Folter made by EU

Griechenland "Fiskalisches Waterboarding" hatte der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis die Sparmaßnahmen der Troika genannt. Ein Überblick in den Abgrund

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Kaputt gespart: Griechenland
Kaputt gespart: Griechenland

Foto: Christopher Furlong/AFP/Getty Images

Damit wir alle wissen, worüber wir eigentlich reden, habe ich die bisherigen Sparpakete und ihre Auswirkungen auf die griechische Wirtschaft einmal in wenigen Stichpunkten zusammengefasst.

Erstes Sparpaket (März 2010)

  • Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 21 Prozent
  • Kürzung von Weihnachts- und Urlaubsgeld für den öffentlichen Dienst

Zweites Sparpaket (Mai 2010)

  • Erhöhung der Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent
  • Streichung des 13. und 14. Monatsgehaltes für den Öffentlichen Dienst und alle Rentner
  • Reduzierung der Stadtverwaltungen von ca. 1.000 auf 370
  • Erhöhung des Renteneintrittsalters von 61,3 auf 63,4 Jahre

Drittes Sparpaket (Juni 2011)

  • Kürzungen bei Sozialleistungen, im Gesundheitssystem und bei staatlichen Investitionen

Viertes Sparpaket (Februar 2012)

  • Senkung des Mindestlohns um 22% von 751 € auf 586 €
  • Senkung des Arbeitslosengeldes um 30% von 461 € auf 322 €
  • Kürzung der Renten um 15%

Fünftes Sparpaket (November 2012)

  • Senkung der Renten ab 1.000 € um weitere 5-15%
  • Streichung des Weihnachtsgeldes für alle Rentner
  • Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre (wo der Zwischenschritt von 63,4 Jahre nach dem 2. Sparpaket auf 65 Jahre abgebleiben ist, weiß ich auch nicht)
  • Kürzung der Gehälter im öffentlichen Dienst um 6-20%

Die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage Griechenlands waren folgende:

Arbeitslosigkeit

  • 2008 - 7,7%
  • 2013 - 27,3%

Bruttoinlandsprodukt

  • 2008 - 233 Mrd. €
  • 2013 - 182 Mrd. €

Staatsverschuldung

  • 2008 - 263 Mrd. €
  • 2013 - 319 Mrd. €

Staatsverschuldung in Relation zum BIP

  • 2008 - 113%
  • 2013 - 174%

In einem Satz: Die Wirtschaft ist zusammengebrochen, die Arbeitslosigkeit explodiert und die Staatsverschuldung gewachsen. Das sind also die Ergebnisse der “Rettungsmaßnahmen”. Gegen eine Fortsetzung dieser Politik war Syriza angetreten und ist voll vor die Wand gelaufen. Die EU hat ihre Maske fallen gelassen und die Griechen knallhart erpresst: “Entweder ihr stimmt zu oder wir lassen euch am ausgestreckten Arm verhungern.”

Aus Sicht der EUliten ist diese Taktik nebst Ergebnis sogar nachvollziehbar: Man wollte und musste mit allen Mitteln verhindern, dass ein Land aus dem verordneten Spardiktat ausbricht. Dies wäre das Signal für Podemos und andere gewesen, dass es eben doch Wege gibt, die Austerität zu beenden und diese damit eben nicht alternativlos ist. Das Ende der EU heutiger Prägung wäre nach einem eigenen Weg Griechenlands nur eine Frage der Zeit gewesen.

Aber genau das hätte Tsipras wissen müssen. Ich werfe ihm vor, dass er keinen Plan B hatte (oder ich kenne ihn nicht und er packt ihn noch aus) und nicht darauf vorbereitet war, dass die EU eben nicht nachgibt. Und ein Varoufakis muss wissen, dass der Grexit die einzige Chance für Griechenland ist, wieder wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Insofern wäre die Vorbereitung einer neuen Drachme zwingend geboten gewesen. Und hätten maßgebliche Personen bei Syriza zudem noch das Geldsystem verstanden, dann hätte man die neue Drachme gleich als Vollgeld konzipiert, das der Staat in Umlauf bringt OHNE SICH ZU VERSCHULDEN.

So aber - und das habe ich im Schwarzbuch Geldsystem bereits beschrieben - liegt der Patient EURO weiter auf der Intensivstation. Der Patient ist mausetot und seit 2008 tun alle nur so, als ob er noch lebt.

Insofern wird mit dieser weiteren “Griechenlandrettung” das Drama des Euro nicht beendet sein, sondern es beginnt einfach ein neuer Akt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sebastian Kunze

Jurist, Buchautor: "Schwarzbuch Geldsystem"

Sebastian Kunze

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