Gerhard Schröder, Retter tausender Arbeitsplätze – diese Geschichte gab es 1999 schon einmal, das Ende ist bekannt: Zweieinhalb Jahre später meldete der Baukonzern Holzmann Konkurs an, 25.000 Menschen verloren ihren Job. Nun also will der Altkanzler als Schlichter die Liquidierung von Kaiser’s Tengelmann verhindert haben. Dank Sigmar Gabriels Ministererlaubnis für eine Übernahme durch Edeka seien rund 15.000 Arbeitsplätze für sieben Jahre sicher. Keine Frage, es wäre zu begrüßen, könnten Verkäuferinnen, Fleischer und Lagerarbeiter „Weihnachten ohne Angst feiern“, wie Gabriel sagt. Zu befürchten steht aber, dass sich sozialdemokratische Wirtschaftspolitik hier einmal mehr für ein Momentum feiern lässt, ohne ein Fundament auf lange Sicht zu gießen.
Selbst wenn Rewe bis zum 11. November tatsächlich seine Klage gegen die Ministererlaubnis zurückzieht, weil es dafür die attraktivsten der 120 Kaiser’s-Kaufhallen im umkämpften Berliner Markt erhält: Rewe könnte dafür mittelfristig Filialen anderswo schließen, um Kosten zu sparen. Ebenso könnte Edeka verfahren, das sich die Tengelmann-Supermärkte in Bayern und die Kaiser’s-Läden in Nordrhein-Westfalen einverleiben soll.
Dass Kaiser’s Tengelmann seit Jahren rote Zahlen schreibt, rührt ja nicht zuletzt daher, dass es im Vergleich zu den Branchenriesen zu klein war, um ähnliche Rabatte wie Aldi, Metro, die Schwarz-Gruppe, Rewe und Edeka auszuhandeln. Die beiden Letzteren maximieren ihre Möglichkeit zum gnadenlosen Preisdruck auf die Lieferanten weiter, en passant übernimmt Rewe mit Genehmigung des Kartellamts die Coop-Kette in Norddeutschland.
Im Fall Kaiser’s Tengelmann sichern Gabriels Vorgaben zwar die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer, indem sie den Erhalt von Betriebsratsstrukturen vorschreiben. Warum aber dürfen gleichzeitig bei Edeka Sphären gänzlich frei von derartigen Strukturen existieren? 40 Jahre Mitbestimmungsgesetz feiern die Gewerkschaften in diesem Jahr – es ist an der Zeit, dessen Geltungsbereich erheblich auszudehnen. Zugleich könnten Kassiererinnen mit mehr als läppischen 2.000 Euro brutto nach Hause gehen, käme es endlich zu einer deutlichen Erhöhung des Mindestlohns. Dafür aber braucht es mehr als das Pathos einer vermeintlichen Rettung.
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