Winnie gibt den Joschka

Ayslkompromiss Groß war die Verärgerung über Winfried Kretschmanns Zustimmung zum Asylkompromiss. Dabei verfolgt der Oberrealo ein klares Ziel

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Winnie gibt den Joschka

Foto: Thomas Niedermueller / Getty Images


Radikalpragmatiker mit Ambitionen

In bester joschkascher Manier spielt der Radikalpragmatiker aus dem Schwäbischen den grünen Spielverderber. Was oberflächlich betrachtet wie die Desavouierung einer ohnehin beispiellos schwachen Partei- wie Fraktionsspitze aussieht, folgt in Wirklichkeit einer stringenten bundespolitischen Agenda. Während die Kanzlerin sich mit erstarkten Rechtskonservativen konfrontiert sieht, eröffnet der erste grüne Landesvater die bundespolitische Brautschau. Längst ist es ein offenes Geheimnis, dass Kretschmann die Zukunft seiner Partei in einer Zweckehe mit der Union sieht. Innerparteilicher Widerstand ist dabei sorgsam einkalkuliert. Von typischen grünen Befindlichkeiten hat der bekennende Konservative mit der Naturliebhaberattitüde ohnehin nie viel gehalten.

Asylkompromiss als Feuertaufe

Was für Joschka Fischer einst die hochumstrittene Einwilligung in einen deutschen Militäreinsatz gegen das damalige Ex-Jugoslawien war (man erinnere sich nochmals an den turbulenten Bundesparteitag in Bielefeld), ist für Kretschmann die aus seiner Sicht durchaus nachvollziehbare Zustimmung zum Asylkompromiss der Bundesregierung. Mithilfe einer öffentlich zelebrierter Feuertaufe - und nichts anderes war die Bundesratsepisode - soll die grüne Partei ohne Rücksicht auf Sensibilitäten auf Regierungsfähigkeit getrimmt werden. Und in welche Richtung es dabei gehen soll, ist seit geraumer Zeit erkennbar.

Klare Absage an Rot-Rot-Grün

"Von Rot-rot-grün halte ich überhaupt nichts", gab Kretschmann unlängst in einem Interview zum Besten, als er auf die unübersichtliche Gemengelage infolge der Thüringenwahl angesprochen wurde. Stattdessen appellierte er an die sächsischen Grünen, es doch mit dem netten Herrn Tillich zu versuchen. Auch so einer vom pragmatisch-nüchternen Schlag. Die Empfehlung aus Stuttgart blieb jedoch unberücksichtigt, was zweifellos in großen Teilen einem wachsenden Unmut über den selbstbewusst agierenden Oberrealo entsprungen sein dürfte. Jedenfalls sei Kretschmann mit Blick auf das Eigeninteresse angeraten, die grünen Zentrifugalkräfte (man spricht auch von "Basisorientierung") nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren. Trotz ungebrochener Popularität, formieren sich auch im eigenen Landesverband mittlerweile die Kontrahenten.

Pragmatismus ist nicht Liberalismus!

Was den "Welt"-Journalisten Ulf Poschardt zu der Annahme verleitet, wonach sich in der Person Kretschmanns eine neue Art von Liberalismus verkörpere, bleibt bis auf Weiteres ein Rätsel. Mit Letztgenanntem hat der radikale Machtpragmatismus so gut wie nichts gemein. Aber sei's drum. Die Kanzlerin wird den Wink mit dem grün-schwarzen Zaunpfahl mit klammheimlicher Freude vernommen haben. Und notfalls hat Kretschmann ja ihre Handynummer... Gibt es da etwa eine Art Seelenverwandtschaft?

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