Es war Ende Mai, drei Wochen sollten noch vergehen bis zur öffentlichen Vorstellung des SPD-Steuerkonzepts für die Bundestagswahl. Was kam, war absehbar, und stand in der entsprechenden SPD-Arbeitsgruppe zu diesem Zeitpunkt fest: Spitzensteuersatz anheben und später einsetzen lassen, Entlastung für Gering- und Durchschnittsverdienende, eine ernsthafte Erbschaftssteuer. Nicht schlecht, aber langweilig. „Warum fordern Sie nicht eine Robotersteuer?“, fragte ich damals einen SPD-Finanzpolitiker aus der Arbeitsgruppe. Die Antwort: „Hm.“ Schweigen. „Müsste man mal drüber nachdenken.“
Tatsächlich denken längst immer mehr Menschen darüber nach, den Staat eine Abgabe auf den Einsatz von Robotern erheben zu lassen, um damit dann die sozialen Transformationskosten der Automatisierung finanzieren zu können: zum Beispiel Microsoft-Gründer Bill Gates, Südkoreas Regierung, Post-Chef Frank Appel, das EU-Parlament, der US-Ökonom Robert Shiller.
Verstehen lässt sich unter einer Robotersteuer in der gegenwärtig diffusen Debattenlage vieles: Südkorea führe sie „als erstes Land der Welt“ ein, war im August in vielen Medien zu lesen. Tatsächlich, so schreibt The Korea Times, gehe Südkorea einen ersten Schritt auf dem Weg dahin. Faktisch hat die Regierung entschieden, ein Programm mit steuerlichen Anreizen gerade für den Einsatz von Automatisierung zu verlängern, die Innovationsförderung dabei aber um bis zu zwei Prozentpunkte zu senken; bisher können Unternehmen durch den Einsatz neuer Maschinen drei bis sieben Prozent an Körperschaftssteuer sparen, was wohl mit dazu geführt hat, dass Südkorea der International Federation of Robotics als das Land mit der höchsten Dichte an Industrierobotern gilt: 531 Einheiten kämen hier auf 10.000 Industriearbeiter, 301 sind es nach dieser Rechnung in Deutschland, 176 in den USA. Im Grunde fördert Südkorea es auch in Zukunft, wenn Roboter Menschen ersetzen. Nur mit etwas weniger Geld. Wenn das ein erster Schritt sein soll, dann ist es ein kleiner.
Ran ans Kapital
Die einfachste Beschreibung dessen, was eine Robotersteuer ist und soll, kommt in dem Satz zum Ausdruck, den die Wohlfahrtsorganisation Volkshilfe Österreich im vergangenen März 1.001 Menschen vorlegte: „Unternehmen, die Menschen durch Roboter ersetzen, sollten dafür Steuern zahlen.“ 78 Prozent stimmten zu.
Da war es schon bald ein Jahr her, dass Kurzzeit-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) mit einer „Maschinensteuer“ von sich reden gemacht hatte. Gegen seinen konservativen Koalitionspartner brachte er die Idee nicht durch, im Wahlprogramm der österreichischen Sozialdemokraten aber ist sie gelandet, in etwas erratischer Ausführung: „In Zeiten steigender Automatisierung“ schlägt die SPÖ „eine Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage des Familienlastenausgleichsfonds über den Faktor Arbeit hinaus“ vor. Jener Fonds speist sich aus Abgaben aus dem Bruttolohn der Arbeitnehmer und soll die unterstützen, die Nachwuchs großziehen, in Form des Kindergeldes etwa. Zudem wirkt er als Umverteilungsinstrument zwischen unteren und oberen Einkommensgruppen.
Die „Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage“ meint nun, diese Leistungen des Sozialstaates nicht mehr nur aus den Löhnen, dem Faktor Arbeit also, zu speisen, sondern aus mehreren Quellen, Abgaben auf den „Verbrauch fossiler Energieträger“ etwa, wie es im SPÖ-Programm heißt. Oder eben aus solchen für Unternehmen, die Menschen durch Roboter ersetzen, auch wenn die SPÖ diesen Aspekt nur indirekt artikulierte, mit folgendem Slogan in Mundart, der sich in der Programmbroschüre findet: „Jeder Mensch is wertvoller ois olle Roboter zaum.“
Solche einfachen, einleuchtenden Sätze machen bei 78 Prozent Zustimmung zur Robotersteuer Sinn; die Idee verfügt über erhebliches Mobilisierungspotenzial, wenngleich sie alles andere als ein Garant für sozialdemokratische Wahlsiege ist, wie das Resultat in Österreich zeigt.
Dass die SPÖ nur verhalten von einer Maschinensteuer spricht, Südkoreas Regierung nur einen kleinen Schritt wagt, die Sozialdemokraten in Genf krachend mit ihrer Forderung gescheitert sind, jede automatische Selbstbedienungskasse im Supermarkt mit 10.000 Franken pro Monat zu besteuern, all das hat einen Grund: Forderungen nach einer Robotersteuer sehen sich umgehend einer Rhetorik ausgesetzt, die diese als innovations-feindlich geißelt. Dann „hätten auch die landwirtschaftlichen Maschinen im 19. Jahrhundert mit einem hohen Satz besteuert werden müssen, damit weiterhin 90 Prozent der Bevölkerung auf den Feldern hätten arbeiten können“, schreibt die Neue Zürcher Zeitung.
Im 19. Jahrhundert allerdings hatten die Arbeiterinnen und Arbeiter noch nicht den Sozialstaat erkämpft, dessen Verteidigung die Befürworter der Maschinenabgabe heute im Sinn haben: „In den nächsten zehn Jahren werden Automatisierung und Digitalisierung eine massive Reduktion klassischer Lohnarbeit mit sich bringen. Deswegen müssen wir zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates weg von der alleinigen Besteuerung der Arbeit, hin zu einer breiteren Finanzierungsgrundlage kommen“, sagte Christian Kern. „Breitere Finanzierungsgrundlage“ meint nichts anderes als eine Verlagerung der Steuern und Abgaben weg vom Faktor Arbeit hin zum Faktor Kapital. Was Firmen mit vielen Mitarbeitern entlasten und solche mit wenigen, die Digitalkonzerne etwa, belasten würde. Und was im Zeichen des rückläufigen Anteils der Löhne am Volksseinkommen gegenüber dem der Einkommen aus Kapital sehr viel Sinn machen würde.
Kapitaleinkommen wären natürlich auch durch Erbschafts-, Vermögens- oder Finanztransaktionssteuern viel stärker in Verantwortung zu nehmen. Doch selbst wenn sich politische Mehrheiten hierfür ergeben, wie die rot-rot-grüne nach den Bundestagswahlen 2013 oder der Sieg François Hollandes 2012 in Frankreich, bleiben sie und der steuerpolitische Paradigmenwechsel dennoch stets in weiter Ferne.
Neid auf Roboter lässt sich aber gegen die Besteuerung von Kapital schwerer ins Feld führen als angeblicher Neid auf Vermögende. Wenn nun die Einnahmen für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sinken, weil immer weniger Menschen und immer mehr Roboter arbeiten, und die Verteidigung oder Ausweitung des Sozialstaates bis hin zu einem armutsfesten, bedingungslosen Grundeinkommen das Ziel sein soll, dann ist es logisch, jene Verluste durch eine Abgabe auf Automatisierung zu kompensieren. „Wir könnten die Pflege der Alten verbessern, kleinere Schulklassen realisieren und überhaupt all die Tätigkeiten stärken, für die menschliche Empathie nach wie vor unabdingbar ist“, sagte etwa Bill Gates in einem Interview mit dem Online-Portal Quartz.
Der Roboter, der ja nichts anderes ist als Kapital, dient dabei als vordergründige Zielscheibe einer Abgabe, die eigentlich seinem Besitzer gilt, dem Kapitalisten. Ob dabei nun am besten die Anschaffung eines Roboters, dessen Einsatz oder, wie es Post-Chef Appel vorschwebt, das von ihm hergestellte Produkt mit einer Abgabe belegt werden sollte – darüber könnte die hiesige SPD ja mal nachdenken.
Kommentare 9
"Wenn nun die Einnahmen für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sinken, weil immer weniger Menschen und immer mehr Roboter arbeiten, ..."
dann wird genausoviel oder gar mehr produziert/geleistet (Pflege!) wie vorher, so daß verteilbares Geld nachgeschöpft werden kann, ohne die Waren-/Leistungsdeckung aufzugeben oder über Gebühr in Anspruch zu nehmen. Dann muß die EZB & Co. (NCBs) auch keine Verrenkungen hinsichtlich Aufwertungs- (Währungsaußenwert) und Deflation (innere Aufwertung) mehr aufführen.
Und wir leiden ja auch nicht an zuwenig Geld beim Staat, den Sozialkassen usw., da noch nie soviele Leute arbeiteten wie jetzt, obgleich sagenhafte Automationsschübe durchs Land gingen.
Eher gibt es einen Ausgabestau, weil die Kapazitäten (betrifft alle Produktivfaktoren außer Kapital) am Limit sind, das durch - oft ja richtige, notwendige - Regulierungen, Bürgerbeteiligung u. ä., sowie durch Monopolisierung (auch von Arbeit!), verschlechtertes Bildungsniveau/Know-How u. v. a. m. gesetzt wurde und wird. Dieses nicht ausgegebene Geld "fehlt" natürlich dann auch wieder im Gesamtkreislauf bis hin zu den Steuern und Abgaben, und kürzt somit die Gesamtsituation um die visionäre Sphäre, wie sie unter "freien" Kapazitäten der 50ger-60ger Jahre hier, oder in den 60ger bis 80ger Jahren in den USA möglich war (Raumfahrt, IT, Genetik, ...)
Verfrühstückt hat man hier/in der EU z. B. eine hinreichende Führungsrolle in Sachen IT dagegen mit Subventionen des - so seit ca. 1970 obsoleten - hiesigen Kohlesektors.
Wie der FTS (Fin.-Tr.-aktions-St.) käme auch der MS/RS vor allem eine LENKUNGS-, kaum eine Finanzierungs-Funktion zu, was aber nicht nur bei Puschner überhaupt keine Rolle spielt, obgleich das schnell existenziell werden kann.
Köstlich, wenn nicht so traurig, war die Reaktion des Gerke-Instituts in München, das auf seiner Webseite um die Einsendung von Projektideen im Bereich WiFiPol gebeten hatte, zu meinem Exposee einer dyn. FTS, - BER, Köpenicker Verwaltung u. ä. waren nichts dagegen!
(der Steuersatz steigt/sinkt z. B. bei überkochendem F.-Umsatz, z. B. bei Aktienverkaufswellen, bei Aktien-Haussen jenseits eines KGV von 30 usw., automatisch, ermittelt sich realtime sekündlich aus den Handelssystemen. Unter einer STABILISIERTEN Fin.-W., zu der die DFTS ein Baustein wäre, könnte man die Verpflichtung der Lebensversicherer u. a. Klein- u. Mittel-Spar-/Anlage-Formen, der Gemeinwirtschaft etc. auf hohe Staatspapieranteile und geringe Aktienanlagen zurückfahren )
Der Normalrentner, der Pflegebedürftige mit wenig Geld wird mit Roboter reden und leben. Mit mehr Geld hat man eine Versorgung mit echten Menschen.
So kann es auch laufen. Wird schon daran gearbeitet und erste Modelle sind bereits da.
Reformkapitalismus heißt Umverteilung im System, dh Abschwächung des Einkommensgefälles zwischen Kapital und Arbeit, dh Abmilderung der Gemeinheiten des Systems, nicht dessen Abschaffung. Das ist selbstverständlich besser als gar nicht Eingreifen in das System. Die Sozialdemokratie mag also die Kapitalseite stärker belasten zugunsten des Allgemeinwohls, der Schwächeren, durch Steuern und Eingriffe in die Unternehmer-/Ausbeuterfreiheit.
Warum aber die Kapitalisten gerade da belastet werden sollen, wo sie die notwendige Arbeit reduzieren bzw. die Produktivkraft der Arbeit erhöhen, verstehe ich überhaupt nicht. Nach wie vor (zB körperliche Schwerstarbeit, repetitive Arbeitsvorgänge, gesundheitsbelastende, unfallträchtige Arbeit) ist es sinnvoll, Arbeit, die genau so gut oder besser von Maschinen verrichtet werden kann, auf diese zu übertragen, so daß menschliche Arbeitskraft für hochwertigere und befriedigendere Arbeit freigesetzt wird; daß die Gesellschaft dafür keine Verwendung hat, weil sie sich nicht profitabel ausbeuten läßt, ist das Problem dieser Gesellschaftsordnung. Was schlecht wäre, wäre der Maschinenersatz, der ein schlechteres Produkt erzeugt, aber entschieden billiger ist als der Mensch. Es ist jedoch die Eigentumsordnung, die das profitabel macht, kein echter Bedarf. Selbst in der Alten- und Krankenpflege kann man, wie Duvall oben schreibt, sinnvoll Roboter einsetzen – nur an die Stelle des Menschen Eliza oder einen sozialtechnologisch ausgeklügelteren Nachfolger zu setzen, ist eine Verhöhnung des Menschseins. Auch in der Schwäche- und Endphase der individuellen Existenz sollte man sich die Delegation der Menschenwürde an Maschinen verbitten.
Wir hatten die Diskussion bereits kürzlich:
Das Problem ist doch, dass eine fortgesetzte radikale Automatisierung weder viele Menschen in administrativen Bereichen - denn auch hier wird genauso automatisiert; auch die intellektuelle Arbeit - benötigt und damit erst recht nicht von körperlicher Arbeit Freigestellte befördern könnte. Ganz davon abgesehen, dass ein großer Anteil derer auch geistig/intellektuell einfach nicht die Kapazitäten hat und nicht einfach mal umgeschult werden kann. Es ist auch eine Mär a la FDP, dass ein verbessertes Bildungssystem uns eine Zukunft schafft, die fast ausschließlich Ingenieure, Doktores, Ärzte, Anwälte, Akademiker ... hervorbringe. Und, wie gesagt, selbst für die höher Ausgebildeten wird es mit einer fortgesetzten Automatisierung immer enger.
Es ist zweifellos ein Dilemma - denn natürlich ist die maschinelle Erleichterung, oder gar Ersetzung, gerade physisch beanspruchender Tätigkeiten ja kein verdammenswertes Ziel.
Danke für den Artikel. Die Maschinensteuer und die Bürgerversicherung müssen kommen. Am besten Weltweit.
Danke für den Artikel. Die Maschinensteuer und die Bürgerversicherung müssen kommen, am besten, weltweit.
In einer auf Effizienz ausgerichteten arbeitsteiligen Gesellschaft ist der Verzicht auf Automation widersinnig. Die vom Blog vorgeschlagene Automationssteuer führt weniger zur Umverteilung als zur Beibehaltung künstlich gegenüber dem Automateneinsatz billiger gehaltener Menschenarbeit (was in der globalisierten Welt schwer durchzuhalten ist). In einer nicht mehr völlig der Effizienz verpflichteten Gesellschaft, in der postkapitalistischen, kann es zu einer Entscheidung für mindereffiziente Menschenarbeit kommen, wenn die Arbeit selbst einen großen Wert hat und den Arbeitern keine wünschenswerteren Alternativen einfallen. Im Fall von unangenehmer, unerwünschter, gesundheitsschädigender oder substanzzehrender Arbeit ist es allerdings sinnvoll, sich auf andere Arbeit, die keineswegs höhere Qualifikationen erfordern muß, hin zu orientieren (das sollte man nicht schon als Zumutung empfinden); Arbeit für sich selbst, für die Kollektive, denen man sich verbunden fühlt, oder für nicht-äquivalent vergüteten Tausch, sozial nützliche Arbeit gibt es in Überfülle. Daß in der zukünftigen Gesellschaft nur noch hochqualifizierte geistige Arbeit zur Verfügung stehe, die dann von einer kleinen Gruppe von Spezialisten ausgeführt wird, ist eine falsche Vorstellung, die an die Kapitallogik der profitgenerierenden Lohnarbeit gebunden ist.
Ihre Vorstellungen zu einer "nicht mehr völlig der Effizienz verpflichteten Gesellschaft", einer "postkapitalistischen", teile ich voll und ganz.