Offensiv geht anders

Wahlkampf Martin Schulz hat die Renten-Pläne der SPD vorgestellt. Die sind immerhin gar nicht so schlecht – und doch wenig mehr als die trübe Aussicht auf koalitionäres Weiter-so
Auf der Suche nach einer öffentlichen Hand, die schützt
Auf der Suche nach einer öffentlichen Hand, die schützt

Foto: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Stabile Renten statt mehr Geld für die Rüstung – die Verteidigungslinie des SPD-Kanzlerkandidaten gegen die Union steht. Warum aber ist es eine Verteidigungslinie, die Martin Schulz nach der Vorstellung des sozialdemokratischen Konzepts für die Altersvorsorge zieht? Ein Blick nach Österreich würde genügen für den Anbeginn einer Offensive. Einer Offensive, die die öffentliche Hand stärkt, sodass sie sich wieder schützend den Zumutungen drohender Altersarmut entgegenstellen, die Teilprivatisierung zurückdrehen und das vor bald zwei Jahrzehnten geopferte Ziel der Sicherung des Lebensstandards im Rentenalter durch die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) reanimieren kann.

Es mag daran liegen, dass das SPD-Konzept nur bedingt dazu taugt, "die Hegemonie des modernisierten Neoliberalismus nach dem Modell Merkel in der öffentlichen Debatte zu brechen" und so mitunter die "trübe Aussicht auf die nächste Runde im bundespolitischen 'Weiter-so'" reproduziert.

Nicht bis 70 schuften

Es vermag lediglich den Raubbau der Konservativen an diesem Bereich der Daseinsvorsorge einzuhegen, so listen es die Sozialdemokraten fein säuberlich in einer tabellarischen Gegenüberstellung mit sieben Spalten auf: keine weitere Erhöhung des Rentenalters gegen das von CDU-Nachwuchshoffnung Jens Spahn postulierte Arbeiten bis um die 70. Stabiles Niveau und stabile Beiträge gegen den vermeintlichen Unions-Realismus, der ersteres weiter senken und zweitere weiter steigen zu lassen droht.

Den Beitragssätze steigen lassen will auch die SPD, von aktuell 18,7 Prozent auf 21,9 Prozent im Jahr 2030. Sinken soll nach sozialdemokratischen Vorstellungen auch das Niveau, wenn auch nur von 48,2 auf 48,0 Prozent 2030. Offensiv geht anders. 53 Prozent fordert die Linke. Für 50 Prozent haben manche Sozialdemokraten noch gekämpft, und immerhin aus dem von SPD-Sozialministerin Andrea Nahles noch Ende 2016 postulierten "mindestens" in "mindestens 46 Prozent" zwei Prozentpunkte herausgeholt.

Doch "immerhin" ist zu wenig, soll es um mehr als das Ziel einer Fortsetzung des Daseins als Junior-Koalitionspartner gehen. In dessen Gestalt könnte die SPD sicher ein bisschen etwas durchsetzen von ihren grundlegend richtigen Vorstellungen. Zu denen gehören eine zehn Prozent über der Grundsicherung liegende Solidarrente für langjährige Beschäftigte, die Einbeziehung bisher nicht versicherter Selbstständiger in die gesetzliche Rentenversicherung und das ehrliche Eingeständnis, dass das System der Umlagefinanzierung nach aktuellen demographischen Prognosen und ohne weitere Privatisierung auf einen gehörigen Zuschuss aus Bundesmitteln angewiesen sein wird.

Die eigentliche Frage

Auf 78,1 Milliarden Euro summieren sich die von der SPD proklamierten Mehrkosten bis 2030, was Unions-Fraktionschef Volker Kauder sogleich dazu veranlasst, vor der Mehrbelastung der Jüngeren zu warnen. Die gilt es zu vermeiden, da hat er Recht. Kauder geht es aber nicht darum, die Jungen zu schützen, indem er sie gegen die Alten auszuspielen versucht. Er will einer Debatte um die eigentliche Umverteilungsfrage – oben versus unten, reich versus arm – nur ja keinen Raum geben.

Der SPD böten sich für diese, die richtige Debatte viele Ansatzpunkte: die Anhebung oder Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze etwa, um Einkommensstarke in stärkere Verantwortung für die Sozialversicherung zu nehmen. Das hat vor kurzem sogar die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung für den Weg zur Bürgerversicherung in der Krankenvorsorge angedacht. Oder eine Umverteilung über die Steuerpolitik. Doch in dieser Frage sind die SPD-Pläne noch nicht bekannt.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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