der Freitag: Herr Meinzer, acht Prozent der weltweiten Finanzvermögen sollen in Steueroasen liegen. Wie viel Schwarzgeld wird in Deutschland versteckt?
Markus Meinzer: Ich habe anhand von Bundesbankdaten berechnet, dass allein die hierzulande von der Abgeltungssteuer nicht erfassten Anlagen von Steuerausländern, die Zinsen abwerfen, zwischen 2,5 und drei Billionen Euro liegen, Stand August 2013. Aber die genaue Zahl kann man nicht kennen, das liegt in der Natur der Sache.
Wer bringt sein Geld nach Deutschland, wo Steuerausländer von den 25 Prozent Abgeltungssteuer befreit sind?
Darüber wissen wir sehr wenig, weil das deutsche Steuer- und Bankgeheimnis streng ausgelegt wird. Erkenntnisse gibt es nur, wenn etwas durchsickert. Danach haben sich Kleptokraten wie etwa Mobutu, Pinochet, Gaddafi, Ben Ali, Mubarak und Janukowytsch hierzulande sehr wohl gefühlt. Im Gegensatz zu vielen anderen OECD-Staaten gibt es bei uns keine Möglichkeit, aus Korruptionsdelikten stammende Gelder zu erfassen und an die geschädigten Staaten zurückzuzahlen. Wenn ein Banker solche Gelder, selbst wissentlich, annimmt, dann ist das hier bei uns keine Straftat.
Wenn ich als russischer Oligarch oder US-Waffenhändler hier Geld unversteuert unterbringen will, wie gehe ich dann vor?
Sie sehen sich in Ihrem Umfeld nach einem Anwalt mit entsprechender Wirtschaftskanzlei um. Wenn Sie sehr vermögend sind, dann lassen Sie sich ohnehin schon persönlich beraten, bei einer Privatbank, Anwaltskanz- lei oder einem sogenannten Family Office. Die besprechen mit Ihnen dann die nächsten Schritte.
Etwa die Eröffnung oder Übernahme einer Briefkastenfirma.
Es läuft meist auf eine ganze Briefkastenfirmenstruktur hinaus. An der Spitze steht meist ein Trust, eine Art Stiftung. Die verwaltet die Firmen, welche wiederum operativ agieren, also Konten managen, Überweisungen tätigen. Erst hinter dem Trust steht der tatsächliche Eigentümer, der seine wahre Identität aber nur wenigen preisgeben muss. Deshalb ist das Ganze eben auch für Steuerflüchtlinge im großen Stil so interessant.
Zur Person
Markus Meinzer, 37, hat Politikwissenschaften studiert und gehört dem Vorstand der internationalen Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network an. Er ist Autor des Buches Steueroase Deutschland. Warum bei uns viele Reiche keine Steuern zahlen (C. H. Beck, 288 S., 14,95 €)
Foto: Privat
Selbst die Enthüller der Panama Papers betonen immer wieder, eine Briefkastenfirma könne durchaus legal und legitim sein.
Das ist Blödsinn. Eine Briefkastenfirma lässt sich mit einer Waffe vergleichen: Wenn man deren Produzenten schon nicht kontrollieren und an der Herstellung hindern kann, dann muss man eben transparent machen und regulieren, wer sie nutzen will und darf. Ich kenne bisher keine einzige überzeugende Antwort auf die Frage, wo legale und legitime Interessen auf eine Briefkastenfirma angewiesen sind.
Ein Beispiel, das angeführt wird: Wagniskapitalgeber schützen sich so davor, dass Konkurrenten erfahren, in welches Start-up sie demnächst investieren wollen.
Die müssen doch nicht in Panama und ähnlichen Ländern operieren, um eine Veröffentlichungspflicht zu umgehen. Dafür kann ich auch zu Hause eine Personengesellschaft, wo keine beschränkte Haftung existiert, hernehmen und eine Fond-Struktur aufsetzen. Bei mehr als vier daran beteiligten Personen wird kein wirtschaftlich Berechtigter mehr erfasst, weil 25 Prozent der Anteilseignerschaft die Schwelle für eine Veröffentlichungspflicht sind.
Immerhin muss jeder EU-Staat bis 2017 nun überhaupt einmal ein Register einrichten, aus dem hervorgeht, wer wirtschaftlich Berechtigter einer Firma, einer Stiftung oder ähnlicher Konstrukte ist. Ist das nicht ein großer Fortschritt?
Nicht wenn wir dabei weiter die Öffentlichkeit außen vor lassen. Behörden und Banken sollen Zugang erhalten, andere nur bei Nachweis berechtigten Interesses.
Ähnlich wie bei Einsichtnahme in das Grundbuch hierzulande.
Ja, das ist gerade vor dem Hintergrund, dass Briefkastenfirmen gern in Immobilien in Deutschland investieren, fatal. Zudem liegen die Grundbücher bei den Kommunen, die Informationen sind nirgends zentral einsehbar, sondern völlig zersplittert verteilt. Wenn Ihnen als Journalist überhaupt Einsicht gewährt wird, dann tappen Sie unter Umständen weiter im Dunklen, weil die Eintragung einer Briefkastenfirma aus Panama oder von den Jungferninseln als Eigentümer erlaubt ist.
Was würde ein allen öffentlich zugängliches Register nutzen?
Jede Behörde ist hoffnungslos davon überfordert, die Angaben in solch einem Register zu prüfen. Wir hatten in Deutschland zwischen 2002 und 2013 einen Rückgang des Finanzverwaltungspersonals um zehn Prozent, derweil ist die Wirtschaft um zehn Prozent gewachsen. Hier die Öffentlichkeit reinzuholen, das hätte allein abschreckende Wirkung. Außerdem kann die Öffentlichkeit solche Daten mit Schwarmintelligenz sehr schnell bearbeiten und herausfiltern, wenn es zu gezielter, systematischer Unterwanderung von gängigen Regeln kommt. Nichts als diese Unterwanderung ist der Zweck des Offshore-Systems.
Aber kümmert solch ein Register in Deutschland wirklich Briefkastenfirmen aus Panama?
Auf jeden Fall. Diese Briefkastenfirmen haben nur so viel Nutzen, wie es ihnen von den großen Wirtschafts- und Finanzräumen der Welt zugestanden wird. Würde man ihnen die rechtliche Grundlage nehmen, als volle, rechtsfähige Firmen frei im europäischen Wirtschafts- und Währungs- und Zahlungsverkehr agieren zu dürfen, dann wäre sehr schnell auch in diesen Ländern eine Anpassung zu erreichen. Die Einführung öffentlicher Register würde einen Transparenzexport ermöglichen.
Finanzminister Schäuble verspricht Besserung, wenn Panama beim automatischen Informationsaustausch mitmachen würde.
Wir haben im Standard des Austauschs 35 Schlupflöcher entdeckt. Das Potenzial ist noch größer, wir kennen die Kreativität der Finanzindustrie bei der Umgehung von Regeln zur Genüge. Außerdem ist bisher überhaupt keine unabhängige Evaluation vorgesehen, wie wirksam die Vorgaben von den Banken denn umgesetzt werden. Das ist, als würde man das Kraftfahrtbundesamt erfassen lassen, wie viele und welche Fahrzeuge in einem Jahr neu registriert werden, es aber darüber keine statistischen Berichte veröffentlichen müsste. Ein riesiges Defizit sind außerdem die Strafen bei vorsätzlichen Falschmeldungen.
Inwiefern?
Wenn ein deutscher Banker etwa meldet, es gäbe hier Anlagen aus Cayman, die aber tatsächlich aus Argentinien stammen, droht lediglich eine Höchststrafe von bis zu 50.000 Euro. In den Niederlanden kann es dafür Gefängnis geben.
Der 10-Punkte-Plan, den Schäuble vorgelegt hat, deutet ein schärferes Vorgehen gegen Banken an.
Ich befürchte, dieser Plan ist eine Riesen-Mogelpackung. Schäuble hält etwa an nicht-öffentlichen Registern fest. Es ist höchste Zeit, dass wir uns der Realität stellen: Wir haben es mit einem Ausmaß an institutioneller Korruption zu tun, die es nötig macht, dass die Öffentlichkeit Einblick nehmen und die Schwarmintelligenz an der Behebung mitarbeiten kann. Außerdem könnten wir mit einer einzigen Maßnahme, von der ich bisher aber nichts gehört habe, viel erreichen.
Mit welcher?
Steuerhinterziehung, Untreue und Vorteilsnahme in den Vortatenkatalog für Geldwäsche aufnehmen. Mit einem Schlag bekämen die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, diese Art von grenzüberschreitenden Bankgeschäften als Verbrechen zu verfolgen.
Haben Sie das Gefühl, Ihre Arbeit ist ein ewiger Sisyphoskampf? Oder ändert sich gerade etwas?
Wir alle sind immer noch mit dem ersten Schritt beschäftigt: das ganze Ausmaß dieses Offshore-Geschäfts zu erfassen. Der resultierende Reformprozess wird noch die nächsten 10, 20 Jahre dauern. Dann könnten wir fähig sein, die Weichen in Richtung materielle Steuergerechtigkeit zu stellen.
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