Der Freitag: Herr Virchow, die NPD fährt gerade eine Raus-aus-dem-Euro-Kampagne. Kann die Partei damit in Zeiten der Krise neue Anhänger gewinnen?
Fabian Virchow: Wenn sich die Finanzkrise weiter zuspitzt, könnten nationalistische Skizzen eines Auswegs aus dieser Krise an Popularität gewinnen. Und dann kann diese Propaganda gegen EU und Euro und für eine Rückkehr zur D-Mark durchaus auf größere Zustimmung treffen als bisher.
Eine derartige Rhetorik wählt derzeit ja nicht nur die NPD.
Das stimmt – und im Gegensatz zu anderen wird sie auf Dauer mit dem Neonazi-Image, mit dem Bild der Verherrlichung des Nationalsozialismus’ leben, leben müssen. Das wird in der Partei vielfach beklagt.
Um das Erscheinungsbild der Partei zu ändern,
tei vielfach beklagt.Um das Erscheinungsbild der Partei zu ändern, will der sächsische Fraktionsvorsitzende Holger Apfel am Wochenende seinen politischen Ziehvater Udo Voigt stürzen und Bundesvorsitzender werden. Ja, nach Apfels Vorstellung soll sich die NPD mit historischen Bezüge zum Nationalsozialismus zurücknehmen und sich stattdessen auf das konzentrieren, was die Partei als Alltagssorgen und soziale Probleme der Menschen bezeichnet: Zuwanderung etwa oder die Euro-Krise.Udo Voigt hat zuletzt voll auf historische Bezüge zum Nationalsozialismus gesetzt und in Berlin den Spruch „Gas geben“ plakatieren lassen. Im Gegensatz dazu will Apfel weitgehend auf Themen verzichten, die für den inneren Zusammenhalt seines politischen Lagers bedeutsam sind: Der Todestag von Rudolph Hess etwa oder die alliierten Bombardierungen. Das heißt nicht, dass das keine Rolle mehr spielen soll. Aber statt etwa an zehn Orten ein so genanntes Gedenken an die Bombardements abzuhalten, soll es dann halt nur eine zentrale Veranstaltung geben, die durch die Städte rotiert.Ist Apfel im Gegensatz zu Voigt also eine Art „Nazi light“? Nein, im Kern der Sache, in der Weltanschauung unterscheiden sich die beiden nicht. Apfel will aus rein taktischen Gründen andere Themen nach vorne stellen. Aber eine solche Abgrenzung in der Außendarstellung, wie sie Apfel und andere jetzt propagieren, kann gar nicht vollständig gelingen.Warum nicht? Weil die Partei auf die so genannten freien Kräfte angewiesen ist: Stark radikalisierte Leute, die nicht oder nur sporadisch in der Partei organisiert sind. Auf die und deren Ansprüche muss auch eine neue Parteispitze Rücksicht nehmen.Voigt hat in seinen 15 Jahren als Vorsitzender die Zusammenarbeit der NPD mit diesem Spektrum intensiviert. Auch Apfel hat in Sachsen enge Verbindungen in diese Kreise. Er hat genauso Schaum vor dem Mund, wenn er bei Veranstaltungen zu diesen Kameraden spricht. Und im Zuge seiner Kandidatur für den Bundesvorsitz hat er ein breit gefächertes Personaltableau für den Parteiapparat aufgestellt. Auf dem finden sich Leute, die absolut für die Zusammenarbeit mit nicht in der Partei organisierten Kräften stehen.Zwischen den beiden Lagern tobt einer der heftigsten innerparteilichen Kämpfe seit Gründung der NPD. Wird Apfel am Wochenende Voigt ablösen? Vermutlich wird er das Rennen machen. Zwar ist der Versuch, Voigt als Bundesvorsitzenden zu stürzen, vor zwei Jahren schon einmal gescheitert, damals konnte er sich gegen Udo Pastörs durchsetzen. Aber er bekam nur 62 Prozent, alles andere als ein Glanzergebnis. Es wird dieses Mal wohl sehr knapp werden, denn Voigt ist ein altgedienter Parteifunktionär, der eine gewisse Hausmacht in der NPD hat und sich auf die verschiedenen Tricks versteht.War es solch ein Trick Voigts, den Parteitag zu verlegen, um so Zeit für die Verteidigung seines Postens zu gewinnen? Nein, das glaube ich nicht.Eigentlich sollte der Parteitag schon vor Wochen stattfinden, aber die NPD fand keinen Veranstaltungsort – zuletzt versuchte sich Voigt deswegen sogar mit einem Beschwerdebrief an den Bundestagspräsidenten zu profilieren. Die NPD hat sich einfach überproportional viele Absagen eingefangen. Keine Kommune freut sich, wenn die NPD ihre Stadthalle buchen will. Dass die Einsprüche der Partei vor Gericht gescheitert sind, heißt entweder, dass sie schlecht vorbereitet war. Oder dass sich die Verwaltungen gut für solche NPD-Anfragen präpariert hatten.Im brandenburgischen Neuruppin scheint es nun doch noch zu klappen – nach gewonnener Klage will die NPD dort am Wochenende tagen. Trotzdem: Die Rechten waren in letzter Zeit nicht gerade erfolgreich, sind eher durch gehackte Internetseiten und verlorene Wahlen aufgefallen. Sie haben immerhin ihre Landtagsfraktionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern halten können, bei anderen Wahlen in jüngster Vergangenheit ihre selbst gesteckten Ziele aber deutlich verfehlt. Aber man darf das Potenzial der NPD, in andere Landtage einzuziehen, nicht unterschätzen. Im nächsten Jahr gibt es kaum Wahlen, da wird sie sich für 2013 und vor allem die Europa-Wahlen 2014 aufzustellen versuchen.Gerade hat das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde für die Wahlen zum Europa-Parlament gekippt. Das muss nicht heißen, dass die NPD dort dann den Einzug schafft. Aber es ist psychologisch natürlich etwas anderes, ob man den Eindruck hat: Fünf Prozent, das ist so weit weg, das schaffen wir nicht. Oder ob eine Partei ihre Mitglieder und ihr Umfeld für den Wahlkampf mit der Aussicht motivieren kann, dass es jetzt viel leichter ist, eine Vertretung ins Europaparlament zu schicken.