Es geht auch anders

Banken Der Stresstest hat Europas Kreditinstituten ein Unbedenklichkeitszeugnis ausgestellt. Aber die nächste Krise wird er nicht verhindern
Ausgabe 44/2014
Der hohe Verflechtungsgrad des Bankensektors spielte beim Stresstest kaum eine Rolle
Der hohe Verflechtungsgrad des Bankensektors spielte beim Stresstest kaum eine Rolle

Foto: Odd Andersen / AFP / Getty Images

Geschafft. Europa hat den Banken-Stresstest hinter sich gebracht. Die Ergebnisse sind wie erwartet: Der Sektor ist insgesamt krisenfest, von 130 geprüften Instituten sind nur 13 durchgefallen; mit zehn Milliarden Euro fällt deren Kapitalbedarf geradezu niedlich aus. Die nächste Krise kann kommen. Oder?

Natürlich nicht. Wir wissen, dass der Stresstest vor allem teure Stabilitätsrhetorik war. Er sollte den Europäern weismachen, ihre Eliten hätten diese Finanzmärkte schon irgendwie im Griff: jene komplexe Welt, deren Zusammenhänge die Bürger längst nicht mehr verstehen und deren profitorientierteste Akteure sich längst in ein Schattenbankenreich verabschiedet haben, das sich jeder Regulierung entzieht. Selbst die 130 Banken, deren Bilanzen die Europäische Zentralbank jetzt so intensiv wie nie nach Risiken untersuchte, wurden nur einzeln ins Visier genommen; der hohe Verflechtungsgrad des Sektors spielte kaum eine Rolle. Dabei sind es jene Interdependenzen, die „Systemrelevanz“ begründen und im Falle des Zusammenbruchs einer Bank Rettungsaktionen unausweichlich erscheinen lassen, weil sonst ein Flächenbrand droht.

Der Stresstest bewahrt uns vor der Haftung für kommende Krisen ebenso wenig wie die Absenkung von Banker-Boni oder die Geißelung der Gier Einzelner. Es hilft aber auch nicht, fatalistisch vor all der Komplexität zu kapitulieren.

Banken sind wichtig. Sie bewahren für die einen das Geld sicher auf und leihen es den anderen, weil die damit etwas Vernünftiges anfangen wollen. Allerdings: Spekulationen mit Derivaten oder Nahrungsmitteln sind nicht vernünftig, Investitionen in soziale und ökologische Innovationen dagegen schon, denn sie dienen dem Gemeinwohl. Deshalb geht es darum, das Vernünftige vom Unvernünftigen zu trennen. Letzteres kann in den freien Markt entlassen werden. Ersteres, das Gemeinwohl, muss staatlich gestützt werden.

Zur Realisierung einer solchen Bankenwelt ist es ein langer Weg. Aber es gibt längst Menschen, die ihn beschreiten: indem sie öffentlich die Unvernunft der alten Banken anprangern oder gleich neue, gemeinwohlorientierte Banken gründen. Nur so lassen sich die Kapitulation vor der Komplexität und der Zynismus über Inszenierungen wie den Stresstest überwinden.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

Sebastian Puschner

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