Viel Spaß, Armin Laschet oder Friedrich Merz

CDU Annegret Kramp-Karrenbauer tritt von Parteivorsitz und Kanzlerschaftsambitionen zurück. Auf ihre mutmaßliche Führungsschwäche zu verweisen, greift zu kurz
Kramp-Karrenbauers Rücktritt zeugt von der Zerrissenheit einer Partei, die zu kitten sich auch jedweder Nachfolger schwer tun wird
Kramp-Karrenbauers Rücktritt zeugt von der Zerrissenheit einer Partei, die zu kitten sich auch jedweder Nachfolger schwer tun wird

Foto: Carsten Koall/Getty Images

Was so ein Bundesland mit nur etwas mehr als zwei Millionen Einwohnern alles ins Rutschen bringen kann: Nach den Thüringen-Eruptionen der vergangenen Tage hat Annegret Kramp-Karrenbauer an diesem Montag im Parteipräsidium angekündigt, nicht als Kandidatin der Union für die Kanzlerschaft anzutreten. Den CDU-Parteivorsitz will sie im Sommer abgeben, Verteidigungsministerin soll sie bleiben.

Vielfach wird dies nun als Folge ihres Mangels an innerparteilicher Autorität kommentiert werden. Bis tief in die Nacht hatte Kramp-Karrenbauer jüngst dem Thüringer Landesverband ihrer Partei klare Ansagen zu machen und ihn auf Neuwahlen in dem Bundesland festzunageln versucht – bisher erfolglos. Konservative Landespolitiker beharrten darauf, ihre Unterstützung für FDP-Mann Thomas Kemmerich bei der Wahl zum Ministerpräsidenten und die Inkaufnahme der Notwendigkeit von AfD-Stimmen dafür decke sich vielfach mit der Stimmung an der Basis der Partei, gerade in ländlichen Regionen. Das Unvereinbarkeitsdiktum der Parteizentrale in der Hauptstadt stoße dort oft auf völliges Unverständnis.

Doch es geht hier nicht einfach darum, dass sich eine Parteichefin als durchsetzungsschwach erweisen würde. Kramp-Karrenbauers Schicksal zeugt vielmehr von der Zerrissenheit einer Partei, die zu kitten sich auch jedweder Nachfolger schwer tun wird. Diese Zerrissenheit hat die CDU nicht exklusiv – sie ist vielmehr die einzige Konstante in einem umbrechenden Parteiensystem. SPD und Linke können aus jüngster Vergangenheit ein Lied davon singen, wie es ist, wenn der Kitt so richtig porös wird und die Lager auseinanderfliegen. Die FDP erfährt gerade, dass selbst die größte inhaltliche Beliebigkeit nicht davor schützt, dass innerhalb einer Partei der eine dies und die andere etwas ganz anderes will.

Es gibt kein Zurück

Das inhaltliche Auseinanderbröckeln hat zuletzt keine Person von Format zu überdecken vermocht – nicht Martin Schulz, nicht Andrea Nahles, nicht Sahra Wagenknecht, nicht Christian Lindner. Und so sind auch weder Armin Laschet noch Friedrich Merz an der CDU-Spitze Garanten dafür, dass eine gute alte Kanzlerpartei-Zeit zurückkehren mag.

Man kann sich ja mal den Aachener Laschet in der Erfurter Nacht vorstellen – hätte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident die Thüringer Parteifreunde wohl zur Räson in Form von einer allumfassenden Abgrenzung zur AfD gebracht?

Sicher, bei Friedrich Merz hätte der ein oder andere ostdeutsche CDU-Abgeordnete, der schwer an der Entwicklung seiner Partei weg von alten, konservativen Kerninhalten leidet, wohl eher leuchtende Augen bekommen, wäre er zur Krisensitzung herbeigeeilt. Aber wofür steht Merz denn? „Ich bin unverändert der Auffassung, dass wir bis zur Hälfte der AfD-Wähler zurückgewinnen können“, schrieb er jüngst. „Wir müssen aber aufpassen, dass sich die Strukturen der AfD in den Parlamenten nicht verfestigen. Wenn das geschieht, wird es für die Union schwierig.“ Die Zukunftsform ist hier die falsche: Die AfD-Strukturen haben sich längst verfestigt, es ist lange nicht mehr so schwierig für die Union gewesen. Was würde der langjährige Aufsichtsratschef von Blackrock Deutschland – würde er als Praktiker mit diesen Realitäten konfrontiert – tun? Von links fürchten viele: Mit ihm würde der Dammbruch von Erfurt kein einmaliger bleiben und die Abgrenzung der CDU zur AfD endgültig der Vergangenheit angehören.

Schwarz-Grün mit Merz?

Selbst wenn sich ein Laschet oder ein Merz als „durchsetzungsstark“ erweisen würden – setzt der erstere einen liberaleren Kurs durch, rennen der CDU weiter die Rechtskonservativen weg, garantiert der zweitere ein rechtskonservatives Profil, flieht der liberalere Teil der Partei – zu den Grünen, vielleicht zur SPD. Gar nicht erst zu reden davon, wie viel schwieriger eine avisierte schwarz-grüne Mehrheit im Bund mit Merz an der Spitze der Union zu realisieren wäre.

Selbst ein Markus Söder, so souverän er gerade agieren mag, wäre als Kanzlerkandidat kein Garant für ein Ende des Bebens, das die Union erfasst hat. Seine Souveränität gründet in hohem Maße auf den speziellen Verhältnissen in Bayern, nicht zuletzt auf der dortigen Parlamentsexistenz der Freien Wähler, die der CSU die Macht sichert.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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