Ursulas Mutprobe

Nahost Kriegsentscheidende Waffenlieferungen aus Deutschland? Wohl kaum... Über eine deutsche Scheindebatte, spätpubertäre Reflexe und fragwürdige Unterscheidungskategorien.

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Mach ich´s oder mach ich´s nicht?

Wer stand nicht in seiner frühen Jugendzeit einmal vor dieser Gretchenfrage? Zumeist ging es dabei um relativ sinnfreie Mutproben, wie das Springen von einer vergleichsweise nicht allzu hohen Mauer. Nach allem Hin und Her ist man dann meist gesprungen. Geschafft! Seht her, ich kann´s!

Auch Verteidigungsministerin von der Leyen ist jetzt - gewohnt publikumswirksam und mit dem untrüglichen Gespür für politische Symbolik - gesprungen. Umgehend wurde der Beschluss über deutsche Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga als "Paradigmenwechsel" oder - noch pathetischer - als "Wendepunkt" in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik geadelt. Von der eigenen Wichtigkeit sattsam überzeugt, beschwor die Ministerin: "Wenn ein Völkermord nur mit deutschen Waffen verhindert werden kann, dann müssen wir handeln." Dickes Ausrufezeichen. Ob die veralteten Panzerabwehrraketen aus Bundeswehrbeständen den tobenden Konflikt indes maßgeblich zugunsten der Kurden und der irakischen Streitkräfte beeinflussen, darf indes bezweifelt werden. Zehntausende von hochgerüsteten, von tödlicher Ideologie infizierter Kalifatsjünger werden sich wohl kaum von einer Handvoll antiker Kanonenrohre in die Flucht schlagen lassen. Dieser Umstand - seien wir mal ehrlich - spielte jedoch in der politischen Debatte nie eine Rolle. Es ging stets um das Ob, nicht um das Wie geschweige denn um einen langfristigen Zweck.

Gute Kurden, schlechte Kurden

Nachdem die gewohnt übervorsichtige Kanzlerin schließlich von ihren Ministern von der Notwendigkeit des Waffendeals überzeugt werden konnte, wagte sie sich trippelschrittartig an die Öffentlichkeit. Für Waffenlieferungen kämen sowieso nur die Peschmerga - "die guten Kurden" - infrage, keinesfalls jedoch die chronisch aufmüpfigen Jungs von der PKK. Schließlich seien es die Peschmerga gewesen, welche die tausenden von Jesiden vor dem islamistischen Höllenfeuer gerettet hätten. Ob die Mutti der Nation, deren Lieblingsterrain die Außenpolitik gerade nicht ist (denn sie ist schlichtweg nicht im Vorfeld berechenbar), hier einer unbewussten Täuschung erlegen ist oder, was durchaus wahrscheinlicher ist, die Öffentlichkeit bewusst falsch informiert wurde, sollte jeder halbwegs informierte Zeitungsleser für sich selbst entscheiden. Passende Stichworte bei der schwierigen Entscheidungssuche wären dabei "Türkei" und "BND", wahlweise auch "Kurdenkonflikt in der Türkei". Es waren jedenfalls keineswegs die etwas in die Jahre gekommenen Peschmergamilizen, die den lebensrettenden jesidischen Exodus ermöglichten. Diese hatten sich ohne Anweisung frühzeitig - im wahrsten Sinne des Wortes - aus dem Staub gemacht. Es war danach einem Haufen verwegener PKK-Kämpfer überlassen, die Tausenden von Flüchtlinge aus ihrer bedrohlichen Lage zu befreien. Welche seltsamen Unterscheidungskategorien noch so im Kabinettsbetrieb umherschwirren, bewiesen unterdessen Ursula von der Leyen und Wirtschaftsminister Gabriel. Erstgenannte bestand auf der Unterscheidung zwischen "tödlichen" und "nicht-tödlichen" Waffen, Letzterer wies auf den fundamentalen Unterschied zwischen "Waffenlieferungen" (sozusagen gratis) und "Rüstungsexporten" (gegen Bezahlung) hin.

Unsere so genannten "Verbündeten"

Auch in der Frage unserer "strategischen Partner" auf der arabischen Halbinsel sind die Verantwortlichen in der Hauptstadt um klare Abgrenzung bemüht. Kommt man beispielsweise auf das saudische Königshaus zu sprechen, so ist beinahe unisono von "Stabilitätsfaktor", "Partner im Kampf gegen den Terrorismus" oder von "Ordnungmacht" die Rede. Dass dieses zutiefst reaktionäre Regime - übrigens die letzte absolute Monarchie auf Erden - einst Wiege des Massenschlächters Osama Bin-Laden und zahlreicher seiner Helfershelfer war, wird geflissentlich und zweifellos wissentlich unterschlagen. Mit großer Vehemenz wird ebenso der Vorwurf zurückgewiesen, wonach Saudi Arabien an der Formierung der radikalen IS-Milizen erheblichen Anteil habe. Tatsache ist jedoch, dass sich der "Islamische Staat" maßgeblich aus den Resten der islamistischen, aber weniger brutalen Al-Nusra-Front entwickelt hat. Fraglos eine größtenteils saudische Retorte. Als dann Entwicklungsminister Müller (CSU) an den starren Kategorien zu zweifeln begann und die zumindest undurchsichtige Rolle Katars ansprach, wurde er umgehend zurückgepfiffen. Er habe sich lediglich auf entsprechende Presseberichte berufen, so seine Sprecherin. Eine Aussage, die mehr verwundert als beschwichtigt. Ohnehin ist man mit direkter Kritik an den finanzkräftigen Golfmonarchien und ihren über religiöse Stiftungen laufenden Finanzaktivitäten überaus vorsichtig. Schließlich sind beträchtliche Summen an Petrodollars in führenden deutschen Unternehmen gut angelegt. Wahrlich glücklich kann sich schätzen, wer solche Verbündete hat. Übrigens bestehen sowohl Katar als auch die Saudis nicht auf deutsche Waffenlieferungen. Sie bezahlen. Pünktlich. Bar. Ein wichtiger Unterschied, wie wir nun wissen...

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