Eins, zwei, g´suffa!

Kommentar Dosenpfand - Aufstand der Bierbrauer

Mitten in Berlin, zwischen Alexanderplatz und Spree, steht ein Oktoberfestzelt. Blasmusik und Biergeruch laden den Flaneur zu bayrischer Gastlichkeit und Lebensart ein. Und dazu, Stoiber zu wählen und ihn dauerhaft nach Berlin zu holen? Halt, so schnell schießen die Preußen nicht, selbst wenn sie hauptberuflich Bayern sind. Die Brauereien jedenfalls sind auf Stoiber seit vergangener Woche nicht mehr ganz so gut zu sprechen. Der Kandidat wollte nämlich das Dosenpfand verhindern. Die vor allem in Bayern starken Bierbrauer und der Getränkehandel dagegen ziehen ein Mehrwegsystem vor und haben schon viel Geld in die Rücknahmesysteme investiert, das sie nun gefährdet sahen. Mit öffentlichen Protesten und ganzseitigen Zeitungsanzeigen brachten sie Stoiber zum Rückzug: Das Dosenpfand will er jetzt nur noch auf Grundlage freiwilliger Vereinbarungen mit der Getränkeindustrie stoppen.

Was so mancher als Wankelmütigkeit des Kandidaten deuten mag, ist tatsächlich der Einstieg in die innere Kanzlerschaft. Schließlich gilt von Adenauer bis Schröder: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Stoiber glänzt in Pflicht und Kür. Den Dosenslalom hat er in Rekordzeit geschafft: Noch am gleichen Tag, als bundesweit die ganzseitigen Anzeigen erschienen, zog er seine Meinung zurück. Zu den ganzen anderen zurückgezogenen oder vorsichtshalber nie geäußerten, vor allem aber zu den entgegengesetzten Auffassungen: Das stumpfe Schwert der freiwilligen Vereinbarung zwischen Staat und Industrie etwa hat Stoiber noch nach der Euro-Einführung gegeißelt. Es jetzt zum Rettungsanker in der "Chefsache Umweltschutz" umzufunktionieren, ist Kanzlerschaft im Novizentum. Und auch für die B-Note ist einiges drin: Dass er ausgerechnet die Mittelständler verprellte, als deren Anwalt sich der Kandidat stets ausgab, ist schon ein gutes Stück Deutschland. Nicht etwa Zulieferer der niedersächsischen Automobilindustrie aus Remscheid, sondern bayrische Bierbrauer hat er verprellt. Eine Kanzlerkandidatur mit eingebautem Belastungstest, das ist eine echte Politinnovation und sollte neben dem TV-Sukzessivinterview zum zukünftigen Pflichtprogramm eines Bundestagswahlkampfes gehören. In die Gesamtwertung fließt auch ein, dass die dem Dosenpfand zugrundeliegende Verpackungsverordnung aus unionsregierten Jahren stammt. Fehlt noch, dass Stoiber nach einem Wahlsieg zur Finanzierung des deutschen Irak-Einsatzes bei sinkendem Spitzensteuersatz die Biersteuer erhöht. Wegen der sozialen Ausgewogenheit.

Wie immer: Nur Flaschen kaufen Dosen. Ob das nächste Oktoberfestzelt von rot-weißen Karos geschmückt wird?

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