Eine neue Partei für Europa

DiEM 25 Ein radikales und zugleich seriöses Programm, gute Leute, ökonomische Expertise: Wird Yanis Varoufakis' Bewegung zur Konkurrenz für die Linke in Deutschland?
Ausgabe 22/2017
„Ein anderes Europa ist möglich“: Dafür kämpfen viele, aber bisher noch keine transnationale Partei
„Ein anderes Europa ist möglich“: Dafür kämpfen viele, aber bisher noch keine transnationale Partei

Foto: Jack Taylor/Getty Images

Löscht eure Paypal-Konten und helft, das Monopol privater Finanzkonzerne über Europas Zahlungsverkehr zu brechen! Der Bewegung DiEM 25 mangelt es weder an Kreativität noch an Konkretion: ein öffentliches digitales Gratis-Bezahlsystem für ganz Europa, das ist einer von vielen, vielen Vorschlägen aus dem 100 Seiten zählenden Programm. Keine Sorge, es gibt Kurzfassungen. Die wird DiEM 25 brauchen auf dem Weg, den Mitgründer Yanis Varoufakis vergangene Woche in Berlin verkündete: hin zur ersten paneuropäischen Partei, rauf auf die Stimmzettel bei der Wahl zum Europaparlament 2019. Dieser Weg wird steinig.

Zuerst gilt es, die europaweit 60.000 Mitglieder starke Basis von der Transformation zu überzeugen. Dann soll aus der richtigen Euro-Fehleranalyse, den radikalen, aber keineswegs utopischen Reformvorschlägen sowie den so prominent wie progressiv besetzten Gremien eine Wahlalternative werden. Und schließlich muss Europas Demokratiedefizit überwunden werden, wofür das Parlament keines bleiben darf, dem eigene Gesetzesinitiativen verwehrt sind wie heute.

Wer all das als Träumereien abtut und sich lieber für eine Rückkehr zu starken Nationalstaaten in Stellung bringt, ist bei DiEM 25 falsch. Sich von mutmaßlichen EU-Aussteigern in der hiesigen Linkspartei abzusetzen und Konkurrenz an den Urnen zu erwägen, wie es Varoufakis tat, macht Sinn – zum Zwecke der Profilierung als transnationale Partei, die sich Marxisten, Liberalen wie Sozialdemokraten empfehlen will. Und wem Sahra Wagenknechts Rede vom verwirkten Gastrecht immer noch in den Ohren dröhnt, der bekommt hiermit eine interessante Alternative. Eine, die sich zudem von Initiativen wie Pulse of Europe differenziert, indem sie nicht im pro-europäischen Affekt verharrt, sondern sowohl ökonomische Expertise als auch seriöse Ideen zu bieten imstande ist.

Das beides wiederum kann mit Recht auch die Linke für sich proklamieren, aus deren Umfeld noch dazu die einzigen bekannten Köpfe von DiEM 25 hierzulande kommen, Parteichefin Katja Kipping in erster Linie. Am Ende wird mit DiEM 25 wohl kaum eine neue linke Kraft im parlamentarischen Spektrum Deutschlands erwachsen. Sondern im besten Falle ein kritischer Impulsgeber für die Linke – und ein Bündnispartner an den Wahlurnen.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter Politik

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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