Dann lieber eine Bahncard 100

Mobilität Die Kaufprämie für E-Autos ist nicht nachhaltig, sie alimentiert eine klimafeindliche Industrie
Ausgabe 45/2019
Nachladen, bitte: Die Groko ballert mit Moneten für Stromautos. Die Rechnung zahlen die, die sich keins leisten können
Nachladen, bitte: Die Groko ballert mit Moneten für Stromautos. Die Rechnung zahlen die, die sich keins leisten können

Foto: Imago Images/Sven Simon

Vor achteinhalb Jahren waren es eine Million Elektroautos, die Angela Merkel für 2020 auf deutschen Straßen versprach. Dieser Tage lauten die neue Verheißungen: 50.000 neue Ladestationen bis 2022! Bis zu zehn Millionen E-Fahrzeuge bis 2030! Schwenk in die Realitäten der Gegenwart: Zum 1. Januar 2019 bezifferte das Kraftfahrtbundesamt den hiesigen Fahrzeugbestand auf 64,8 Millionen, die Zahl reiner Elektro-Pkw darunter: 83.175.

Aber jetzt wird alles gut, denn der Markt wird es regeln, also: der sogenannte Umweltbonus, die Kaufprämie. 6.000 statt wie bisher 4.000 Euro Zuschuss bei der Anschaffung eines E-Autos, das bis zu 40.000 Euro kostet, versprechen Bundesregierung und Industrie. Sie üben sich so in der Kunst des Marketing-Sprechs, denn: Subvention sind nur die 3.000 Euro, die der Staat zuschießt, die anderen 3.000 Euro entsprechen einem Rabatt der Hersteller, wie er überhaupt nichts mit E-Mobilität zu tun hat, weil er ein übliches Mittel zur Ankurbelung des Umsatzes ist. Das passt ja zum großen Ganzen: Mehr als Marketing-Sprech hat diese Regierung, haben die Großkonzerne dieses Landes kaum zu bieten, wenn es um die Transformation geht, deren ökologische und soziale Erfordernis fast allen deutlich vor Augen steht.

Ökologisch ist die Förderung des alle Städte verwüstenden Individualverkehrs, und sei er elektrisch, ohnehin mehr als fragwürdig. Weiterer Raubbau ist unumgänglich, ohne seltene Erden, Lithium etc. entsteht kein Elektrofahrzeug. Überdies wird so eine Industrie für ihre Nischenprodukte belohnt, derweil sie sich ihrer Innovationsfaulheit so lange nicht schämen wird, solange sich mit SUV-Geländewagen Reibach machen lässt, weil die Regierung hier Regulierung scheut: Der SUV-Bestand stieg zwischen 2018 und 2019 um 20 Prozent auf 3,14 Millionen, eine höhere Rate wies kein anderes Segment auf.

Sozial passt die Kaufprämie zum Klimapaket der GroKo, das die Armen laut Analysen des DIW, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, klar benachteiligt. Selbst wer mit dem Staatszuschuss den Kleinwagen Renault Zoe, das bisher beliebteste mit dem Umweltbonus erworbene Modell, kaufen will, muss erstmal etwa 20.000 Euro selbst berappen können. Warum nicht gleich eine Bahn-Card 100, zumindest für Pendler? Die kostet für ein Jahr in der 2. Klasse 4.395 Euro.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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