Cum-Ex und kein Ende

Steuerskandal 5,3 Milliarden Euro hat der größte deutsche Steuerbetrug den Fiskus bisher gekostet. Politische Schlussfolgerungen aus dem Skandal harren ihrer Umsetzung
Die Aussagen dieser beiden Zeugen waren nicht die ergiebigsten im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss
Die Aussagen dieser beiden Zeugen waren nicht die ergiebigsten im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss

Bild: imago/IPON

Sicher, es hätte schlimmer kommen können als es nun wahrscheinlich kommt. Zu Zeiten, in denen ein schwarz-gelb-grünes Kabinett noch als möglich galt, war Wolfgang Kubicki (FDP) ein heißer Kandidat für den Posten des Bundesfinanzministers. Kubicki, der Anwalt des mutmaßlichen Strippenziehers im größten Steuerskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte: Hanno Berger, in der vergangenen Legislaturperiode als Zeuge mehrfach in den von Grünen und Linken erzwungenen Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestages geladen, tauchte dort nie auf, weil er sich in die Schweiz abgesetzt hat. Doch auch ohne Kubicki als Finanzminister und mit einer weiteren schwarz-roten Bundesregierung sollte man sich keine Illusionen machen: Der notwendige Paradigmenwechsel in der deutschen Steuerpolitik ist nicht zu erwarten.

Auf 5,3 Milliarden Euro Schaden und 417 Verdachtsfälle beziffert das Bundesfinanzministerium mittlerweile die Folgen von Cum-Ex, so berichten es nun Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR. Banken, Finanzmarktakteure und Vermögende hatten dreist mehrfache Steuerrückzahlungen für Steuern kassiert, die sie nie gezahlt hatten. Zwar verfolgt insbesondere die Staatsanwaltschaft Köln die mutmaßlichen Vergehen heute sehr konsequent. Politische Schlussfolgerungen aus dem Skandal jedoch harren weiter ihrer Umsetzung. Das wird sich unter einer weiteren Koalition aus Union und SPD nicht ändern.

Ein legislativer Fußabdruck

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat nach Ende jenes Untersuchungsausschusses aufgeschrieben, was der Staat tun müsste, um derartige Raubzüge von Reichen künftig von vornherein oder zumindest frühzeitig zu unterbinden: Ein Whistleblower-Schutzgesetz verabschieden etwa. Den legislativen Fußabdruck zur Norm machen und so Einflussnahmen auf Gesetzestexte, wie sie der Bundesverband deutscher Banken in Sachen Cum-Ex ungehindert vornehmen konnte, aufdecken. Schlussmachen mit Interessenkonflikten von Beamten, die Nebentätigkeiten nachgehen, etwa für jenen Bundesverband deutscher Banken. Eine Anzeigenpflicht für Steuergestaltungsmodelle einführen und damit den Spieß umdrehen, damit nicht mehr der Staat trickreichen Konstruktionen zur Steuerumgehung hinterherhecheln muss.

Union und SPD hingehen schlussfolgerten damals: "Dieser Untersuchungsausschuss war nicht erforderlich." Den Abgeordneten der Regierungskoalition ging es von Anfang an darum, ihre Finanzminister Wolfgang Schäuble und Peer Steinbrück aus der Verantwortung für die jahrelang nicht von ihnen unterbundene Abzocke der Allgemeinheit zu nehmen.

Vielleicht darf sich der bisher kommissarisch tätige Peter Altmaier nun weiter im Finanzministerium umtun und sich so für eine mögliche Nachfolge Angela Merkels im Bundeskanzleramt warmlaufen. Vielleicht gelingt es Martin Schulz, das Amt für seine Partei und sich zu reklamieren. Was aber kündet auf der einen wie auf der anderen Seite von einem grundsätzlichen Wechsel in der Steuerpolitik? Von einem Ende des bloßen Verwaltens der großen Ungerechtigkeit zugunsten der wenigen, die sich mit teuer eingekaufter Fachexpertise, Anwälten und Vermögensberatern dem mit kundigen Beamten unterversorgten Staat entgegenstellen? Nichts. Wer die aktuelle Diskussion um das von Schwarz-Rot scheinbar avisierte spätere Einsetzen des Spitzensteuersatzes verfolgt, sieht: Der Mehrheit der Durchnitts- und Geringverdiener werden ein paar Krumen, ein paar nette Wort wie das von der "Entlastung" hingeworfen, um so ja jeden Aufruhr um die fortgesetzte Bevorteilung der Reichen zu vermeiden.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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