„Die Konzentration nimmt zu“

Wohnungsmarkt Konzerne zahlen bei Käufen keine Grunderwerbssteuer. Die steuerpolitische Sprecherin der Grünen Lisa Paus fordert Reformen
Ausgabe 21/2017
Mietsteigerungen durch Sanierungen sind nur ein Teil des Problems
Mietsteigerungen durch Sanierungen sind nur ein Teil des Problems

Foto: Johannes Eisele/Getty Images

der Freitag: Frau Paus, die Preise für Mieten und Wohnungskäufe steigen und steigen – wann platzt die Blase?

Lisa Paus: Das weiß man ja immer erst hinterher. Wenn aber selbst die Bundesbank die Situation auf dem deutschen Immobilienmarkt mit einer gelben Ampel mit Tendenz zu Dunkelgelb beschreibt, dann haben wir da ein Problem.

Was ist die Ursache dafür?

Gerade in den Ballungszentren sind die Preise seit 2010 dramatisch gestiegen. Im Zusammenhang mit der Griechenland-Krise und der Euro-Rettungspolitik sind Anlagen in Deutschland attraktiver geworden. Und weil es für Bundesanleihen kaum mehr Zinsen gibt, gelten vor allem Immobilien als interessant. Ich war gerade erst bei einer Veranstaltung der Commerzbank: Nach deren Auffassung sind die Preise deutschlandweit um zehn Prozent überhöht, in Berlin um 60 Prozent. Aber Anleger und Spekulanten sehen etwa in Berlin oder Leipzig trotz niedriger Einkommen noch Potenzial – wegen des anhaltend hohen Zuzugs in solche Städte.

Kritiker der Europäischen Zentralbank sagen jetzt: nichts wie rauf mit den Zinsen!

Richtig ist schon, dass die Niedrigzinspolitik den Immobilienmarkt mit befeuert, weil es eben billig ist, Kredite aufzunehmen. Aber schuld daran ist nicht die EZB, sondern die Austeritätspolitik von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble.

Was also tun?

Endlich eine Investitionsstrategie für Europa realisieren! Und bei der hierzulande zentralen sozialen Frage, der des Wohnens, müssen wir dafür sorgen, dass Immobilien dem Spekulationsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen.

Und wie, bitteschön?

Über die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit, die 1989 abgeschafft wurde. Seitdem haben wir zwei Millionen Sozialwohnungen verloren, und jedes Jahr fallen 60.000 aus der Bindung. Wir brauchen mindestens 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr, und das ohne die Bindung auf 10, 15 oder 20 Jahre zu befristen wie heute, sondern dauerhaft.

Was bedeutet diese Wohnungsgemeinnützigkeit konkret?

Investitionszuschüsse und Steuererleichterungen für den sozialen Wohnungsbau – und zwar nicht nur für die kommunalen Unternehmen, die sich gegenwärtig de facto allein um diese Aufgabe kümmern. Nicht alleine ihnen wollen wir die Förderung zugutekommen lassen, sondern ebenso etwa privaten Wohnungsunternehmen oder privaten Vermietern mit einzelnen Wohnungen. Davon erhoffen wir uns eine viel größere Zahl an möglichen Interessenten.

Zur Person

Lisa Paus, 48, ist seit 2009 Mitglied des Bundestages und seit 2013 steuerpolitische Sprecherin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. 2017 kandidiert sie auf Platz eins der Kandidaten-Liste der Berliner Grünen für das Parlament

Foto: Presse

Zum Beispiel Hausprojekte.

Ja, zum Beispiel. Wer ein Haus für mehrere Parteien baut und eine Wohnung davon sozial bindet, kann diese dann steuerlich besser behandeln lassen als die übrigen. Es geht auch um Genossenschaften als Adressaten und um die hohe Nachfrage nach ethischen Investments, die es inzwischen in Deutschland gibt. Zur Zeit haben die GLS Bank und andere Akteure Schwierigkeiten, das Geld, welches ihnen anvertraut wird, in ethisch sinnvolle Projekte zu stecken. Gemeinnützig gebundene Wohnungen im Rahmen eines Fonds anzubieten, das wäre eine Möglichkeit, etwas gegen die Wohnungsnot und für die soziale Mischung in den Städten zu tun, mit einer kleinen, aber sicheren Rendite.

Wie viel Geld soll der Staat denn dafür lockermachen?

20 Prozent der Investitionskosten, wenn es um Wohnungen für arme Menschen geht, zehn Prozent bei solchen für die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen. Und wie bei der Gemeinnützigkeit im Vereinsrecht soll es zudem Steuervorteile geben, also eine Befreiung von der Grund-, Grunderwerbs- und Körperschaftssteuer.

Die Grunderwerbssteuer haben alle Bundesländer außer Bayern und Sachsen zuletzt erhöht, auf bis zu 6,5 Prozent.

Aber das Problem ist ja, dass den Ländern zuletzt Milliarden an Einnahmen entgangen sind, weil die großen Player, die sich als Spekulanten betätigen, gar keine Grunderwerbssteuer zahlen. Sie kaufen nicht einfach das Haus oder das Grundstück, sondern Anteile an einer Gesellschaft, in der diese Immobilien stecken.

Sie sprechen von Share Deals.

Ja, und diese Gestaltungsmöglichkeit gibt es wie so oft ausschließlich für die Großen: Sie kaufen 94,9 Prozent einer Gesellschaft und müssen lediglich noch jemanden finden, der die restlichen 5,1 Prozent übernimmt. Selbst wenn die Gesellschaft keinen anderen Zweck hat, als dass sie diese Immobilien beinhaltet: Von der Grundsteuer ist der Käufer befreit. So lief es beim Eurotower in Frankfurt, beim Kudamm-Karree in Berlin oder beim dortigen Verkauf von 10.600 einst öffentlichen Wohnungen durch die AvalonBay Communities an die Deutsche Annington, die inzwischen Vonovia gehört: Ganze 38 Millionen Euro an Steuern sind dem Land Berlin bei diesem Deal entgangen. Das sind 15 Prozent der Summe, die das Land 2017 für die Wohnungsbauförderung ausgibt.

Warum lässt der Staat das zu?

Vertreter aus den Ländern sagten: Da kann man nichts machen, aus steuerrechtlichen Gründen. Also haben wir den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages mit einem Gutachten beauftragt, und siehe da: Man kann doch etwas machen.

Was denn?

Die Anteilsgrenze von 95 auf 50 Prozent runtersetzen. Share Deals wären dann nur von der Grunderwerbssteuer befreit, wenn der Eigentümer der Gesellschaft 49,9 Prozent hält. Dann ist er nicht mehr Mehrheitseigentümer, ihm entgehen wichtige Gestaltungsrechte, das tut ihm weh und wird dieses Modell endlich beenden.

Warum ist das nicht schon längst geschehen?

Bisher hat schlicht der politische Wille gefehlt, es gab Widerstände aus den Finanzverwaltungen der Länder, dabei auch SPD-regierter. Inzwischen gibt es Bereitschaft, das Thema anzugehen, erst einmal wurde es aber vertagt – auf nach der Bundestagswahl. Dabei wurde dieses Steuersparmodell bei 35 Prozent aller zwischen 1999 und 2016 in Deutschland gehandelten Wohnungen angewendet.

Wenn also eines Tages die Wohnungsgemeinnützigkeit wieder eingeführt ist, gute Bauherren Sozialwohnungen bauen und Share Deals nicht mehr möglich sind – wird dann alles gut für die Mieter in den Städten?

Es gibt noch etliche andere Hebel, die Anti-Spekulations-Steuer etwa.

Klingt gut.

Macht aber erst Sinn, wenn wir das Share-Deals-Loch gestopft haben. Es geht darum, die Grunderwerbssteuer progressiv auszugestalten, das heißt: Wenn man mehrere Wohnungen erwirbt, wird mehr Steuer fällig, als wenn man nur eine Wohnung kauft.

Wie stark sind die großen Player auf dem Wohnungsmarkt denn?

Etwas weniger als die Hälfte des Bestands in Deutschland gehört großen Unternehmen, der Rest Einzelbesitzern. Aber die Konzentration nimmt zu. In Berlin besitzen an der Börse Notierte wie Deutsche Wohnen und Vonovia knapp 20 Prozent des Bestands. Besonders weh tut, dass das praktisch alles einst öffentliche Wohnungen waren: ein selbst produziertes Problem, auch unter Rot-Rot. Noch krasser ist es in Nordrhein-Westfalen, wo börsennotierte Firmen 30 Prozent auf sich vereinen.

Sie schimpfen auf Rot-Rot und die Unternehmen. Die Grünen gelten vielen aber als mitschuldig für Mietsteigerungen, wegen teurer energetischer Sanierung.

Es wäre ja schön, wenn es ganz viel energetische Sanierung gäbe – dem ist aber nicht so. Die Mieterrechte bei einer energetischen Sanierung haben Merkel und die FDP geschleift. Wir wollen das rückgängig machen, ein Klimawohngeld einführen, die Überwälzbarkeit von Modernisierungskosten deutlich reduzieren. Und wir wollen, dass sich der Staat mit drei bis vier Milliarden Euro mehr pro Jahr viel stärker an den Kosten beteiligt.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Sebastian Puschner

stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter Politik

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er beschäftigt sich mit Politik und Ökonomie, Steuer- und Haushaltsfragen von Hartz IV bis Cum-Ex und Ideen für eine enkeltaugliche Wirtschaft.

Sebastian Puschner

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