49 Euro sind viel zu teuer

Meinung Neun Euro für eine deutschlandweit gültige Monatskarte: Das war überwältigend. 49 Euro fühlen sich fast schon wieder wie GroKo an
Das Nachfolgeticket wird deutlich teurer
Das Nachfolgeticket wird deutlich teurer

Foto: Mike Schmidt/Imago Images

Schön war der Sommer, aber jetzt hat der rot-grün-gelbe Herbst begonnen, und statt eines 9-Euro-Tickets soll es bald ein 49-Euro-Ticket geben. Neun Euro! Für einen Monat Regional- und Nahverkehr in ganz Deutschland! Mit ein- und demselben Fahrschein! Hatte eine deutsche Regierung je eine bessere Idee? Und vergesst die mäkelnden Autofahrer. 62 Millionen Menschen haben bis Ende August vom 9-Euro-Ticket Gebrauch gemacht. 62 Millionen! SPD, Grüne und FDP haben erreicht, was sie wollten, die Inflation gedämpft, die klimaschonende Mobilität gestärkt, den Alltag von Millionen erleichtert, also Sympathiepunkte gesammelt. Tragisch, wie da eine kriselnde Regierung nun ihr Meisterstück zertrümmert.

Denn 49 Euro sind zu viel. Die Inflation betrug im September just zehn Prozent, nach 7,9 Prozent im August. Auch wenn 49 Euro immer noch billiger sind als eine Monatskarte in den meisten regionalen Tarifzonen – der Überwältigungseffekt (Neun Euro! Für das ganze Land!) ist weg. 49 Euro fühlen sich heute ja fast schon wieder wie GroKo an. Da werden viele halt dann doch lieber das Auto nehmen. An alle, für die 49 Euro im Monat aufgrund von Armut ein unüberwindbares Hindernis darstellen, verschwendet diese Koalition ohnehin nur peripher Gedanken.

45,02 Euro für „Verkehr“ sieht der Regelsatz für Hartz IV vor, der als Bürgergeld von Januar an gelten soll. Man könnte jetzt denken: Fehlen ja nur 3,98 Euro und Erwerbslose können durch die ganze Republik fahren. Doch woher sollen sie diese 3,98 Euro nehmen, wenn schon die 174,19 Euro für Nahrung nicht reichen werden, weil alles immer noch teurer wird? Und selbst wer die knapp vier Euro zusammenkratzt und das 49-Euro-Ticket kauft – eine Fahrt von Rostock zu den Enkeln in München mit dem ICE ist da nicht drin. Gilt jetzt: Wer nicht arbeitet, soll gefälligst 13 Stunden Regionalbahn fahren?

Und wenn das Ticket schon 49 Euro kosten muss, weil die Ampel-Regierung scheinbar nicht in der Lage ist, die Mittel für den nötigen Ausbau der Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs aufzubringen, dann müssen zumindest die Bürgergeld-Regelsätze so steigen, dass endlich das Existenzminimum gewährleistet ist. Nicht um 53, um 200 Euro, wie es die Sozialverbände fordern.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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