Eine neue Gefahr für die Zivilgesellschaft

Kommentar Die Diskussion um die Proteste bei der Festnahme von Asef N. zeigt welche Art von Zivilgesellschaft erwünscht ist und welche nicht

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Eine neue Gefahr für die Zivilgesellschaft

Foto: Adam Berry/Getty Images

Für die CSU ist die Lage klar. Gewalttätige DemonstrantInnen verletzten PolizistInnen und ein junger Mann stellt ein Problem dar, weil er sich nicht in ein Kriegsgebiet abschieben lassen will. Dabei bleibt nichts unversucht, um Asef N. und seine UnterstützerInnen zu diffamieren. Von „linksautonomen Chaoten“ ist zu lesen, N. ein Straftäter und beinahe Terrorist. Die Botschaft dabei ist klar: Geflüchtete wollen wir nicht und ihre UnterstützerInnen sind Krawallmacher. Die Polizei hat also geradezu die Pflicht, den Knüppel rauszuholen und fest zuzuschlagen.

Gleichzeitig fordert die große Politik angesichts islamistischer
Anschläge, erstarkenden Rechtsextremismus und um sich greifender Menschenfeindlichkeit „Demokratie zu leben“. Welche Demokratie ihnen dabei vorschwebt, hat Nürnberg gezeigt. Nämlich eine, in der eine couragierte Öffentlichkeit unerwünscht ist. Die Anfeindungen und rohe Gewalt gegen die, die sich mutig der Menschenfeindlichkeit entgegen stellten und setzten, zeigen dies deutlich.

Eine Zivilgesellschaft jedoch, die ihren Namen verdient, ist kein schmückendes Beiwerk beim Händedruck für den Bundespräsidenten, sondern scheut sich nicht gegen die Mächtigen Stellung zu beziehen. Sie hat immer ein kritisches Verhältnis zur Gewalt. Gerade dann, wenn sie vom Staat ausgeht. Gefragt ist sie besonders in stürmischen Zeiten wie diesen. Das hat der Verein Mimikri e.V. getan, als er eine Gegendarstellung zu den Vorwürfen gegen N. veröffentlichte. Genau das haben aber auch die SchülerInnen in Nürnberg getan. Sie haben Zivilcourage bewiesen, sich gegen die Abschiebung eingesetzt und sind trotz der massiver Polizeigewalt insgesamt friedlich, aber entschieden geblieben.

Angesichts der Bilder aus Nürnberg muss man sich also fragen, ob die Gefahren für die Demokratie und Sicherheit der Menschen nicht auch in der Institutionen der Gesellschaft selbst lauern. So ist es ist die große Koalition, die entgegen aller Fakten beschließt, Afghanistan sei sicher und Menschen ins Kriegsgebiet abschiebt. Es ist die daraufhin handelnde
Polizei, die BerufsschülerInnen zusammenschlägt, weil sie die
Lebensgefahr für ihren Mitschüler abwenden wollen. Und es ist das geschickte Zusammenspiel beider, die couragiertes Eingreifen kriminalisiert. So zuletzt geschehen, als durch geschickte Lobbyarbeit der Polizei die Paragraphen §113 (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) und §114 (Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte) verschärft wurden. Eine Gesetzesänderung, die den Sinn der ehemaligen Paragraphen genau umkehrt: Sollten bisher die StaatsbürgerInnen vor übermäßiger Gewalt seitens des Staates geschützt werden, stellen die Paragraphen nun de facto die Gesundheit von PolizistInnen höher als das Wohlergehen der RestbürgerInnen und machen zudem die Verurteilung von unrechtmäßig gewalttätige PolizistInnen unwahrscheinlicher. Gesetztesverschärfungen also, die es fortan leichter machen, DemonstrantInnen, wie die in Nürnberg, leichter und härter zu bestrafen.

Flankiert wird dies zu allem Überfluss durch Teile der Leitmedien, wie Spiegel online, die von „Krawalle“ schreiben, wenn sich Menschen der prügelnden Polizei in den Weg stellen und setzten. Die sich einzig als taktische Berater der Polizei verstehen, aber dennoch Verständnis für hartes durchgreifen der Polizei haben, weil Gewalt in der Luft liegt - eine Gewalt die maßgeblich von der Polizei ausging. Die eifrig die Zahl der verletzten BeamtInnen zählen, wohingegen die Anzahl der verletzten DemonstrantInnen nicht einmal erwähnt wird.


Also genau jene Institutionen, die so gern die Zivilgesellschaft
umgarnen und ihre Wichtigkeit bei jeder Gelegenheit betonen, bekämpfen und verurteilen faktisch kritisches Eingreifen derselben. Es scheint, als ist Engagement nur so lange erwünscht, wie es im Einklang mit staatlichen Anforderungen steht. Jedoch keines, das eingreift, wenn der Staat selbst zur Gefahr für die Menschen wird. Die Geschehnisse in Nürnberg zeigen deshalb vor allem eins: Die Regierung und Teile der bürgerlichen Presse sind gerade auf dem Weg, Formen autoritärer Staatlichkeit sukzessive zu etablieren und legitimieren. Wenn die Zivilgesellschaft sich erhalten will, muss sie gegen diesen Prozess vorgehen.

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