Das Rennen ist offen

SPD Keiner weiß, wen die rund 430.000 Mitglieder an die Spitze der Partei wählen werden. Wir wagen dennoch eine Prognose
Ausgabe 39/2019
Das Rennen ist offen

Montage: Gabor Farkasch für der Freitag; Material:U.Ozel.Images/iStock, Getty Images

Potsdam, Duisburg, Dresden, München – das sind die letzten der insgesamt 23 Stationen der SPD auf ihrem Weg zu einer neuen Parteispitze. Tatsächlich füllen die noch sieben verbliebenen Bewerber-Duos bei so gut wie jeder Regionalkonferenz die Halle; dennoch wird am Ende nur ein kleiner Teil der Gesamtmitgliedschaft sich die Kandidierenden direkt vor Ort oder per Video im Internet angesehen haben, bevor es an die Abstimmung im Netz oder per Brief geht, am 26. Oktober das Ergebnis verkündet wird und es dann womöglich zwischen 19. und 29. November zu einem Stechen der beiden Bestplatzierten kommt.

Deshalb ist eine Prognose auf den Ausgang des Rennens um den Parteivorsitz schwierig. Wir wagen sie dennoch, stellen die Duos vor und schätzen ab, wer welche Chancen hat, als erster ins Ziel zu kommen – mittels Wettquoten: je höher der Ertrag auf den Einsatz „10“, für desto unwahrscheinlicher halten wir den Sieg eines Teams; „14 für 10“ zeugt also von einem weitaus größeren Favoritenstatus als „28 für 10“.

Startnummer 1: Justice Fighters

Saskia Esken & Nobert Walter-Borjans

Profil: Ob Klima oder Digitalisierung – „alles eine Frage von Verteilungspolitik“

Sie: Liegt im Clinch mit einigen in ihrem Landesverband in Baden-Württemberg und zählt deshalb auf ihren „Online-Ortsverband“ im Netz

Er: Sieht aus wie ein Finanzbeamter und hat Steuerbetrügern das Handwerk gelegt

Der Kitt: Gelten als glaubwürdig und nichtdem Partei-Establishment zugehörig

Stärke: Journalisten, Jusos und der Vorstand des größten Landesverbands (NRW) mögen sie

Schwäche: Die SPD-Basis besteht nicht nur aus Journalisten, Jusos und NRW-Landesvorstand; eines von vier linken Teams im Feld (vgl. 2, 5, 6)

Wettquote: 15 für 10

Startnummer 2: Golden Oldie

Gesine Schwan & Ralf Stegner

Profil: „Linke Volkspartei“

Sie: Ist Vorsitzende der Grundwertekommission ihrer Partei

Er: „Bin im Parteivorstand aktuell Beauftragter für gute Laune und will mit Gesine dafür sorgen, dass wir wieder was zu lachen haben“

Der Kitt: „Wir sind das älteste Duo, was nicht an Ralf liegt und mit Begeisterungsfähigkeit sowieso nichts zu tun hat“ (Schwan, 76)

Stärke: Über mehr Witz, Charme und Erfahrung verfügt kein anderes Team

Schwäche: Allseits bekannte Gesichter. Wollen die SPD geistig erneuern, wohin das inhaltlich und strategisch führen soll, bleibt vage

Wettquote: 22 für 10

Startnummer 3: Hoodie Hüh

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Christina Kampmann & Michael Roth

Profil: „Die wirken wie von einer Marketingagentur in Berlin-Mitte ausgedacht“ (Zitat eines SPD-Mitglieds bei einer Regionalkonferenz)

Sie: Spricht tatsächlich, als käme sie gerade aus der Rhetorik-Schulung eines Start-up-Inkubators und solle potenzielle Investoren überzeugen

Er: „Wir sind verliebt ins Gelingen!!!“

Der Kitt: Blaue EU-Kapuzenpullis mit bunten Sternen

Stärke: Klares Konzept für Reform der Partei, zum Beispiel Vorstand verkleinern und zu einem Drittel mit Kommunalpolitiker*innen besetzen

Schwäche: Siehe Profil; Michael Roths Stimmen für noch die bitterste GroKo-Pille im Bundestag

Wettquote: 25 für 10

Startnummer 4: 15 Cent

Klara Geywitz & Olaf Scholz

Profil: 15-Prozent-Partei für immer!

Sie: Hat ihr Direktmandat bei den Wahlen in Brandenburg gerade an eine Grüne verloren

Er: „Ich danke Fridays for Future, dass durch ihre Demos endlich einiges auf den Weg gebracht werden konnte, was notwendig war, um den von Menschen gemachten Klimawandel aufzuhalten“ (zum Ergebnis des Klimakabinetts)

Der Kitt: Mann/Frau, West/Ost, erfahren/neu

Stärke: Alle kennen Scholz, ob sie eine Regionalkonferenz gesehen haben oder nicht – im Zweifel stimmt man für den aus der Tagesschau

Schwäche: Mit Scholz als Vizekanzler steht die SPD aktuell bei 15 Prozent

Wettquote: 14 für 10

Startnummer 5: Red Star

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Hilde Mattheis & Dierk Hirschel

Profil: Arbeiterpartei

Sie: Hat sich ihre Meriten im Kampf gegen den Neoliberalismus verdient, etwa durch wackeres Stimmen gegen GroKo-Gesetze im Parlament

Er: Verdi-Chefökonom und einer der wenigen progressiven SPD-Wirtschaftspolitiker

Der Kitt: Diese Entschlossenheit im Blick, wie sie nur Menschen haben, die nun eine Chance wittern, die langjährige Marginalisierung in ihrer Bezugsgruppe zu überwinden

Stärke: Mindestlohn rauf, Vermögenssteuer her, weg mit der Schwarzen Null, raus aus der GroKo

Schwäche: Stehen für eine SPD in Reinform, die es so schon längst nicht mehr gibt

Wettquote: 32 für 10

Startnummer 6: Solar Speed

Foto: Thomas Lohnes/Getty Images

Nina Scheer & Karl Lauterbach

Profil: „Die SPD war schon sozialökologisch, als es die Grünen noch gar nicht gab“

Sie: Ist die wohl versierteste SPD-Fachfrau für Energie- und Klimapolitik

Er: „Raus aus der GroKo! Raus aus der GroKo! Raus aus der GroKo! Raus aus der GroKo! Raus ...“

Der Kitt: Beide glauben, mit einem klaren sozialökologischen Kurs künftig rot-grün-rote Bündnisse anführen zu können

Stärke: Fachlich macht ihnen in Sachen Ökologie (sie) und Gesundheitspolitik (er) keiner in der Partei etwas vor

Schwäche: Lauterbach war einst für die GroKo, Scheer bricht beim Reden oft die Stimme weg

Wettquote: 28 für 10

Startnummer 7: Turbostaat

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Petra Köpping & Boris Pistorius

Profil: Konsequenter Rechts- und solidarischer Sozialstaat – wie die dänische Schwesterpartei

Sie: „Ich komme aus Sachsen und war dort in 30 Jahren die einzige SPD-Landrätin“

Er: „Ich habe als Innenminister in Niedersachsen Gefährder abgeschoben und stehe dazu“

Der Kitt: Lernten sich bei einem Besuch im belgischen Mecheln kennen und schwärmen für den Law-&-Order- und Multikulti-Kurs des dortigen Bürgermeisters Bart Somers

Stärke: Können reden, wollen zuhören; für Law & Order gibt es an der SPD-Basis hörbar Applaus

Schwäche: „Wir sind ein Ost-West-Team.“ Zieht das? Nur ca. 20.000 Mitglieder leben im Osten

Wettquote: 18 für 10

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

Sebastian Puschner

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden