Es scheint zunächst, als hätte dieser Wahlsonntag ein Ergebnis gebracht, das begrüßt, wer sich selbst in der behaglichen politischen "Mitte" verortet: eine recht stabile (CDU) und eine triumphierende (SPD) Volkspartei, die FDP mit sieben und die Grünen mit acht oder neun Prozent. Vor allem aber: die AfD erreicht "lediglich" sechs Prozentpunkte, die Linke verpasst den Einzug in den Landtag von Niedersachsen. Wenn die beiden Großen nur "leidenschaftlich" und "inhaltlich" genug miteinander debattierten, würde es für die Populisten an beiden Rändern schwer, heißt es etwa hörbar zufrieden im Deutschlandfunk.
Das meint etwa das TV-Duell der beiden Spitzenkandidaten Stephan Weil und Bernd Althusmann, welches freilich um Längen unterhaltsamer war als das Aufeinandertreffen von Angela Merkel und Martin Schulz, nur: was ist das für ein Maßstab? Und was überrascht an einem Resultat der AfD, das ganz genau dem Umfragetrend der Partei in diesem Bundesland entspricht, über das gesamte vergangene Jahr hinweg? Nicht einmal eine Hausdurchsuchung bei ihrem Landeschef, dem einstigen ARD-Auslandskorrespondenten Armin-Paul Hempel, kurz vor dem Wahltag, wegen Betrugsverdachts, hat daran etwas geändert. Die AfD kommt aus vorraussichtlich neun Mandate.
Leidenschaft für rote Socken
Ministerpräsident und SPD-Landeschef Weil hat sich indessen einer potentiellen Koalitionsoption beraubt, indem er vor dem Wahltag Rot-Rot-Grün zwar nicht ausschloss, aber ebenso wie zuletzt etwa Nordrhein-Westfalens gefallene Landesfürstin Hannelore Kraft als Ziel ausgab, die Linke unter fünf Prozent zu drücken. Im Grunde ist bei den Genossen alles beim Alten geblieben: das einzige zum schwarz-rot-gelb-grünen Einheitsbrei wirklich differente Koalitionsmodell ist nicht mehr ausdrücklich, sondern nun eben zwischen den Zeilen ausgeschlossen. Die rot-schwarze Ähnlichkeit bleibt: Von Merkels Auftreten mit Althusmann im Wahlkampf ist als einzig enthusiastisches Momentum das Schimpfen auf "rote Socken" überliefert.
Mit einem fünf-Prozent-Plus im Rücken könnte SPD-"Ehrenretter" Weil mit einer rot-schwarzen Landesregierung gar nun die Vorlage dafür geben, dass die Bundes-SPD im Winter Anstand zeigen kann, indem sie die Republik vor Neuwahlen rettet, in die nächste Große Koalition eintritt und zerstrittenen Jamaikanern zeigt, was Regierungsfähigkeit heißt.
Elke Twesten studiert
Weil die FDP nun ein bisschen Revanche für den Blitzeinzug der SPD in die Bundestags-Opposition nimmt und ein Ampel-Bündnis ausschließt, ist eine Große Koalition in Hannover momentan die wahrscheinlichste Option. Dass Schwarz-Gelb-Grün im Bund scheitert, ist dagegen eher nicht anzunehmen. Daran wird auch nichts ändern, dass Niedersachsen bundespolitisch gesehen eine klare Ansage ist: die CDU galt vor kurzem noch als sichere, haushohe Gewinnerin und verlor auf den letzten Metern, deren Startpunkt die Bundestagswahl am 24. September darstellt; die erste Umfrage danach war die, in der sie erstmals seit langem nur noch einen Prozentpunkt vor den Sozialdemokraten lag. Merkel geht alles andere als gestärkt in die Sondierungsgespräche.
Die FDP verliert gegenüber 2013 mehr als zwei Prozentpunkte, und schon allein dass diese drei Worte, "die FDP verliert", noch irgendwann irgendwo einmal auftauchen würden, schien ja zuletzt ausgeschlossen. Am härtesten erwischt hat es die Grünen mit etwa fünf Prozentpunkten weniger und dem wohl knappen Verlust der letzten rot-grünen Mehrheit in einem Flächenland. Elke Twesten, deren Fraktionswechsel zur CDU die vorgezogene Neuwahl ausgelöst hatte, geht also alles andere als leer aus, selbst wenn sie nun ohne Parlamentsmandat dasteht. In einer Großen Koalition unter Weil oder – falls es die Akteure darauf anlegen – in einer Jamaika-Koalition wird für sie zwar kaum ein Posten abfallen und natürlich kann man sich nun amüsieren, weil Twesten laut Spiegel online nun "Führungskompetenz" an der Fachhochschule Buxtehude studiert. Eigentlich aber hat sie dem Land ziemlich eloquent vor Augen geführt, dass der Rechtsruck der politischen Verhältnisse sich eben nicht auf die AfD beschränkt.
Kommentare 14
Elke Twesten hat gewonnen – wenn auch nur knapp. Allerdings: Eine Ampel werden Testens Lindnerfreunde sicher zu verhindern wissen. Ansonsten passt die Frau in unsere Zeit wie das Fraktur-Tattoo am Hals zum identitären Ultra. Wie man liest, ist Hopfen und Malz noch nicht verloren. Wenn sie mit dem »Führungskompetenz«-Studium fertig ist, kann sie ja als Bundeskanzlerin erfolgreich die zweite Chance im Leben in Angriff nehmen.
Denn: Wir leben in interessanten – um nicht zu sagen: großen – Zeiten.
Soll »Twestens Lindnerfreunde« heißen. Obwohl: ein veritabler Test war ihr Übertritt zur CDU ja schon. Vielleicht macht sie auch mit Frauke Petry eine neue Partei auf – ebenfalls so als Test.
Wer vom schwarz-rot-gelb-grünen Einheitsbrei spricht, der will Unterschiede nicht wahr haben und wird bestimmt auch vom taz-freitag-Zeit-faz-jungefreiheit Einheitsbrei reden.
Sie werden mir die Unterschiede sicher erklären. Ich meine diejenigen in der praktischen Politik, nicht in Programmen. Programme sind wohlfeil.
Wenn sie sich mit 54, als Diplom-Volkswirtin und nach einer Karriere als Politikerin bis hin zum Amt der Schriftführerin eines Landtags tatsächlich für ein Fachhochschul-MBA-Studium an der hochschule 21 entschieden hat, kann man nun wirklich nicht behaupten, sie habe irgendetwas gewonnen.
Sie sollte im 2. Semester besonderes Augenmerk auf das Kompetenzfeld "Projektmanagement mit Chancen-Risiken-Analyse" legen. Zu empfehlen wäre auch noch das Modul "Integre Persönlichkeit", aber das fehlt in MBA- und Politikwissenschaftsstudiengängen ja allgemein, nicht nur an der hochschule 21.
"Sie werden mir die Unterschiede sicher erklären. Ich meine diejenigen in der praktischen Politik, nicht in Programmen."
Eine Richtigkeit einer Behauptung muss bewiesen oder zu mindest belegt werden und nicht umgekehrt. Also belegen Sie die Behauptung des "schwarz-rot-gelb-grünen Einheitsbrei". Ich bestreite lediglich die Korrektheit der Aussage.
Das sehe ich nicht so. Sie stellen ja auch eine Behauptung auf, nämlich dass der Eindruck, den sehr viele vom gegenwärtigen Parteiensysem haben, falsch sei. Die müssten Sie belegen.
Vor allem haben Sie gegen die Behauptung des Autors ein Argument aufgebracht, nämlich dass es Unterschiede gäbe, die der Autor oder Leute wie ich nicht wahrhaben wollen. Daraufhin habe ich Sie gebeten, diese Unterschiede zu benennen und spezifiziert, dass ich solche meine, die praktisch relevant sind.
So etwas nennt man Diskussion. Sie haben eigentlich nur zwei Möglichkeiten. 1) Sie können meinem Argument mit einem Gegenargument begegnen. 2) Sie können eingestehen, dass Ihre Behauptung nicht wirklich belegbar ist.
Versucht haben Sie: 0) Meinem Argument auszuweichen.
Das ist heute üblich. So reagieren Politiker der Unionsparteien, der SPD, der Grünen und der FDP, wenn sie auf ein Argument keine gute Antwort haben. In dieser Hinsicht gibt es wirklich gar keine Unterschiede.
Der gute Herr Weil hat möglicherweise Recht : Die Erneuerung der SPD beginnt erst jetzt. Allerdings muss sich die SPD erst von ihrem alten Ballast befreien. Sigmar Gabriel, die ahnungslose Özoguz und den inkompetenten Stegner alle zum Rücktritt zwingen und durch neue kompetente SPD-Gesichter ersetzen. Wie bespielsweise Herr Weil, Personen des Formats Lafontaine und auch Carsten Sieling sowie Hilde Mattheis. Mit Oppermann und Nahles kann der Neuanfang beginnen.
Allerdings ob Schulz der richtige Mann war und immer noch ist, das wage ich zu bezweifeln. SPD Urgestein Herr von Dohnanyi behauptet, Schulz sei der falsche Mann.
"Mit Oppermann und Nahles kann der Neuanfang beginnen."
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Kann er mit Sicherheit NICHT!
Beide, Oppermann Und Nahles haben, mit ganz ganz vielen anderen "Spezialdemokraten" die unterirdisch schlechte Politik der letzten Jahre dieser GroKo MASSGEBLICH mitgetragen, gestützt und MITZUVERANTWORTEN.
Die Meinung Ihrer beiden "Hoffnungsträger zu Hartz IV, der sozialdemokratischen URSÜNDE, dürfte Ihnen bekannt sein.
WIE also ausgerechnet Herrschaften wie der Herr Oppermann Ihnen da irgendeine Hoffnung auf einen GLAUBHAFTEN Neuanfang dieser Partei machen kann, dürfte Ihr großes Geheimnis sein.
Allerdings läßt Ihr Vertrauen in einen Herrn von Dohnanyi und dessen Verhältnis zu einer SOZIALDEMOKRATISCHEN(!!!) SPD da tief blicken.
Und der angeblichen "Vorzeigelinken" der sPD, Andrea Nahles hat die Partei, gleich zu Beginn der Fraktionsführerschaft von Nahles, mit dem Seeheimer Carsten Schneider als "Neuanfangsgeschenk" einen wunderbaren Wachhund zur Seite gestellt, offensichtlich mit der Aufgabe, allzu forsch Richtung "Links" weisende Tendenzen dieser Dame umgehend "einzuhegen"... wobei diese "Gefahr" bei Nahles wohl eher theoretischer Natur sein dürfte.
MfG
biggerB
Was stört Sie an Herr von Dohnanyi? Sein Umgang mit Schulz? Nein seine Analyse bezüglich Herr Schulz ist schon sehr aufschlussreich und kompetent!
Auch das Satire Magazin hatte schon 1 Monat vor der Wahl sehr gut dargestellt und präsentiert, was Schulz Schwächen sind. Leider hatte sich der Herr Schulz diese Kritik überhaupt nicht verstanden
https://www.youtube.com/watch?v=SNHIEjy6wZg
Außerdem Frau Nahles ist nicht die einzige Frau, die gute Politik gemacht hat. Das Problem von Frau Nahles sie wurde oft ausgebremst! Sie braucht dringend Untersützer an ihrer Seit zum Beispiel Leute wie der kompetente Lafontaine, Carsten Sieling und die SPD-Frau Hilde Mattheis!
@ramon-carlos
"Was stört Sie an Herr von Dohnanyi?"
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Die Tatsache, daß er sich als Sozialdemokrat bezeichnet.
In der Union wäre er m. E. besser aufgehoben.
"Auch das Satire Magazin hatte schon 1 Monat vor der Wahl sehr gut dargestellt und präsentiert, was Schulz Schwächen sind. Leider hatte sich der Herr Schulz diese Kritik überhaupt nicht verstanden"
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Es stört mich dasselbe an Schulz, was mich auch an Schröder, Scholz, Oppermann, Nahles oder, oder, oder stört.
Es sind KEINE Sozialdemokraten, sondern bestenfalls als Sozialdemokraten verkleidete Neoliberale.
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20176/neoliberalismus
"Außerdem Frau Nahles ist nicht die einzige Frau, die gute Politik gemacht hat. Das Problem von Frau Nahles sie wurde oft ausgebremst!"
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Frau Nahles wäre bestimmt weitaus weniger "ausgebremst" worden, hätten sich die Spezialdemokraten(!) innerhalb der sPD-Führungsclique inclusive der Frau Nahles für eine seinerzeit mögliche Rot-Rot-Grüne Koalitionsregierung entschieden.
Solange eine Partei wie die derzeitige sPD ihre sozialen Versprechen lediglich in der Opposition als Maxime ihres politischen Handelns vor sich herträgt,
diese Maximen jedoch in Regierungsverantwortung mit Schallgeschwindigkeit wie Ballast von sich wirft, ist für mich einfach unwählbar.
Und zu Ihrem Herrn Oppermann nur folgendes -
ein "Sozialdemokrat" wie dieser Herr Oppermann, der sich gegenüber einem Verfolgten der US-Regierung wie Edward Snowden der amerikanischen Administration derartig feige und arschkriecherisch verhält, hat 150 Jahre sozialdemokratische Parteigeschichte verraten!
http://www.spiegel.de/forum/politik/spd-fraktionschef-oppermann-snowden-darf-unser-verhaeltnis-zu-den-usa-nicht-belasten-thread-133259-12.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Snowden#Deutschland
MfG
biggerB
@biggerB
Warum dreschen alle auf Oppermann ein? Oppermann hatte bei den NRW-Landtagswahlen sehr gute Themen wie Sicherheit udn Versagen der Justiz thematisiert und zur Sprache gebracht, was viele Leute vor allem aus der FDP und CDU gar nicht als Problem erachtet haben. Oppermann machte einen sehr guten Wahlkampf bei den NRW-Landtagswahlen. Allerdings bei den Budnerstagswahlen wurde sehr ruhig um ihn. Da hätte er sich mehr mit wichtigen SPD-Themen in Szenen setzen sollen, so wie er es in NRW machte. Oppermann sollte m. E. besser auf seinem Posten bleiben!
Was allerdings Ihre Ausführungen bezüglich Edward Snowden angeht. Ich finde da ist der Oppermann das wesentlich kleiner Übel als der inkompetente Antidemokrat Herr Maas. Der Justizminister hat in den letzten 4 Jahren unglaublich viele Fehler gemacht und hat einen sehr großen Anteil an dem Niedergang von der SPD!
Maas und Sarrazin müssen per Parteiausschlussverfahren aus der SPD für alle Ewigkeiten verbannt werden! Diese zwei Wahnsinnigen haben in der SPD nichts zu verloren!
So einfach geht das nicht. Natürlich ist das Bestreiten einer Behauptung auch wieder eine Behauptung. Jedoch muss die erste Behauptung belegt werden.
Zumal sind die Behauptungen inhaltlich nicht identisch sind. Das wäre genauso, wenn jemand behaupten würde: Dreieck, Viereck, Fünfeck...das ist alles eines. Die Unterschiede zwischen den geometrischen Figuren sind offensichtlich. Mit dem Hinweis "Schau mal genau hin!", sollte das erledigt sein. Eine Diskussion diesbezüglich ist unnötig.
Die Unterschiede zwischen den Parteien sind ebenso augenfällig. Dies zu bestreiten hat entweder den Grund darin, dass Sie sich weigern Realitäten anzuerkennen, oder dass es Ihnen und dem Autor eigentlich um etwas anderes geht. Das sollten Sie dann auch so benennen. Vielleicht geht es Ihnen auch nur um die Verschiebung des Diskussionsinhalte, um von anderen Inhalten abzulenken, bei denen Sie schlechtere Argumente haben.
Dass Ihnen klar ist, dass Unterschiede zwischen den Parteien offensichtlich existieren, wird durch Ihren rhetorischen Kniff der wachsweichen Relativierung, diese sollten "praktisch relevant" sein, deutlich. Mit einen solchen Kniff lässt sich immer antworten, das angeführte Faktum sei nicht "praktisch relevant" und dadurch die eigene Position immun gegen Fakten machen. Daher sind an dieser Stelle Gegenargumente und eine Diskussion sinnlos. Ich weiche also Ihrem Argument nicht aus, es liegt kein echtes Argument vor.
Sofern Sie sich mit dem Anlass des Artikels der Wahl in Niedersachsen beschäftigen, dann werden Sie feststellen, dass die Unterschiede zwischen den Parteien mehr als deutlich sind. Die letzte rot-grüne Regierung hatte eine bedeutende weil wahlentscheidende (zumindest laut Wählerbefragungen) Maßnahme Ihrer schwarz-gelben Vorgängerin sogar zurückgenommen. Das kommt schließlich selten genug vor, dass eine zentrale Maßnahme zurückgenommen wird. Meist wird in einem Aufgabenfeld weiterentwickelt statt abgewickelt. Um das zu erkennen müssten, Sie und vorallem der Autor sich mit den Niederungen der niedersächsischen Landespolitik beschäftigen.
"Die letzte rot-grüne Regierung hatte eine bedeutende weil wahlentscheidende (zumindest laut Wählerbefragungen) Maßnahme Ihrer schwarz-gelben Vorgängerin sogar zurückgenommen."
Da müssen Sie schon konkreter werden. Weder ich, noch ein anderer Leser kann ahnen, was Sie nun genau meinen. Etwa die Bezeichnung Gorlebens vorrangig als Atomstandort im Raumordnungsprogramm? Wenn ja, so bleibe ich dabei, dass das nicht relevant ist, sondern reine Symbolpolitik. Es ändert nichts Praktisches.
Ich gebe gern zu, dass sich die Parteien in ihrer Symbolpolitik unterscheiden, also in dem Bild, das sie den Wählern vorgaukeln. Interessant ist aber, ob sie sich im Muster der Entscheidungen unterscheiden, die das Leben der Wähler tatsächlich beeinflussen.