Neue Gesichter, alte Leier

CDU Angela Merkel stellt gekonnt die personellen Weichen für die Weitergabe ihres verheerenden Erbes
Links die künftige Kanzlerkandidatin, rechts die nächste Bewerberin für Bellevue – Angela Merkel würde es gefallen
Links die künftige Kanzlerkandidatin, rechts die nächste Bewerberin für Bellevue – Angela Merkel würde es gefallen

Foto: Florian Gärtner/Imago/photothek.net

Das Überfällige wird eintreten, und der Tag, an dem Angela Merkel nicht mehr Bundeskanzlerin ist, wird kommen. Ob mit der CDU-Vorsitzenden dann auch ihre Partei das Amt und dessen Macht verliert, ist offen. Fest steht hingegen, dass Merkel jetzt einen Plan hat. Der Vorwurf, sie organisiere keine Nachfolge, ist obsolet.

Mit der 98,8-Prozent-Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers zur CDU-Generalsekretärin an diesem Montag, gleich nach dem nahezu einstimmigen Ja zum schwarz-roten Koalitionsvertrag, setzt der Parteitag Merkels Wunschnachfolgerin in die Spur. Ursula von der Leyen bleibt Verteidigungsministerin und bekommt dafür Rückenwind durch das im Koalitionsvertrag verbriefte Ziel steigender Militärausgaben, die von der NATO vorgesehenen zwei Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung fest im Blick. Übersteht die in der Truppe ungeliebte von der Leyen so noch eine Legislatur, dürfte sie in einigen Jahren eine noch heißere Kandidatin für Schloss Bellevue werden, als sie das schon vor der Bundespräsidentschafts-Wahl 2017 gewesen war.

Lauter CDU-Frauen

Mit Anja Karliczek als Bildungs-, Julia Klöckner als Landwirtschafts- und Monika Grütters als Kulturstaatsministerin sowie Annette Widmann-Mauz als Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration im Kanzleramt wird, ganz nebenbei, eine Quotierung des Kabinetts nicht an Merkel und der CDU scheitern.

Der Loyalist Peter Altmaier soll im Wirtschaftsministerium der CDU zu neuer Profilierung verhelfen und aufpassen, dass das sozialdemokratisch geführte Bundesfinanzministerium nicht das eiserne Dogma der Schwarzen Null gefährdet – was es bei dessen Besetzung mit Olaf Scholz eh nicht zu erwarten ist. Wirtschaftskompetenz kann auch Jens Spahn vorweisen, er hat sich schon als Inhaber einer Beratungsagentur für Unternehmen aus der Medizin- und Pharmaindustrie verdient gemacht. Jetzt soll er als Bundesgesundheitsminister die Beibehaltung der Zweiteilung des Gesundheitssystems garantieren. En passant geleitet Merkel einen ihrer ambitioniertesten Kritiker in eines der kompliziertesten Ministerämter, in dem persönliche Profilierung alles andere als garantiert ist.

Der personellen und inhaltlichen Konsolidierung des Merkelismus über das Amtsende seiner Namensgeberin hinaus ist damit das Feld bereitet, das Bisschen Verjüngung und mutmaßliche Schärfung des konservativen Profils hin oder her. Am Kurs der CDU ist nichts Neues, man höre nur Kramp-Karrenbauer zu, wie sie auf dem Parteitag an diesem Montag ihre saarländische CDU für deren "knallharten Sparkurs" rühmt.

Einstweilen gilt: So lange sich dieses Politikangebot auf einen sozialdemokratischen Mehrheitsbeschaffer verlassen kann und keine klare soziale Alternative fürchten muss, kann der Merkelismus weiter sein verheerendes Werk verrichten, indem er ein vor Ungleichheit erstarrtes Land im Interesse der oberen zehn Prozent verwaltet. Fraglich ist, ob die Sozialdemokratie das überleben wird.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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