Sigmar Gabriel musste Anfang Oktober wegen seiner Tirade gegen das Spekulantentum der Deutschen Bank heftige Kritik einstecken. Unverantwortlich sei dies für einen Wirtschaftsminister, hieß es aus CDU und SPD, gerade in Zeiten, in denen die Rettung der größten deutschen Bank durch Staat und Steuerzahler so nah scheint wie nie. Tatsächlich hat Gabriel Kritik verdient. Aber nicht für das Aussprechen des Offensichtlichen: dass die Bank „das Spekulantentum zum Geschäftsmodell gemacht hat“. Sondern für die Leerstelle hinter diesen Worten. Wie soll es weitergehen, wenn die öffentliche Hand eines Tages den Kollaps der Bank abgewendet haben wird, welche als die gefährlichste weltweit gilt, weil sie so global vernetzt und so ansteckend ist wie keine andere?
Wie es dazu kommen konnte, ist heute allgemein bekannt: Die 1989 von Alfred Herrhausen eingeleitete Globalisierung der Bank ließ seine Nachfolger von 25 Prozent Rendite träumen und spülte 1995 Investmentbanker wie Anshu Jain ins Haus und 2012 an die Konzernspitze. Drei Jahre später war Jain weg und klarer denn je, wie existenziell die Krise ist, in die seine Wertpapier- und Derivate-Zunft die Bank gestürzt hat: Die Verbriefung riskanter Hypotheken und damit die Mittäterschaft der Bank für die 2007 ausgebrochene Krise, wie sie zur Zeit verhandelt wird, ist nur die Spitze einer langen Liste von Schandtaten.
12,5 Milliarden Euro Strafe hatte das US-Justizministerium hierfür zunächst aufgerufen, bald war von 4,8 Milliarden die Rede, was den Kurs der Deutsche-Bank-Aktie erst nach unten, dann wieder nach oben schnell ließ und Spekulanten Profit verschafft haben mag. Aber so zynisch es klingen mag: Das sind Nebenschauplätze. Tatsächlich stecken einstige Großbanken wie die Deutsche oder die Commerzbank in einer Abwärtsspirale aus Strafzahlungen, Niedrigzinsen und der Digitalisierung des Bankgeschäfts. Das Ruder haben längst andere übernommen, der Finanzinvestor Blackrock etwa, nach 2007 von der US-Regierung mit der „Rettung“ der Finanzbranche, die auch der Deutschen Bank vorerst die Existenz sicherte, betraut. Heute gehört Blackrock zu den größten Aktionären der Deutschen Bank, der Commerzbank sowie aller anderen DAX-Konzerne. Sein Geschäftsmodell geht so: die Beteiligung an Unternehmen, die Verarbeitung von derart gewonnenen Informationen mit Algorithmen und dann das Zerschlagen, Fusionieren und Aussaugen. Dazu passt, dass Deutsche wie Commerzbank längst den Abbau von je rund 10.000 Stellen beschlossen haben und sich die Chefs der kriselnden Institute seit kurzem über eine Fusion austauschen.
Der zerstörerische Finanzkapitalismus geht unter anderer Regie weiter. Markige Worte wie die von Gabriel helfen da nicht weiter. Es braucht ein progressives Verständnis von öffentlicher Verantwortung: Wenn die von den Zentralbanken angeordneten Niedrigzinsen und die von ihnen ausgeschwemmten Billionen nur als Spielgeld für Zockerbuden dienen, dann braucht es staatliche Investitionen, die der Realwirtschaft wieder Zukunftshoffnung geben. Wenn Banken nicht mehr gewillt sind, die Umwandlung von Spargeldern in Kredite für Unternehmen und Haushalte als ihr Geschäftsmodell zu verstehen, dann braucht es die Trennung in Investmentbanken ohne jede öffentliche Haftung und Geschäftsbanken unter demokratischer Kontrolle. Wenn Sigmar Gabriel an Derartigem wirklich Interesse hat, sollte er sich die Zeit nehmen, einmal die Vorschläge von Ökonomen wie Christian Felber, Hans Christoph Binswanger oder Michael Hudson zu lesen.
Kommentare 2
Was ich verschärft finde ist dass jetzt Sparkasse, Postbank und andere das kostenlose Girokonto abgeschafft haben. Eigenkapital ohne nennenswerte Gegenleistung zur Verfügung gestellt zu bekommen ist den Herren Bankern nicht mehr gut genug. Von der Deutschen Bank siegen lernen nennt man das wohl.
Verhängnisvolle Kultur des permanenten fiskalischen Tohuwabohu
Dem Autor dieses Artikels meine Anerkennung!!!
Seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 bereiten uns die verschiedenen Medien periodisch auf immer neue Katastrophen vor. Die italienischen Banken befinden sich bereits seit Jahren in einer tiefen Krise, ebenso wie die Banken in Griechenland, Spanien und Portugal. Sie führen nach offiziellen Angaben faule Kredite in Höhe von 360 Mrd. Euro in ihren Bilanzen, um nur ein paar Beispiele aufzuführen.
Auch bei der Deutschen Bank steht die Frage im Raum, ob Frau Merkel und Herr Schäuble sie demnächst retten müssen! Es kursieren Gerüchte über Notfallpläne der Bankenaufsicht sowie der Bundesregierung.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält sie für die gefährlichste Bank der Welt. Die Bilanzsumme beträgt immer noch rund 1,8 Billionen Euro. Äußerst bedrohlich ist der Derivatebestand der Deutschen Bank von nominal fast 42 Billionen Euro.
Die Deutsche Bank wird die Geister, die sie rief, nun offensichtlich nicht mehr los.
Wir Bürgerinnen und Bürger haben im Allgemeinen ohnehin nichts von den Banken zu erwarten. Sie fordern von uns überhöhte Zinsen, wenn wir uns auf sie einlassen und zahlen keine Zinsen, wenn wir ihnen unser Spargeld überlassen. Wenn wir Pech haben, müssen wir demnächst dafür noch Geld bezahlen. Die Riester-Rente bringt entsprechend keine nennenswerte Rendite.
Wir, die Bürgerinnen und Bürger sollten die Politiker und Finanz-Hasardeure (allen voran Herrn Draghi) in Regress nehmen, statt die Deutsche Bank in Ihrem Sinne zu unterstützen. Welchen Grund sollte es geben, dass wir Bürgerinnen und Bürger sie unterstützen?
Sparer, Aktionäre und Anleger müssen offensichtlich davon ausgehen, dass sie ihr Geld Gangstern und Hasardeuren anvertraut haben, statt seriösen Bankern. Frech weisen diese Gangster und Hasardeure jede Schuld an jedem Desaster auch noch von sich und machen jene devoten Politiker verantwortlich, derer sie sich ebenso frech wie skrupellos zuvor bedient haben.
Es muss dafür Sorge getragen werden, dass Banken pleitegehen und die verantwortlichen Bankster im Zweifelsfalle einer Haftstrafe zugeführt werden können. Und es muss vor allen Dingen dafür gesorgt werden, dass die Anteilseigner dieser betrügerischen, angeblich systemrelevanten Banken die Zeche zahlen müssen. Bail-in und Bail-out sind kaschierende Begriffe für großflächigen Betrug, Banken-Manager und Banken-Inhaber vor ihren eigenen Geschäftsrisiken zu schützen. – Nur, die involvierten Politiker werden für gar nichts sorgen. Dafür profitieren sie zu sehr von der Symbiose mit den Finanzakteuren.
Seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 können sich die Giganten unter den Großbanken, Versicherungen, Hedgefonds und multinationalen Konzernen darauf verlassen, dass sogenannte "systemrelevante" Unternehmen von Regierungen und Zentralbanken im Notfall mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gerettet werden. „Wat Ever It Takes“ – ein Freibrief für Lug und Betrug.
„Never let a good crisis go to waste“ ist die Devise des internationalen Finanzsystems. Das gestaltet und pflegt gemeinsam mit devoten Politikern eine verhängnisvolle Kultur des permanenten fiskalischen Tohuwabohu, um seine maßlosen Ziele zu erreichen und läuft nach immer demselben Ritual ab: Das Drehbuch wird von internationalen Geldinstituten geschrieben (z. B. IWF), willfährige Politiker arbeiten ihnen unter dem Chorgesang der meisten System-Medien als Erfüllungsgehilfen zu).
Die Politiker sind zugleich kalkulierter Bestandteil eines entsprechenden und hoch effizienten Belohnungssystems. Ein besonders unappetitliches Beispiel: José Manuel Barroso! Der fuhr dieser Tage schon seine zweite Belohnung ein. – Als es darum ging, den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Coalition Of The Willing von 2003 gegen den Irak zu organisieren, stand der Portugiese in der ersten Reihe neben George W. Bush und Tony Blair. Genau wie die beiden anderen müsste er eigentlich vor das Haager Kriegsverbrechertribunal gestellt werden – stattdessen bekam er nun ein Pöstchen ohne Geschäftsbereich bei Goldman Sachs. – Barroso war von 2002 bis 2004 Regierungschef von Portugal. Danach leitete er bis 2014 die EU-Kommission in Brüssel.
Nein – welchen Grund sollten die Bürgerinnen und Bürger haben, dieses pathologische System zu unterstützen? – Keinen!