Bayern als Klima-Avantgarde

CSU Ist Markus Söder in Wahrheit Deutschlands größter Umweltschützer?
Ausgabe 32/2019
Der Mann, dem die Bienen vertrauen?
Der Mann, dem die Bienen vertrauen?

Foto: Lennart Preiss/Getty Images

Längst hat er die Rettung der Bienen zu seinem Projekt gemacht, jetzt will er Plastiktüten verbieten, schneller aus der Kohle raus und Klimaschutz zum parteiübergreifenden Verfassungsziel machen: Markus Söder ganz in Grün – das lässt viele spotten, weil sie seine Agenda für nichts als hohle Wähleranbiederung halten und ihn selbst für einen derben Opportunisten. Nun ja, erinnern wir uns: Wo erholte sich die bayerische Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze im Januar 2019 vom Wahlkampf, mit Eis aus dem Einwegbecher und Plastiklöffel? In Kalifornien. Kerosin-Katha oder Situationisten-Söder: Wer ohne Klima-Sünde ist, werfe den ersten Stein.

Die Schöpfung bewahren: Dass Bayerns Ministerpräsident dieses Credo nicht wie andere Konservative nur nachplappert, ist alles andere als Utopie. Das Landesumweltministerium – bei Gründung durch die CSU 1970 das erste in Deutschland – übernahm Söder 2008, stellte sich bald gegen den wirtschaftlich motivierten Ausbau der Donau und somit gegen die CSU. Resolut auch sein Nein zur grünen Gentechnik – und somit zur damaligen CSU-Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Wie er kürzlich „Fridays for Future“-Schüler zum langen Gespräch ohne Presse traf, so hat er es einst nach dem Antritt als Umweltminister mit Ludwig Sothmann gehalten, einem der erfahrensten Naturschützer des Freistaates – nachzulesen in der Söder-Biografie Politik und Provokation.

Als Ministerpräsident war seine erste Amtshandlung, deren Bedeutung über Bayern hinausreicht, für die Übernahme des Artenschutz-Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ zu sorgen. Grün- und Blühstreifen an Straßen, Äckern, Gewässern; Biotop-Vernetzung; Ausweitung des Öko-Landbaus; Einschränkung des Pestizideinsatzes – all das wird in Bayern Realität, ebenso Ausgleichszahlungen für Landwirte, 70 Millionen pro Jahr. Das gibt ähnlichen Initiativen in Deutschland Rückenwind.

Schon klar: Söder will den Verlust von Wählerinnen an die Grünen stoppen, und er wird weder BMW noch den Flughafen München dichtmachen. Er will alternative Kraftstoffe für das Fliegen erforschen lassen, träumt von „Innovationen“, der Aussöhnung von Kapitalismus und Klima. Naiv, vielleicht. Aber der CSU-Chef ist damit immerhin weiter und wirkmächtiger als so mancher Sonntagsredner.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter Politik

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er beschäftigt sich mit Politik und Ökonomie, Steuer- und Haushaltsfragen von Hartz IV bis Cum-Ex und Ideen für eine enkeltaugliche Wirtschaft.

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