Kann es sein, dass der Senat in Berlin gerade den hochheiligen „Markt“ entmachtet und dessen frei wirkenden Kräfte in Ketten legt? Noch hat Rot-Rot-Grün die bundesweit bisher radikalste Maßnahme gegen die Wohnungskrise nicht verabschiedet – aber der „Mietendeckel“ soll kommen, am 18. Juni will Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) ihre Kabinettskolleginnen und -kollegen ein entsprechendes Eckpunktepapier beraten lassen. „Die Mieten dürfen für fünf Jahre nicht erhöht werden“, steht da. Von „der Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Eingreifens“ ist die Rede. Und nein – es soll nicht einmal einen Inflationsausgleich geben. Denn das habe „den Vorteil, dass die Einkommensentwicklung Gelegenheit bekommt, den Rückstand zur Mietpreisentwicklung aufzuholen“.
Das geht weiter als die „Mietenstopp“-Forderung der Bundes-SPD, die einen eben solchen Inflationsausgleich noch vorgesehen hatte. Wer glaubt, der Plan einer Linken-Senatorin würde nun alsbald an ihrem sozialdemokratischen Koalitionspartner scheitern, der irrt. Die Genossen vor Ort, in Gestalt ihrer Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, hatten bereits Mitte März zunächst ein Gutachten zweier Mietrechts- und Verfassungsexperten vorgelegt, wonach ein Bundesland einen Mietendeckel einführen darf. Und dann gleich beschlossen, dass das Land Berlin dies schleunigst, noch vor der parlamentarischen Sommerpause, tun soll.
Was ist bei Modernisierung?
Eigentlich entspricht das, was in Berlin nun ganz oben auf der Agenda steht, sehr viel mehr einem Mietenstopp als einem Mietendeckel. Denn die Mieten sollen ja wirklich um keinen Cent mehr steigen. Dieses Moratorium würde zunächst fünf Jahre gelten und bezieht sich auf nicht preisgebundene Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern; für Sozialwohnungen dagegen gelten weiter die entsprechenden Sonderregeln, für sie hatte der Senat im April zum zweiten Mal in Folge Mieterhöhungen ausgesetzt.
Der Mietenstopp für nicht preisgebundene Wohnungen bezieht sich auch auf neu geschlossene Mietverträge – mehr als den zuvor verlangten Mietzins soll der Vermieter nicht verlangen dürfen. Ausgenommen sind lediglich Neubauwohnungen, die noch nicht vermietet wurden. Jede Mieterin und jeder Mieter soll außerdem das Recht erhalten, die eigene Miete auf eine mögliche Preisüberhöhung hin überprüfen und sie dann gegebenenfalls absenken zu lassen.
Sind nicht aber Modernisierungen oftmals der Mietpreistreiber in deutschen Städten? Auch hierfür will Rot-Rot-Grün genaue Vorkehrungen treffen. Jede Modernisierungsumlage, die die Bruttowarmmiete um bis zu 50 Cent pro Quadratmeter steigert, würde anzeigenpflichtig, dürfte aber vorgenommen werden. Soll sich die Bruttowarmmiete wegen einer Modernisierung um mehr als 50 Cent pro Quadratmeter erhöhen, so würde dies genehmigungspflichtig, könnte also von der öffentlichen Hand untersagt werden.
Widerstand vorprogrammiert
Ein wichtiger Akteur bei all den Vorhaben ist die Investitionsbank Berlin. Zum Beispiel können bei ihr Vermieterinnen und Vermieter „wirtschaftliche Härtefälle“ anzeigen – und unter Umständen die Erlaubnis erhalten, doch mehr Miete zu verlangen. Wer davon als Mieterin oder Mieter betroffen und in Besitz eines Wohnungsberechtigungsscheins ist, dem erstattet der Staat dann die Differenz zwischen Miete und Mietobergrenze.
Nach Jahren, die von unzulänglichen Regulierungsversuchen wie der Mietpreisbremse und diskursiver Dominanz von Apologeten des freien Marktes geprägt waren, wirkt dies alles ziemlich verrückt. Eine Regierung geht tatsächlich daran, die Macht von Recht und Gesetz zu nutzen, um den existenzbedrohlichen Folgen des ungezügelten Spiels von Angebot und Nachfrage einen Riegel vorzuschieben.
Wie ernst die rot-rot-grünen Pläne genommen werden, dokumentieren die Kursstürze börsennotierter Immobilienunternehmen wie Deutsche Wohnen. Erwartbarer Weise bezweifeln Lobby-Vertreter die Verfassungsfestigkeit eines Landesgesetz zum Mietenstopp – noch bevor dieses Gesetz selbst vorliegt. Derweil wirbt der Eigentümerverband Haus & Grund Berlin mit einem Countdown auf seiner Internsetseite: „Die womöglich letzte Chance, die Miete zu erhöhen, endet am 17. Juni 2019. Erhöhen Sie die Miete! Jetzt!“
All das ist kaum verwunderlich. Solcher Widerstand war vorprogrammiert. Wer hätte erwartet, dass sich die Profiteure der Wohungskrise klaglos fügen, sobald eine Regierung daran geht, ihre Selbstbedienungs-Oase trockenzulegen? Der Kampf um die Wiederherstellung des Rechts auf Wohnen wird ein langer sein, politisch, juristisch, kommunikativ. Wie sehr sich der Diskurs in Anbetracht der allenthalben spürbaren Realitäten schon gedreht hat, zeigt die Reaktion des wohnungspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus auf den Aufruf von Haus & Grund: „Reichlich skurril“ findet er diesen und befürchtet, die Aktion werde die herrschende Angst vor Verdrängung bei den Mietern steigern. Der Berliner Mieterverein warnt indessen vor Panik und verweist auf die zweimonatige Frist, die Mieterinnen und Mieter haben, um eine geforderte Mieterhöhung zu überprüfen.
Im Rest Deutschlands wird über Berlin, dessen Probleme und vermeintliche Regierungsunfähigkeit gern gespottet. Tatsächlich hat das regierende Bündnis in allen Umfragen der jüngsten Vergangenheit eine satte Mehrheit. Der Mietenstopp ist nicht die erste Maßnahme mit dem Potenzial, spürbare Verbesserungen für Bürgerinnen und Bürger zu bewirken. Die Gratis-Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs durch Schülerinnen und Schüler und die Abschaffung der von Eltern zu tragenden Kosten für das Mittagessen in der Schule sind nur zwei weitere Beispiele. In Sachen Wohnen kauft die Stadt seit einiger Zeit aktiv Investoren Wohnungen vor der Nase weg. Die Bezirke nutzen hierfür außerdem ihr Vorgriffsrecht, so es denn unter den Limitierungen der destruktiven Schuldenbremse möglich ist.
Und die Enteignung?
Es wäre arg verwunderlich, würden sich nicht bald andere Länder und Kommunen Beispiel an einer Berliner Politik nehmen, die die vielerorts noch bleiern über der Republik hängende Überzeugung, die herrschenden Verhältnisse seien nicht politisch veränderbar, Lügen straft.
Natürlich ist diese Entwicklung alles andere als ein alleiniger Verdienst von Parteien. Vielmehr wirkt hier der Druck von unten: Die Initiatoren des Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co. enteignen! stehen kurz vor der Übergabe der Unterschriften für die erste Stufe auf dem Weg zu einem Volksentscheid, die Hürde 20.000 werden sie dabei locker nehmen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Mietenstopp der Initiative den Wind aus den Segeln nehmen wird. Zu groß ist der Notstand in Sachen Wohnen, eine – temporäre – Maßnahme allein reicht nicht, um ihn zu beheben.
Wenn sich Rot-Rot-Grün jetzt noch in seiner Gesamtheit hinter das Ziel der Initiative stellt, Wohnungen dem Markt und Profiterzielungsabsichten unbefristet zu entziehen, um sie von gewählten Politikerinnen, Betriebsräten, Mieterinnen und Mietern beaufsichtigen zu lassen – dann wird aus Berlin wohl endgültig ein Ort, an dem ein gutes Leben nach dem Spätkapitalismus greifbarer ist als anderswo.
Kommentare 5
- die --->spekulation(wiki) ist so alt wie der waren-handel.
und mag in diversen fällen durch preis-erhöhungen
knappheiten auf dem markt anzeigen, und damit
eine vermehrte produktion anregen.
(von der mieterhöhung zum vermehrten miet-wohnungs-bau).
- eine über-spekulation("over-trading", adam smith)
mündet in einer --->spekulations-blase(wiki).
- auf städtisches wohnen(mit öffentlicher verkehrs-anbindung)
angewiesene sind von dem aus-spähen(speculor)
des urbanen wohnungs-marktes
durch global-agierende vermögens-fonds
garnicht erbaut.
der massiv-betriebene zweck der risiko-armen gewinn-schöpfung
(vermehrt aus dem ausland), geht ihnen in diesem fall zu nah.
ich empfehle die doku:
"push - für das grundrecht auf wohnen" 1 h,32min.
<<Wer hätte erwartet, dass sich die Profiteure der Wohungskrise klaglos fügen, sobald eine Regierung daran geht, ihre Selbstbedienungs-Oase trockenzulegen?>>
Vermutlich wird so ein Mietenstopp durch eine andere Gestaltung der Miete unterlaufen werden. In Südkorea ist es z.B. üblich, dass man anstelle der Monatsmiete bei Mietbeginn einen einmaligen, erheblichen "Baukostenzuschuss" bezahlt, den der Vermieter frei verwenden kann, allerdings beim Auszug des Mieters vollständig an diesen zurückgeben muss. Faktisch gewährt der Mieter dem Vermieter ein zinsloses Darlehen, das dieser z.B. dazu verwendet, ein Mehrfamilienhaus mit 5 Wohnungen zu kaufen, obwohl er selbst das Eigenkapital dafür garnicht hat. In einer Wohnung wohnt der Vermieter dann selbst, die anderen vier vermietet er.
Auch Mischformen, also eine Mischung aus niedrigerer Monatsmiete kombiniert mit einem niedrigen Baukostenzuschuss werden dort immer beliebter.
Die Vermieter könnten sich also in Berlin an den Mietendeckel halten und parallel von neuen Mietern einen Baukostenzuschuss verlangen. Falls das auch von der Politik unterbunden würde, könnte der Baukostenzuschuss als separater Vertrag vereinbart werden. Als neuer Mieter wird dann einfach nur akzeptiert, wer bereit ist, den getrennten Vertrag über den Baukostenzuschuss zu akzeptieren. Solange in Berlin tatsächlich Wohnungsknappheit vorliegt, würde diese Ausweichlösung tatsächlich funktionieren.
Dieses Hase und Igel Spiel können die Mieter nur gewinnen, sobald es in Berlin mehr leere Wohnungen als Wohnungssuchende gibt.
In Südkorea werden die kleinen Bauherren nicht über Steuersubventionen gefördert. Und auch nicht die Mieter. Die Mieter müssen den Baukostenzuschuss von ihrem versteuerten Einkommen ganz alleine aufbringen. In der Regel passiert das dadurch, dass die Großfamilie Geld zusammenlegt, damit einer der ihren den Baukostenzuschuss für die Miete aufbringen kann.
Ich vermute, kein Staat der Welt hat so viel Geld, dass er den Wohnbedarf seiner Bürger finanzieren kann, sei es durch Geldzuwendungen, sei es, dass der Staat selber in großem Umfang baut und als Vermieter auftritt.
Eine zweite Möglichkeit, den Baukostenzuschuss zu finanzieren, sind die Spargemeinschaften von Hausfrauen, die sich untereinander gut kennen und vertrauen können. Die sparen jeden Monat einen kleinen Betrag in einen gemeinsamen Topf. Wenn genug Geld im Topf ist, wird ausgelost, wer den ganzen Topf als Erster bekommt und davon seinen Baukostenzuschuss finanzieren kann. Alle sparen dann erneut und wenn der Topf wieder voll ist, wird der Nächste ausgelost usw. Das kommt dann Ihrer Genossenschaftsidee schon näher.
einige leute hier glauben,
die spekulation auf exeptionelle kunstwerke könnte man stoppen,
indem man neue kunstwerke schafft!