Julian Assange: Über einem Fass mit Säure

Wilkileaks Julian Assanges Auslieferung an die USA rückt immer näher. Wir dürfen nicht zulassen, dass jemand für die Aufklärung von Kriegsverbrechen verurteilt wird
Ausgabe 11/2022
Unterstützer von Julian Assange in London fordern die Freilassung des Wikileaks-Gründers (Archivbild).
Unterstützer von Julian Assange in London fordern die Freilassung des Wikileaks-Gründers (Archivbild).

Foto: Chris J Ratcliffe/Getty Images

Still ist es um Edward Snowden geworden. Aus seinem Exil in Moskau ließ er dieser Tage nur wissen: „Ich hänge nicht an einem Seil, das jedes Mal, wenn ich twittere, ein bisschen schneller brennt, von der Decke über einem Fass mit Säure.“ Er habe nur jedes Vertrauen verloren, dass es nütze, seine Gedanken „zu diesem speziellen Thema“ mitzuteilen, zu dem er gesagt habe, dass es „falsch“ sei. Der hasserfüllte Spott in den Kommentaren unter diesen Worten ist beschämend. „Verräter“ nennen sie den Whistleblower, der in Russland vor der Verfolgung durch die USA Schutz suchen musste, weil den ihm kein Land des Westens gewähren wollte.

Julian Assange ist derweil in Haft und nicht in Sicherheit, er hängt wirklich an solch einem Seil, das abbrennt – unabhängig davon, was er sagt. Indem der britische Supreme Court ihm nun versagte, Berufung gegen das Urteil vom Dezember 2021 einzulegen, das seine Auslieferung an die USA ermöglicht, ist er näher an sein Fass mit Säure herangerückt: Die Überstellung Assanges in die USA, wo ihm 175 Jahre Haft drohen, wird immer wahrscheinlicher. Zwar können seine Anwälte weitere Rechtsmittel einlegen, am Ende aber wird sein Schicksal wohl in den Händen der britischen Innenministerin liegen: Priti Patel ist eine konservative Hardlinerin. Der gegenwärtige Schulterschluss des Westens, im Angesicht des russischen Krieges, über den Atlantik hinweg, lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass Patel die USA brüskieren und das Begehren, Julian Assange in die Finger zu kriegen, verwehren wird.

Es sei daran erinnert, wofür der Wikileaks-Gründer seit zehn Jahren verfolgt wird, weshalb er von Medien und mutmaßlich instrumentalisierten Behörden zum Vergewaltiger gestempelt wurde, wofür er in Richtung Suizid getrieben wird: Er hat brutale Kriegsverbrechen aufgedeckt. Er hat in Zeiten des rücksichtslosen Tötens für einen kurzen Moment die dicken Vorhänge der Propaganda zur Seite geschoben, hinter denen das sichtbar wurde, was wir nicht gerne sehen, zumal, wenn es im Namen der Demokratie verübt wird.

Gerade jetzt ist es dringender denn je, gegen die Auslieferung Julian Assanges zu kämpfen, die Stimme für seine Freilassung zu erheben, ihn nicht zu vergessen in dieser neuerlichen Zeit des rücksichtslosen Tötens und der allseitigen Propaganda.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

Sebastian Puschner

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