fehlanzeige. Stattdessen lebt eine frustriert-radikalisierte Horde, den Gazakonflikt zynisch missbrauchend, ihren Antisemitismus in allen unmöglichen Facetten und in aller Hemmungslosigkeit aus. Wenn Muslime sich gegenseitig massakrieren, scheint dies momentan niemanden zu interessieren. Kundgebungen gegen das barbarische Wüten der ISIS-Terroristen findet man in Europa jedenfalls vergeblich. Kein Vertreter eines muslimischen Verbandes fand sich dazu bereit, die gewaltsame Vertreibung der letzten Christen aus Mossul auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Wen soll da ernsthaft verwundern, dass in der öffentlich vielgerühmten Islamkonferenz der grassierende Antisemitismus unter vorwiegend jungen Muslimen keinen Tagesordnungspunkt wert war?

Akzeptierter Antisemitismus?

Nach den öffentlich bekundeten Hetztiraden gegen Juden stellte der israelische Botschafter fest: "In Berlin wurden Juden verfolgt wie 1938." Eine Aussage, die einem Bundesbürger den kalten Schauer über den Rücken treiben muss. Die wohlbekannte Reaktion deutscher Politiker ließ nicht lange auf sich warten. "Antisemitismus in jeglicher Form wird in Deutschland nicht geduldet", so der weitgehend einhellige Tenor. Dass die (Nicht-)Reaktion der Polizei diese schönen Worte geradezu konterkariert, sollte die Öffentlichkeit nachdenklich stimmen. In Deutschland hat sich ganz ohne Zweifel in den letzten Jahren ein integrationsresistentes, antiwestliches und (auch das darf gesagt werden) vorwiegend muslimisches Subprekariat formiert. Bildung, wenn man es denn so nennen darf, holt man sich vorwiegend in unreflektierten, hasserfüllten Songtexten mancher Gangsterrapper. Oder wie ist die Beobachtung zu erklären, dass gerade auf deren Facebookseiten die mit weitem Abstand übelsten Beschimpfungen zu lesen sind? Kostprobe gefällig? Da ist die Rede von "dreckigen Zionistenschweinen", ein anderen Nutzer fleht Allah an, die "dreckigen Kuffar zu vernichten", ein weiterer bedauert, dass "von diesem Drecksvolk noch zu viele übrig geblieben sind". Gelöscht wurde im Übrigen keiner der Kommentare...

Welchen Islam will Deutschland?

Selbstverständlich ist ein willkürlich-subjektiver Blick in die Kommentarspalte keinesfalls ein repräsentatives Abbild der Überzeugungen einer bestimmten Personengruppe. Aber sie lassen bisweilen abgrundtief blicken in eine Parallelwelt gescheiterter Integration. Christian Wulff wurde einst in Zuwandererkreisen gefeiert für seine Bemerkung, wonach der Islam zu Deutschland gehöre. Aber welchen Islam meinte der Ex-Präsident in seiner Rede? Einen Islam der gesellschaftlich isolierten, bildungstechnisch gescheiterten und damit gefährlichen Parallelgesellschaften? Oder einen weltoffenen, integrierenden und aufgeklärten Islam? Ersterer ist und bleibt ein ernstzunehmendes Problem, was nicht zuletzt die unsägliche Predigt eines Neuköllner Imams oder die zunehmende Anzahl gewaltbereiter Salafisten bezeugt. Letzterer dagegen, und auch daran besteht kein Zweifel, ist und bleibt eine kulturelle Bereicherung dieses Landes. Allen, die dem Islam jetzt gemeinhin einen von Anfang an bestehenden Antisemitismus unterstellen, sei folgende historische Begebenheit illustriert: Es war der Perserkönig Kyros II., der die Juden einst aus der babylonischen Gefangenschaft befreite. Allen Straßenhetzern ist darüber hinaus in Erinnerung zu rufen, dass es Osmanen und Perser waren, die während des nationalsozialistischen Holocausts Tausenden Verfolgten Schutz gewährten. Dass in Kreisen rechtsnationaler israelischer Politiker "Tod-den-Araber"-Parolen zum Allgemeingut gehören, zeigt überdies, dass im Hinblick auf Geschichtsvergessenheit keine Asymmetrie besteht.

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