Nie hätte er gedacht, sagte der Journalist Harald Schumann bei der Pressevorführung seines neuen Films, dass er sich einmal Helmut Kohl zurückwünschen würde. „Aber Helmut Kohl hätte all das niemals zugelassen.“ All das meint: die Krise Europas und ihre von den Austeritätsideologen um Wolfgang Schäuble zu verantwortende Zuspitzung der vergangenen Wochen. Ja, doch, man darf Ideologen sagen, nachdem man Schumanns Film Macht ohne Kontrolle. Die Troika gesehen hat. Das über Griechenland, Irland, Portugal und Zypern errichtete Regime aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und Europäischer Kommission ist weder politisch noch ökonomisch motiviert.
Die Stärke des Films ist, dass er nicht in ein Raunen von der neoliberalen Weltverschwörung abdriftet. Sondern nüchtern einen IWF-Beamten erzählen lässt, wie er mit Kollegen gegen die Griechenlandpolitik protestierte und auf Verstöße gegen geltende Grundsätze des Hauses hinwies. Die wurden dann eben im Schnellverfahren geändert – dem ausdrücklichen Willen der politisch Verantwortlichen folgend. Dominique Strauss-Kahn war damals IWF-Chef und wollte französischer Präsident werden. Unter denen, die einen Bankrott Griechenlands am meisten fürchteten, waren französische Banken – das führten Schumann und sein Mitautor Árpád Bondy schon in ihrer 2013 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Reportage Staatsgeheimnis Bankenrettung vor Augen.
Die vergangenen zwölf Monate haben Schumann und Bondy in Südeuropa, Brüssel und Washington D. C. recherchiert. Yanis Varoufakis erklärt in der Athener Sommersonne die destruktiven ökonomischen Auswirkungen der Sparpolitik, so sachlich und doch charismatisch, wie er das inzwischen als griechischer Finanzminister bei Pressekonferenzen in ganz Europa tut. Klar, Syrizas Wahlsieg im Januar konnte der Film nur noch rudimentär einfangen, doch das schadet ihm nicht: Sein Plot, das Außerkraftsetzen der Demokratie durch die faktische Übernahme von Souveränitätsrechten durch internationale Bürokraten, ist heute aktueller denn je. Portugal verliert weiter einen großen Teil der jungen, ausgebildeten Bevölkerung durch Auswanderung. Der portugiesische Arbeitgeber(!)-Präsident schildert im Film, wie aussichtslos seine Hinweise auf diese Folgen waren, als er gegen die von der Troika verfügte Ausdehnung des Niedriglohnsektors protestierte. Zyprische Politiker und Banker erklären, wie EZB und EU-Kommission Sparer, Rentner und Unternehmer aus Zypern um Milliarden brachten, indem sie den Verkauf des Griechenlandgeschäfts zyprischer Banken weit unter Wert verfügten.
Nur in einer Hinsicht kommt der Film zu spät: Die parlamentarischen Demokratien Südeuropas sprühen gerade vor Vitalität, Syriza und Podemos schicken sich an, die Ära der Austerität zu beenden, und haben dabei den Zuspruch vieler unverdächtiger, internationaler Ökonomen. Man muss sich nicht mehr in die Vergangenheit seufzen, geschweige denn zu Helmut Kohl.
Info
Macht ohne Kontrolle. Die Troika von Harald Schumann und Árpád Bondy läuft am 9. März um 22.45 Uhr in einer gekürzten Fassung in der ARD. Bis 3. März steht der Film in voller Länge in der Arte-Mediathek
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