Syriza lässt Europa atmen

Griechenland Vor den Wahlen spüren Linke auf dem ganzen Kontinent, dass es möglich ist, die bleierne Bürde der Alternativlosigkeit zur Austerität abzuwerfen
Ausgabe 03/2015
Alexis Tsipras (links, mit Martin Schulz) könnte für einen Wandel der EU-Krisen-Politik sorgen
Alexis Tsipras (links, mit Martin Schulz) könnte für einen Wandel der EU-Krisen-Politik sorgen

Foto: Georges Gobet/AFP/Getty Images

Europa zittert vor den Wahlen in Griechenland am 25. Januar: Neoliberale aus Angst vor einer Regierungsübernahme durch Syriza und linke Wissenschaftler, Gewerkschafter und Politiker vor Aufregung, dass nun endlich die Möglichkeit für eine andere Krisen-Politik in der EU entstehen könnte. Es geht um nichts weniger als eine Richtungsentscheidung.

Ein Neuanfang ist auch dringend erforderlich. Denn die humanitäre Katastrophe, die nun manch ein Ökonom für den – stark hypothetischen – Fall eines griechischen Ausstiegs aus dem Euro prophezeit, ist längst Realität. Die Wirtschaftsleistung ist eingebrochen, die industrielle Basis zerstört, die Arbeitslosigkeit liegt auf Rekordhöhe, und das Gesundheitssystem ist erodiert.

Ein schnelles Ende dieser Zustände kann freilich auch Syriza nicht garantieren. Doch die konstant guten Umfragewerte der Partei sind für viele Griechen so etwas wie ein Silberstreifen am Horizont. Europa spürt, dass es möglich ist, die bleierne Bürde der Alternativlosigkeit zur Austeritätspolitik endlich abzuwerfen.

Nichts verdeutlicht dies so sehr wie der pragmatische Umgang Syrizas mit den Staatsschulden von 322 Milliarden Euro. Das entspricht 175 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Griechenland wird diesen Betrag nie zurückzahlen können, darauf verweist nicht nur Alexis Tsipras, sondern auch deutsche Ökonomen und der Internationale Währungsfonds. Am vergangenen Wochenende hat sogar die EU-Kommission diese Einsicht erkennen lassen.

Aber bevor es darum gehen kann, sich endlich den Realitäten zu stellen und den Aufbau der griechischen Wirtschaft anzugehen, braucht es ein politisches Mandat. Dass die griechischen Wähler es geben, ist die Voraussetzung für den notwendigen zweiten Schuldenschnitt nach dem Krisenjahr 2012. Wenn Syriza hierfür an den Erlass von Forderungen gegenüber Nachkriegsdeutschland von 1953 erinnert, dann ist das kein Populismus. Es ist vielmehr ein Verweis auf historisch-ökonomische Tatsachen.

Ein Populist wäre Alexis Tsipras erst dann, wenn er nach einem Wahlsieg nicht sofort mit den angekündigten harten Reformen beginnen würde: Maßnahmen gegen Korruption und Steuerhinterziehung der griechischen Eliten hat das Land dringend nötig.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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