Ein Staat ist kein Projekt

Haushalt Haben die Regierenden endlich verstanden, dass es Investitionen statt Sparpolitik braucht?
Ausgabe 03/2020
Schwarze Null, graue Wand
Schwarze Null, graue Wand

Foto: Dirk Sattler/Imago Images

Sehr viel müssten wir in diesem Land investieren, sagt der Finanzminister bei Verkündigung des neuesten Rekord-Haushaltsüberschusses. Mit dem größten Modernisierungsprogramm, das es für die Bahn je in Deutschland gegeben habe, brüstet sich der Verkehrsminister. Europas „Man-on-the-moon-Moment“ wird die EU-Kommissionspräsidentin nicht müde zu beschwören. Haben die Regierenden es etwa endlich verstanden? Dass es immense Investitionen statt Sparpolitik braucht, um all diese krassen Herausforderungen in Angriff zu nehmen, die Gegenwart und Zukunft kennzeichnen?

Ja, es hat sich wirklich etwas verändert. Gänzlich ist die Mär von der schwäbischen Hausfrau als Vorbild für den Staat zwar noch nicht aus der öffentlichen Debatte verschwunden. Aber die schwarze Null als oberstes Gebot vermeintlich verantwortungsvoller Haushaltspolitik hat doch einiges an Reiz verloren. Zu offensichtlich sind die verheerenden Folgen, die es hat, wenn von Kommune bis Kontinent alle Ebenen jahrelang auf Verschleiß fahren und folgenden Generationen verlotterte Schulen, kaputte Schienen und Personalmangel im öffentlichen Dienst hinterlassen.

Freilich liegt noch einiges im Argen: Andreas Scheuers Bahn-Investitionen fangen gerade einmal an, das zu reparieren, was diverse Minister, vor allem von der CSU, im Schienennetz über Jahre hinweg zerstört haben. Ursula von der Leyens Green Deal für ein im Jahr 2050 klimaneutrales Europa ist nicht mehr als eine schöne Erzählung mit großen Zahlen und starken Bildern – eine Billion Euro, so groß wie die Mondlandung! –, weil am Ende total abhängig von den EU-Mitgliedsstaaten und privatem Kapital.

Olaf Scholz dagegen hat ja wirklich öffentliches Geld in der Kasse – auch wenn seine 19 Milliarden Überschuss 2019 verblassen gegenüber den zu investierenden 45 Milliarden Euro pro Jahr, die die Industrie und die Gewerkschaften unisono für die laufende Dekade veranschlagen. Scholz aber könnte anfangen, den Schuldenerlass für die klammsten Kommunen endlich zu realisieren, um dann Förderprogramme wirklich auf Langfristigkeit zu schalten, statt sie immer nur für ein paar Jahre aufzulegen. Gerade Kommunen brauchen Planungssicherheit, um unbefristet genug Personal einstellen zu können, das Investitionsvorhaben ausschreibt, vergibt und überwacht.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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