Der Staat muss ran

Managergehälter Deutsche Vorstandschefs verdienen um bis zu 190-mal mehr als ihre Belegschaft. Die schwarz-rote Bundesregierung wird an derartigen Gefällen nichts mehr ändern
Ausgabe 14/2017
Ist Bernd Scheifele 190-fach so gut wie alle anderen?
Ist Bernd Scheifele 190-fach so gut wie alle anderen?

Foto: DeFodi/Imago

Mit Zement lässt sich Asche machen. 706 Millionen Euro Überschuss hat HeidelbergCement, weltweit die Nummer zwei in diesem Markt, 2016 erzielt. Der Chef kommt dabei besonders gut weg: Bernd Scheifele bringt es auf das 190-Fache des durchschnittlichen Verdienstes eines Beschäftigten in seiner Firma – in keinem anderen deutschen Unternehmen war die Differenz 2016 größer, gleichwohl liegt sie im Trend. Verdiente 2005 ein Dax-Vorstand noch 42-mal so viel wie ein Beschäftigter, war es 2014 das 57-Fache. Doch es lohnt nicht, auf die angebliche Gier deutscher Manager zu schimpfen. Vielmehr verhält es sich mit dieser Dimension der Ungleichheit hierzulande wie mit ihren zahlreichen anderen Dimensionen: Sie sind allesamt Folgen grundsätzlicher politischer Weichenstellungen, die fast niemand ernsthaft wieder rückgängig zu machen gedenkt.

Nicht über Gehaltsexzesse im zweistelligen Millionenbereich an sich ist zu reden, sondern vor allem über die, die sie mit ermöglichen oder aber ihnen machtlos gegenüberstehen: die Gewerkschaften. Ausdruck ihrer Machtlosigkeit ist die gerade veröffentlichte Erklärung von sechs IG-Metall-Mitgliedern, die etwa bei VW, Siemens und Daimler im Aufsichtsrat sitzen und so mit an Entscheidungen zur Vorstandsvergütung beteiligt sind: „Wir fordern, dass der Aufsichtsrat dazu verpflichtet wird, verbindliche, unternehmensspezifische Obergrenzen für die Gesamtvergütung von Vorständen festzulegen“, ausgerichtet am „durchschnittlichen Entgelt der Beschäftigten“.

Ähnliches hatte vor kurzem die SPD auf die Agenda der Großen Koalition gesetzt – dass es mit der Union nicht zu machen sein würde, war da schon klar. Inzwischen ist es amtlich. Die „Vertragsfreiheit“ führen die Konservativen stets ins Feld, in die die Politik nicht zu stark eingreifen dürfe. Mit anderen Worten: Der Markt geht vor, der Staat hat nichts zu melden.

Ohne stärkere Eingriffe der öffentlichen Hand aber werden Urteile über Deutschland auch in Zukunft so ausfallen wie das jüngste der EU-Kommission: Die günstige Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung sei nicht bei allen gleichermaßen angekommen. Der Staat muss ran und schlichtweg den einen mehr wegnehmen, den anderen mehr geben. Das gilt für die Einkommen, für die Vermögen und gerade auch für Wohnraum und für vieles andere.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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