Macht endlich die Zockerbuden dicht!

Deutsche Bank Wenn Sigmar Gabriel wirklich etwas gegen Spekulantentum hat, dann sollte er sich mal mit ein paar Ideen für ein neues Finanzsystem beschäftigen
Ausgabe 40/2016
Quo vadis Deutsche Bank?
Quo vadis Deutsche Bank?

Foto: Daniel Roland/AFP/Getty Images

Sigmar Gabriel musste Anfang Oktober wegen seiner Tirade gegen das Spekulantentum der Deutschen Bank heftige Kritik einstecken. Unverantwortlich sei dies für einen Wirtschaftsminister, hieß es aus CDU und SPD, gerade in Zeiten, in denen die Rettung der größten deutschen Bank durch Staat und Steuerzahler so nah scheint wie nie. Tatsächlich hat Gabriel Kritik verdient. Aber nicht für das Aussprechen des Offensichtlichen: dass die Bank „das Spekulantentum zum Geschäftsmodell gemacht hat“. Sondern für die Leerstelle hinter diesen Worten. Wie soll es weitergehen, wenn die öffentliche Hand eines Tages den Kollaps der Bank abgewendet haben wird, welche als die gefährlichste weltweit gilt, weil sie so global vernetzt und so ansteckend ist wie keine andere?

Wie es dazu kommen konnte, ist heute allgemein bekannt: Die 1989 von Alfred Herrhausen eingeleitete Globalisierung der Bank ließ seine Nachfolger von 25 Prozent Rendite träumen und spülte 1995 Investmentbanker wie Anshu Jain ins Haus und 2012 an die Konzernspitze. Drei Jahre später war Jain weg und klarer denn je, wie existenziell die Krise ist, in die seine Wertpapier- und Derivate-Zunft die Bank gestürzt hat: Die Verbriefung riskanter Hypotheken und damit die Mittäterschaft der Bank für die 2007 ausgebrochene Krise, wie sie zur Zeit verhandelt wird, ist nur die Spitze einer langen Liste von Schandtaten.

12,5 Milliarden Euro Strafe hatte das US-Justizministerium hierfür zunächst aufgerufen, bald war von 4,8 Milliarden die Rede, was den Kurs der Deutsche-Bank-Aktie erst nach unten, dann wieder nach oben schnell ließ und Spekulanten Profit verschafft haben mag. Aber so zynisch es klingen mag: Das sind Nebenschauplätze. Tatsächlich stecken einstige Großbanken wie die Deutsche oder die Commerzbank in einer Abwärtsspirale aus Strafzahlungen, Niedrigzinsen und der Digitalisierung des Bankgeschäfts. Das Ruder haben längst andere übernommen, der Finanzinvestor Blackrock etwa, nach 2007 von der US-Regierung mit der „Rettung“ der Finanzbranche, die auch der Deutschen Bank vorerst die Existenz sicherte, betraut. Heute gehört Blackrock zu den größten Aktionären der Deutschen Bank, der Commerzbank sowie aller anderen DAX-Konzerne. Sein Geschäftsmodell geht so: die Beteiligung an Unternehmen, die Verarbeitung von derart gewonnenen Informationen mit Algorithmen und dann das Zerschlagen, Fusionieren und Aussaugen. Dazu passt, dass Deutsche wie Commerzbank längst den Abbau von je rund 10.000 Stellen beschlossen haben und sich die Chefs der kriselnden Institute seit kurzem über eine Fusion austauschen.

Der zerstörerische Finanzkapitalismus geht unter anderer Regie weiter. Markige Worte wie die von Gabriel helfen da nicht weiter. Es braucht ein progressives Verständnis von öffentlicher Verantwortung: Wenn die von den Zentralbanken angeordneten Niedrigzinsen und die von ihnen ausgeschwemmten Billionen nur als Spielgeld für Zockerbuden dienen, dann braucht es staatliche Investitionen, die der Realwirtschaft wieder Zukunftshoffnung geben. Wenn Banken nicht mehr gewillt sind, die Umwandlung von Spargeldern in Kredite für Unternehmen und Haushalte als ihr Geschäftsmodell zu verstehen, dann braucht es die Trennung in Investmentbanken ohne jede öffentliche Haftung und Geschäftsbanken unter demokratischer Kontrolle. Wenn Sigmar Gabriel an Derartigem wirklich Interesse hat, sollte er sich die Zeit nehmen, einmal die Vorschläge von Ökonomen wie Christian Felber, Hans Christoph Binswanger oder Michael Hudson zu lesen.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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