Es ist die alte Herrschaftsstrategie für aufgebrachte Zeiten: Teile und herrsche, divide et impera. Aufgebracht wird zur Zeit die gesetzliche Krankenversicherung: Sobald jemand glaubt, etwas aus dem Katalog herausschneiden zu können, wird ihm eine Rüge erteilt. Leistungen als solche herauszunehmen, ist unpopulär und wenig überzeugend, wie die willkürlichen CDU-Vorstöße zur Zahnbehandlung zeigen. Deshalb könnte es jetzt Stück für Stück der Familienversicherung an den Kragen gehen. Sie sieht etwa vor, dass Kinder beim gesetzlich versicherten Elternteil mitversichert sind. Ausnahme: Die Eltern sind miteinander verheiratet, der andere Elternteil verdient mehr als der gesetzlich versicherte und ist privat versichert. Er soll dann die Krankenversicherungslast der Kinder mittragen. Dagegen hatte eine Familie geklagt - Grund: Familien mit verheirateten Eltern seien gegenüber Unverheirateten benachteiligt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung Mitte vergangener Woche bestätigt. Die beitragsfreie Familienversicherung sei Element des Familienlastenausgleichs. Finanziell Leistungsstärkere bedürften dessen nicht in dem Maße wie ärmere Familien. Insgesamt verblieben Familien mit Trauschein noch ausreichend Vergünstigungen. Das Urteil verdient Zustimmung: Wenn es schon die sozialpolitisch heikle Möglichkeit privater Krankenversicherung gibt, müssen die wohlfahrtsstaatlichen Vergünstigungen denen verbleiben, die sich eine Privatisierung ihres Krankheitsrisikos nicht leisten können.
Eine andere Front hat Katrin Göring-Eckardt eröffnet, indem sie am Wochenende die beitragsfreie Familienversicherung von Ehefrauen, die keine Kinder erziehen, kritisierte (die entsprechende Konstellation mit Ehemännern ist leider so selten, dass sie nicht einmal der grünen Fraktionsvorsitzenden eine Erwähnung wert ist). Beide Auffassungen sind zwar richtig, hinterlassen aber den Eindruck sozialpolitischer Strategielosigkeit. Eigenvorsorge wird groß geschrieben, ohne dass soziale Alternativen für die eheunabhängige Versorgung von Frauen im selben Zuge entworfen würden. Es wird auf den ersten Blick familienpolitisch argumentiert, dabei geht es nur darum, mehr Geld ins System zu holen. Dafür werden gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausgespielt. Sicherlich sollte es auf den Trauschein heute nicht mehr ankommen - Ehe und Familie haben heute längst weniger miteinander zu tun als vor 50 Jahren. Statt sich aber an Einzelvorschlägen abzuarbeiten, sind Konzepte zu entwickeln, bei denen die Ehe keine Rolle mehr spielt. Im Zentrum müssen nicht die rechtlichen Bindungen der Eltern stehen, sondern die Kinder. Und mit ihnen die Rahmenbedingungen, die endlich so radikal geändert werden müssen, dass Kinder kein belastender Kostenfaktor mehr sind.
Gerichte müssen entscheiden, was ihnen vorgelegt wird. Politiker sind da freier. Es wäre schön, jemanden wenigstens Anlauf nehmen zu sehen - für den großen Wurf.
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