Sammeln mit Simone Lange

Parteitag Die Linke will ihre Streitigkeiten beilegen. Derweil wirbt SPD-Mann Marco Bülow für Kooperationen
Ausgabe 24/2018
Gewonnen hat beim Linken-Parteitag in Leipzig am Wochenende niemand
Gewonnen hat beim Linken-Parteitag in Leipzig am Wochenende niemand

Foto: Christian Grube/Imago

Wäre Marco Bülow als SPD-Bundestagsabgeordneter nicht ausgelastet, die Linkspartei könnte ihn als Mediator einstellen. „Ich rede mit Katja Kipping, ich rede mit Jan Korte, ich rede mit Sahra Wagenknecht“, sagt Bülow bei einer Pressekonferenz seiner Progressiven Sozialen Plattform (PSP) am Dienstag. Dass manche Linke das nicht ebenso unbefangen tun, ist ihm schleierhaft. „Warum muss man mit Beißreflexen auf jemanden reagieren, der Neues versucht?“, fragt Bülow und meint mit „jemand“ nicht sich selbst und seine Fraktionskollegin Cansel Kiziltepe neben ihm auf dem Podium: Mehr als 5.000 Unterstützer hat die neue PSP nunmehr und soll Menschen in der sowie rund um die SPD sammeln, die Druck für deren Neustart machen wollen – Spitzenfunktionäre der Partei reagierten hierauf bisher meist mit Ignoranz.

Bülow meint Wagenknechts Sammlungsbewegung, der beißender Widerstand aus der Linken wie aus der SPD entgegenschlägt. „Es gibt viele neue Initiativen von links“, sagt Bülow. „Wir schließen die Zusammenarbeit mit keiner aus.“ Kiziltepe kann sich die Erarbeitung gemeinsamer inhaltlicher „Eckpunkte“ vorstellen und erinnert an das breite linke Bündnis, mit dem François Mitterrand einst die Präsidentschaftswahlen in Frankreich gewann.

Gewonnen hat beim Linken-Parteitag in Leipzig am Wochenende niemand. Kipping wurde mit 64,5 Prozent, zehn Prozent weniger als 2016, in ihre qua Satzung letzte Amtszeit als Parteichefin gewählt; ihr Wunschkandidat als Bundesgeschäftsführer, Jörg Schindler, setzte sich zwar gegen Frank Tempel aus Thüringen durch, allerdings mit gerade einmal drei Stimmen mehr. Der parlamentarische Geschäftsführer Korte wird künftig noch mehr damit zu tun haben, die Bundestagsfraktion zusammenzuhalten – Kritik am 2015 geschmiedeten Hufeisen-Bündnis an der Spitze, zwischen dem Wagenknecht-Lager und Reformern um Dietmar Bartsch, wurde laut.

Wagenknecht indessen erntete für ihre Rede Applaus wie Buhrufe und scheiterte zunächst mit ihrem Appell, sich nicht mit Differenzen über die Nicht-Regulierung von Arbeitsmigration aufzuhalten, stattdessen gemeinsam gegen jede Asylrechts-Verschärfung wie gegen den entfesselten Kapitalismus zu kämpfen: Der Parteitag schob eine 60-minütige Debatte über Migration ein. In der aber entlud sich nicht nur Wut – derer, die der Fraktionschefin am liebsten Interviews verbieten würden, wie derer, die sich über ihre Diffamierung als Nationalistin empören. Zu hören waren auch Stimmen wie die des Lehrers und Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann: „Wenn man Viertklässlern beibringen kann, dass man sich zusammenraufen und ein gutes Team bilden kann, muss uns das als Partei doch auch möglich sein.“

Ausgeschlossen ist das nicht: Kipping, Wagenknecht, Fraktions-Co-Chef Dietmar Bartsch und Bernd Riexinger – mit 74 Prozent, also fünf Prozent Verlust gegenüber 2016 in die Parteispitze wiedergewählt – einigten sich auf eine Formalisierung der Debatte: Es soll eine Klausur- sowie eine Fachtagung zur Migrationspolitik geben.

Die Linke könnte sich auch ein Beispiel an der Progressiven Sozialen Plattform nehmen. Die legte am Dienstag ein erstes Papier vor, das sich einzig und allein auf Wege aus der Ungleichheit in Deutschland konzentriert. Zehn Forderungen, gespeist aus Beiträgen von der Basis, versammeln unter dem Titel „#Sozialstart jetzt“ etwa den Vorrang für gemeinwohlorientierte Wohnungsbauträger, den Ausstieg aus Hartz IV durch ein Ende der Sanktionen, die Verdopplung des Schonvermögens und einen sozial-ökologischen Umbau. Von Ende Juni an lädt die Plattform zu sechs Terminen auf ihrer Deutschland-Tour in verschiedenen Städten. Unterstützerin ist nun auch Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange, die bei der Wahl zur SPD-Chefin zwar Andrea Nahles unterlag, dabei jedoch die Hoffnung vieler auf eine Auferstehung der Sozialdemokratie nährte.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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