Es gibt doch gar keine Inflation! Das hören die Armen sicher gerne

Steigende Preise Vielen steht das Wasser bis zum Hals, weil Energie und Essen sich verteuert haben. Manch progressiver Ökonom erklärt den Leuten dennoch gern, warum in Sachen Geld alles im Lot ist
Ausgabe 48/2021

Alles nur Panikmache, es gibt gerade eigentlich gar keine Inflation, so sagen es Ökonominnen dieser Tage gern. Ein Plus von satten 5,2 Prozent, wie es das Statistische Bundesamt eben vermeldet hat? Bezieht sich doch nur auf den Vergleich zum Vorjahresmonat! Und da waren die Preise doch im Keller, die Folgen des Lockdowns, und die temporäre Mehrwertsteuersenkung – die steile Inflationskuve jetzt sei also ein reines Zerrbild. So ließe sich den Armen dieses Landes noch zwinkernd zurufen: Na, hättet ihr doch 2020 mal die Gelegenheit genutzt und euer Geld gespart, dann würden euch Preissteigerungen bei Energie (zuletzt 18,6 Prozent) oder Nahrungsmitteln (4,4 Prozent) jetzt nicht kümmern!

Im Ernst: Lehrbuchgetreue, korrekte Analysen zur Inflation sind schön und gut. Die Leute stehen trotzdem vor dem Regal mit den Nudeln, sehen höhere Preise – und lassen sich mit Blick auf ihre steigenden Heiz- oder Benzinkosten sicher gern gerade auch von linken Ökonomen die definitorische Klarstellung zur Inflation servieren.

Die Ampel und das Schuldenmachen

Dabei sind steigende Preise für Energie die Zeichen der Zeit, CO₂-Abgabe, ick hör dir trapsen. Der Ampelkoalition lässt sich nicht unterstellen, sie hätte das nicht auf dem Schirm, die Belastung durch die EEG-Umlage soll wegfallen, ein Klimageld steht in Aussicht. Wer nun die Ampel von links kritisieren, die ökonomisch Schwachen also vertreten will, sollte noch viel offensiver zum Thema machen, dass ihnen ganz genau jetzt das Wasser bis zum Halse steht. Dietmar Bartschs Einlassungen dazu waren ein guter Anfang.

Noch auf einem anderen Feld der Wirtschaftspolitik ist es ratsam, hellwach zu sein in der Auseinandersetzung mit der neuen Regierung – nämlich bei den Finanzen. Wer ihr mit dem Vorwurf aus der Mottenkiste kommen will, sie halte starr an der Schuldenbremse fest, sollte den Koalitionsvertrag lesen. Christian Lindner kann als der Bundesfinanzminister in die Geschichte eingehen, zu dessen Zeit der Staat Milliarden ausgab wie noch nie. Das Geld kommt, schön an der Schuldenbremse vorbei, aus Fonds des Staates und Krediten, die öffentliche Unternehmen wie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (mit der baut der Bund nun sogar selber Wohnungen) und die KfW-Bank aufnehmen. An den Spitzen von KfW und BImA hat Olaf Scholz übrigens zuletzt Vertraute installiert. Scheint, als folge da wer einem cleveren Plan, was Geld wie Staat betrifft.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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