Grexit - No Exit?

Griechenland Zum Irrglauben, Griechenland könne die Eurozone verlassen, ohne gleichzeitig auch aus der EU auszuscheiden.

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Nach dem "OXI" des griechischen Volkes am vergangenen Sonntag steht immer mehr die Frage eines Grexits im Raum. “Grexit” meint dabei das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone beim gleichzeitigen Verbleib Griechenlands in der EU.

In der weiten Blätterwelt wird zwar landauf landab über die ökonomischen Folgen eines Grexits für Griechenland, die EU und die Weltwirtschaft orakelt, allerdings gerät die Diskussion darüber, ob ein Grexit in der angedachten Form rechtlich überhaupt möglich ist, bisher entschieden zu kurz.

Die Mitgliedschaft in der Eurozone ist unwiderruflich.” Das war die Antwort von Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung auf die Frage Welche Währung würde im Falle des Zusammenbruchs des Euro in einem oder mehreren EU Staaten in der Übergangszeit zur Anwendung kommen?” des Europabgeordneten David Campbell Bannerman im Jahre 2011.

Wenn man mal davon absieht, dass nichts für die Unendlichkeit ist und eine Währungsunion schonmal erst recht nicht, stellt sich die Frage, woher Herr Rehn diese unerschütterliche Erkenntnis nehmen will.

Aus den Verträgen der EU?

Schauen wir es uns an.

Zunächst muss deutlich unterschieden werden zwischen einem Austritt aus der EU und/oder einem Austritt aus der Währungsunion.

Insofern sind drei unterschiedliche Szenarien denkbar, die alle nachfolgend untersucht werden sollen:

  1. Austritt aus der EU UND der Währungsunion,

  2. Austritt aus der EU, NICHT aber aus der Währungsunion,

  3. KEIN Austritt aus der EU, ABER aus der Währungsunion.

So, wie ich die Diskussion bisher verstanden habe, diskutiert alle Welt Variante 3 - Griechenland verlässt die Währungsunion, bleibt aber in der EU.

Wir wollen zunächst die etwas einfacheren Fälle 1 und 2 untersuchen.

Fall 1 - Austritt aus der EU und der Währungsunion

Der Fall des Austrittes aus der EU ist in Artikel 50 EU-Vertrag geregelt:

Artikel 50 des Vertrages über die Europäische Union

(1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.

(2) Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht mit. Auf der Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus und schließt das Abkommen...

(3) Die Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Absatz 2 genannten Mitteilung keine Anwendung mehr...

Der Austritt aus der EU setzt somit zwei Dinge voraus:

  1. Beschluss des Mitgliedsstaates über den Austritt aus der EU sowie

  2. Mitteilung des Beschlusses an den Europäischen Rat.

Alles Folgende sind nur Formalien; selbst wenn sich der austretende Mitgliedsstaat nicht mit der EU über die Modalitäten des Austrittes einigen kann, ist nach spätestens zwei Jahren jedenfalls Schluss.

Der Austritt aus der EU ist damit - entgegen Normen, die man üblicherweise aus Brüssel gewohnt ist - klar und eindeutig geregelt.

Die Folgefrage, ob der austretende Mitgliedsstaat auch gleich aus der Währungsunion ausscheidet, ist ebenfalls relativ einfach.

§ 3 Absatz 4 des Vertrages über die Europäische Union lautet ebenfalls klar und eindeutig:

“Die Union errichtet eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist.”

Der EURO ist demnach die Währung der EU. Tritt man aus der EU aus, verlässt man damit automatisch die Währungsunion.

Fall 2 - Austritt aus der EU, nicht aber aus der Währungsunion

Ist faktisch mit der Antwort auf Frage 1 beantwortet: Tritt man aus der EU aus, verlässt man damit automatisch die Währungsunion.

Folglich kann man nicht aus der EU austreten und in der Währungsunion bleiben.

Anmerkung:

Theoretisch wäre in einem solchen Falle die Möglichkeit denkbar, den Euro als Währung zu behalten ohne an der Währungsunion teilzunehmen, wie dies bspw. der Kosovo und Montenegro praktizieren. Diese Möglichkeit soll aber mangels Relevanz für Griechenland an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.

Fall 3 - kein Austritt aus der EU, aber aus der Währungsunion

Jetzt kommen wir ans Eingemachte, da genau dieser Fall im Falle Griechenland dikutiert wird.

Hmm, das muss ja irgendwie gehen, mag man denken, da es 28 EU-Mitglieder gibt, von denen aber nur 19 den Euro als Währung haben. So sollte es doch auch möglich sein, vom Status EU-Mitglied MIT Euro zum Status EU-Mitglied OHNE Euro zu wechseln.

Weit gefehlt.

Die Mitglieder der EU sind grundsätzlich auch Mitglieder der Währungsunion, es sei denn, sie erfüllen die Voraussetzungen für die Einführung des Euro nicht. Genau das ist bei den neun Mitgliedern, die nicht den Euro als Währung haben, der Fall.

Das regelt Artikel 139 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union:

Artikel 139 AEUV

(1) Die Mitgliedstaaten, für die der Rat nicht beschlossen hat, dass sie die erforderlichen Voraussetzungen für die Einführung des Euro erfüllen, werden im Folgenden als "Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt" oder "Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung" bezeichnet.

(2) Auf die Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, finden die im Folgenden aufgeführten Bestimmungen der Verträge keine Anwendung:

a) Annahme der das Euro-Währungsgebiet generell betreffenden Teile der Grundzüge der Wirtschaftspolitik (Artikel 121Absatz 2);

...

d) Ausgabe des Euro (Artikel 128); ….

Sobald der Rat einem Nicht-Euro-Mitglied attestiert, dass er die Voraussetzungen für die Einführung des Euro erfüllt, wird der Euro in dem betreffenden Land als Währung eingeführt, ob das Mitglied das zum relevanten Zeitpunkt nun will oder nicht.

Ausnahmen bilden hier lediglich Großbritannien und Dänemark, die im Vorfeld ausgehandelt haben, dass sie eben nicht den Euro bekommen.

Ergebnis:

Es dürfte klar geworden sein, dass nach den europäischen Verträgen ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der EU-Mitgliedschaft und dem Euro besteht. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.

Insofern ist das allgemeine Philosophieren über einen Grexit in der Form, dass Griechenland den Euro aufgibt, aber in der EU bleibt, obsolet, da dies rechtlich nicht möglich ist.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sebastian Kunze

Jurist, Buchautor: "Schwarzbuch Geldsystem"

Sebastian Kunze

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