Nicht, dass Kraft Foods auf Spenden angewiesen wäre: 49,2 Milliarden Dollar hat der Süßigkeiten-Konzern im vergangenen Jahr mit dem Verkauf von Keksen, Kaffee und vor allem Schokolade eingenommen. Wegen der Schokolade werden an diesem Sonntag noch ein paar Cent dazukommen: Massen von Ein-Cent-Überweisungen sollen Kraft an seine Verantwortung dafür erinnern, dass seine Zulieferer in Westafrika Kinder versklaven – für die Arbeit auf Kakao-Plantagen.
„Faircented“ nennt sich die Initiative, die dieser Tage die Kontoverbindung von Kraft Foods im Netz publiziert, gemeinsam mit der Aufforderung: „Sendet einen Cent, am 18. September, dem Weltkindertag.“ Dafür stellt Faircented fünf Überweisungszwecke zur Auswahl, von „Stoppt die Versklavung von Kindern auf den Kakaoplantagen!“ bis „Eine gerechte Kindheit für alle Kinder – pro zertifizierten Kakao“.
Eine „Kettenreaktion“ erhofft sich Organisator Christian, der Anfang 20 ist und „Internationales Projektingenieurswesen“ studiert: „Allein tausend Teilnehmer könnten Enormes auslösen: Der Buchhalter, der die Überweisungen auf den Tisch bekommt, wundert sich, erzählt es in der Mittagspause Kollegen und wendet sich dann an Vorgesetzte, denn: So etwas ist ja noch nie da gewesen.“
Kontakt zu Spendern
Selbst, wenn Kinderarbeit und -entführung bei Kraft Foods zum Kantinengespräch werden sollten – die Ein-Cent-Überweisung als Kommunikationsmittel ist nicht neu. Gemeinnützige Organisationen nutzen diesen Weg, um ihr unbekannte Spender zu kontaktieren; in zwei Zeilen bitten sie um die Zusendung der Adressdaten, um Spendenquittungen zuschicken zu können. Dunkles haben indessen Betrüger im Sinn, die per Zufallsgenerator jeweils einen Cent an zahlreiche Kontonummern überweisen: Sie wollen herauszufinden, ob eine Bankverbindung existiert, um später unerlaubt von dort Geld abzubuchen, warnen Verbraucherzentralen.
Faircented hingegen nimmt für sich edle Motive in Anspruch: „Die Überweisung wird zum Träger einer Message, die Unternehmen zu Fairness gegenüber Mensch und Umwelt auffordert“, sagt Initiator Christian. Wem der unerbetene Cent-Regen zuteil wird, sollen Teilnehmer in Zukunft selbst ausdiskutieren. Für die erste Auflage des Online-Flashmobs haben sich Christian und ein Mitstreiter von Miki Mistratis Dokumentarfilm Schmutzige Schokolade inspirieren lassen; der schildert, wie Kinderhändler in Mali Minderjährige entführen, um sie zur Zwangsarbeit auf den Kakao-Plantagen der Elfenbeinküste zu bringen. Von dort bezieht die internationale Süßwaren-Industrie einen Großteil ihrer Kakao-Importe.
Mistratis Dokumentation ist Mitarbeitern bei Kraft Foods durchaus schon jetzt geläufig. „Wir kennen den Film“, sagt eine Sprecherin. „Aber ich verstehe nicht, warum wir jetzt Adressat der Überweisungen sind.“ Ein einzelnes Unternehmen könne auf die illegale Kinderarbeit in Westafrika nur bedingt Einfluss nehmen. Auf die Kollegen in der Kraft-Buchhaltung dürfte in der nächsten Woche nicht all zu viel Verwunderung zukommen: 24 Stunden vor Beginn der Aktion zählte die Facebook-Seite von Faircented gerade einmal drei Dutzend Unterstützer.
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