Roboter retten die Rente

Staat Südkorea, Österreich, Schweiz: Kann und soll eine Steuer auf maschinelle Arbeit künftig den Sozialstaat finanzieren?
Ausgabe 43/2017
Ja, auch Roboter könnten etwas für die Gesellschaft tun
Ja, auch Roboter könnten etwas für die Gesellschaft tun

Foto: Noel Celis/AFP/Getty Images

Es war Ende Mai, drei Wochen sollten noch vergehen bis zur öffentlichen Vorstellung des SPD-Steuerkonzepts für die Bundestagswahl. Was kam, war absehbar, und stand in der entsprechenden SPD-Arbeitsgruppe zu diesem Zeitpunkt fest: Spitzensteuersatz anheben und später einsetzen lassen, Entlastung für Gering- und Durchschnittsverdienende, eine ernsthafte Erbschaftssteuer. Nicht schlecht, aber langweilig. „Warum fordern Sie nicht eine Robotersteuer?“, fragte ich damals einen SPD-Finanzpolitiker aus der Arbeitsgruppe. Die Antwort: „Hm.“ Schweigen. „Müsste man mal drüber nachdenken.“

Tatsächlich denken längst immer mehr Menschen darüber nach, den Staat eine Abgabe auf den Einsatz von Robotern erheben zu lassen, um damit dann die sozialen Transformationskosten der Automatisierung finanzieren zu können: zum Beispiel Microsoft-Gründer Bill Gates, Südkoreas Regierung, Post-Chef Frank Appel, das EU-Parlament, der US-Ökonom Robert Shiller.

Verstehen lässt sich unter einer Robotersteuer in der gegenwärtig diffusen Debattenlage vieles: Südkorea führe sie „als erstes Land der Welt“ ein, war im August in vielen Medien zu lesen. Tatsächlich, so schreibt The Korea Times, gehe Südkorea einen ersten Schritt auf dem Weg dahin. Faktisch hat die Regierung entschieden, ein Programm mit steuerlichen Anreizen gerade für den Einsatz von Automatisierung zu verlängern, die Innovationsförderung dabei aber um bis zu zwei Prozentpunkte zu senken; bisher können Unternehmen durch den Einsatz neuer Maschinen drei bis sieben Prozent an Körperschaftssteuer sparen, was wohl mit dazu geführt hat, dass Südkorea der International Federation of Robotics als das Land mit der höchsten Dichte an Industrierobotern gilt: 531 Einheiten kämen hier auf 10.000 Industriearbeiter, 301 sind es nach dieser Rechnung in Deutschland, 176 in den USA. Im Grunde fördert Südkorea es auch in Zukunft, wenn Roboter Menschen ersetzen. Nur mit etwas weniger Geld. Wenn das ein erster Schritt sein soll, dann ist es ein kleiner.

Ran ans Kapital

Die einfachste Beschreibung dessen, was eine Robotersteuer ist und soll, kommt in dem Satz zum Ausdruck, den die Wohlfahrtsorganisation Volkshilfe Österreich im vergangenen März 1.001 Menschen vorlegte: „Unternehmen, die Menschen durch Roboter ersetzen, sollten dafür Steuern zahlen.“ 78 Prozent stimmten zu.

Da war es schon bald ein Jahr her, dass Kurzzeit-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) mit einer „Maschinensteuer“ von sich reden gemacht hatte. Gegen seinen konservativen Koalitionspartner brachte er die Idee nicht durch, im Wahlprogramm der österreichischen Sozialdemokraten aber ist sie gelandet, in etwas erratischer Ausführung: „In Zeiten steigender Automatisierung“ schlägt die SPÖ „eine Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage des Familienlastenausgleichsfonds über den Faktor Arbeit hinaus“ vor. Jener Fonds speist sich aus Abgaben aus dem Bruttolohn der Arbeitnehmer und soll die unterstützen, die Nachwuchs großziehen, in Form des Kindergeldes etwa. Zudem wirkt er als Umverteilungsinstrument zwischen unteren und oberen Einkommensgruppen.

Die „Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage“ meint nun, diese Leistungen des Sozialstaates nicht mehr nur aus den Löhnen, dem Faktor Arbeit also, zu speisen, sondern aus mehreren Quellen, Abgaben auf den „Verbrauch fossiler Energieträger“ etwa, wie es im SPÖ-Programm heißt. Oder eben aus solchen für Unternehmen, die Menschen durch Roboter ersetzen, auch wenn die SPÖ diesen Aspekt nur indirekt artikulierte, mit folgendem Slogan in Mundart, der sich in der Programmbroschüre findet: „Jeder Mensch is wertvoller ois olle Roboter zaum.“

Solche einfachen, einleuchtenden Sätze machen bei 78 Prozent Zustimmung zur Robotersteuer Sinn; die Idee verfügt über erhebliches Mobilisierungspotenzial, wenngleich sie alles andere als ein Garant für sozialdemokratische Wahlsiege ist, wie das Resultat in Österreich zeigt.

Dass die SPÖ nur verhalten von einer Maschinensteuer spricht, Südkoreas Regierung nur einen kleinen Schritt wagt, die Sozialdemokraten in Genf krachend mit ihrer Forderung gescheitert sind, jede automatische Selbstbedienungskasse im Supermarkt mit 10.000 Franken pro Monat zu besteuern, all das hat einen Grund: Forderungen nach einer Robotersteuer sehen sich umgehend einer Rhetorik ausgesetzt, die diese als innovations-feindlich geißelt. Dann „hätten auch die landwirtschaftlichen Maschinen im 19. Jahrhundert mit einem hohen Satz besteuert werden müssen, damit weiterhin 90 Prozent der Bevölkerung auf den Feldern hätten arbeiten können“, schreibt die Neue Zürcher Zeitung.

Im 19. Jahrhundert allerdings hatten die Arbeiterinnen und Arbeiter noch nicht den Sozialstaat erkämpft, dessen Verteidigung die Befürworter der Maschinenabgabe heute im Sinn haben: „In den nächsten zehn Jahren werden Automatisierung und Digitalisierung eine massive Reduktion klassischer Lohnarbeit mit sich bringen. Deswegen müssen wir zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates weg von der alleinigen Besteuerung der Arbeit, hin zu einer breiteren Finanzierungsgrundlage kommen“, sagte Christian Kern. „Breitere Finanzierungsgrundlage“ meint nichts anderes als eine Verlagerung der Steuern und Abgaben weg vom Faktor Arbeit hin zum Faktor Kapital. Was Firmen mit vielen Mitarbeitern entlasten und solche mit wenigen, die Digitalkonzerne etwa, belasten würde. Und was im Zeichen des rückläufigen Anteils der Löhne am Volksseinkommen gegenüber dem der Einkommen aus Kapital sehr viel Sinn machen würde.

Kapitaleinkommen wären natürlich auch durch Erbschafts-, Vermögens- oder Finanztransaktionssteuern viel stärker in Verantwortung zu nehmen. Doch selbst wenn sich politische Mehrheiten hierfür ergeben, wie die rot-rot-grüne nach den Bundestagswahlen 2013 oder der Sieg François Hollandes 2012 in Frankreich, bleiben sie und der steuerpolitische Paradigmenwechsel dennoch stets in weiter Ferne.

Neid auf Roboter lässt sich aber gegen die Besteuerung von Kapital schwerer ins Feld führen als angeblicher Neid auf Vermögende. Wenn nun die Einnahmen für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sinken, weil immer weniger Menschen und immer mehr Roboter arbeiten, und die Verteidigung oder Ausweitung des Sozialstaates bis hin zu einem armutsfesten, bedingungslosen Grundeinkommen das Ziel sein soll, dann ist es logisch, jene Verluste durch eine Abgabe auf Automatisierung zu kompensieren. „Wir könnten die Pflege der Alten verbessern, kleinere Schulklassen realisieren und überhaupt all die Tätigkeiten stärken, für die menschliche Empathie nach wie vor unabdingbar ist“, sagte etwa Bill Gates in einem Interview mit dem Online-Portal Quartz.

Der Roboter, der ja nichts anderes ist als Kapital, dient dabei als vordergründige Zielscheibe einer Abgabe, die eigentlich seinem Besitzer gilt, dem Kapitalisten. Ob dabei nun am besten die Anschaffung eines Roboters, dessen Einsatz oder, wie es Post-Chef Appel vorschwebt, das von ihm hergestellte Produkt mit einer Abgabe belegt werden sollte – darüber könnte die hiesige SPD ja mal nachdenken.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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