Doch, das wird so weitergehen

Bundestag In der Generalaussprache zum Haushalt zeigt sich eine Bundesregierung aus drei Wahlverliereren, die ungerührt weiter ihre dröge Politik verfolgen
Das gab es doch alles schon mal. Immer gleiche Politik – immer gleich dröge
Das gab es doch alles schon mal. Immer gleiche Politik – immer gleich dröge

Foto: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Was hat sich im Deutschen Bundestag eigentlich geändert, seit das Land ihn im vergangenen Jahr neu gewählt hat? Was die Generalaussprache zur Politik der schwarz-roten Bundesregierung an diesem Dienstag angeht, ist festzustellen: kaum etwas hat sich geändert – außer, klar, den bewussten rhetorischen Grenzüberschreitungen der AfD-Plenarneulinge. Von "Burkas, Kopftuchmädchen, alimentierten Messermännern und sonstigen Taugenichtsen" sprach AfD-Fraktionschefin Alice Weidel in der Eröffnungsdebatte – der Ordnungsruf des Bundestagspräsidenten und die mit Buh-Rufen artikulierte Empörung aus den übrigen Fraktionen waren eingepreist.

An solch neoliberal grundierten Rassismus reicht nicht einmal der FDP-Chef und besorgte Bäckerskunde Christian Lindner heran. Der ist mit seiner Partei zwar ins Parlament zurückkehrt, steht dort der Regierung aber in nichts nach, wenn es um die deutsche Schizophrenie in Sachen Europa geht: salbungsvolle Worte mit Macron-Referenzen hier, glasklarer Exportnationalismus dort, letzteres ist die Realität deutscher Politik, ob mit oder ohne FDP. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte am Dienstag entsprechend vorgelegt.

Lauter Selbstverständlichkeiten

Seine dröge Rede unterbot sogar noch das begrenzte rhetorische Vermögen Weidels. Doch letztere braucht eben nicht mehr als Hass und Hetze, damit die AfD in allen Umfragen der jüngsten Vergangenheit über ihren 12,6 Prozent aus dem September liegt. Wer das steuerpolitisch mit dem Zurückdrängen der kalten Progression und dem Senken der "gesamtstaatlichen Schuldenquote unter einen Anteil von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts" zu ändern hofft, hat sein Ohr eben am ewigen Singsang wirtschaftsliberaler Ökonomen und nicht an den Klagen über verfallende Schulen, fehlende Busverbindungen, Unsicherheit und Arbeitsverdichtung. Aber, um die haushaltspolitische Dimension der Rede von Bundeskanzlerin Amgela Merkel (CDU) an diesem Mittwoch zusammenzufassen, solch eine schwarze Null "ist alles andere als selbstverständlich".

Selbstverständlich scheint im Deutschland des Jahres 2018 hingegen eine aus den größten drei Wahlverlierern gebildete Bundesregierung. Deren größter haushaltspolitischer Dissens sich in den Positionen "mehr Rüstung" oder "noch mehr Rüstung" artikuliert. Deren Repräsentanten nicht das Millionen Menschen entwürdigende Hartz-IV-System, sondern vermeintlich zu hohe Sozialausgaben beschäftigen. Und in der SPD-Chefin Andrea Nahles unter Profilierung ihrer Partei und Fraktion Sätze wie diesen versteht: "Wer die im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben blockiert, schadet unserem Land."

Dass heute solche Reden im Bundestag gehalten würden wie die Weidels, sagte Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, dafür sei die Politik der Bundesregierung maßgeblich. Sie fügte, fast schon ungläubig und verzweifelt, an: "Das kann doch nicht so weitergehen!" Doch, das wird genau so weitergehen.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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