Wer soll das alles bezahlen?

Wirtschaft Die Reichen berappen weiter den Soli, die Schuldenbremse wackelt, und nun winkt die SPD mit der Vermögenssteuer. Da geht was voran in Deutschland
Ausgabe 35/2019

Dieser Tage in einer Kneipe, der Wirt ist kein SPD-Wähler, aber er sagt: „Vermögenssteuer! Soli-Abschaffung nicht für die Reichen! Die SPD macht sich langsam wieder.“

Kann es wirklich sein, dass die SPD sich wieder macht, was in diesem Fall heißen würde, dass die Hegemonie des Steuerpopulismus der Liberalen, Konservativen und Rechten fällt? Dass es viele gut finden, wenn nun der allgemein übel beleumundete Solidaritätszuschlag abgeschafft wird, aber eben nicht für die 4,5 Prozent der Steuerzahler, die die höchsten Einkommen beziehen? Nun, zumindest zeigt eine repräsentative Befragung von 5.033 Menschen durch das Meinungsforschungsinstitut Civey, beauftragt von der liberal-konservativen Welt: 58 Prozent befürworteten den Vorschlag der SPD zur Vermögenssteuer, 42 Prozent fanden ihn sogar „sehr positiv“.

Ob die Befragten das entsprechende SPD-Papier wohl gelesen hatten? Zu empfehlen ist die Lektüre allemal, wenngleich einiges Konkrete noch fehlt; von welcher Vermögenshöhe an der Steuersatz von mindestens einem Prozent greifen soll, verrät die Partei noch nicht. Aber sie will ja auch zunächst nur „die weitere notwendige Diskussion zur gerechten Besteuerung von Vermögen anregen“. Der Zeitpunkt dafür ist gut gewählt: Nicht die Hoffnung, ihre Verluste bei den nahen Landtagswahlen noch ein wenig zu minimieren, dürfte die SPD antreiben. Vielmehr naht der Punkt, von dem an der Grund wegfällt, aus dem das Bundesverfassungsgericht 1995 die Erhebung der Vermögenssteuer aussetzte.

Dieser Grund war ja nicht etwa, wie es vor allem Liberale gern suggerieren, dass die Vermögenssteuer bösen Neid auf Reiche exekutiere. Sondern dass ihre Erhebung unfair ausfiel – wessen Vermögen vor allem aus Immobilien bestand, der kam viel besser weg als andere, weil die Bewertung des Immobilienbesitzes auf völlig veralteten und zu niedrigen Werten beruhte. Diese Bewertung müssen Bund und Länder nun schleunigst aktualisieren, damit nicht die Erhebung einer anderen, für die Kommunen wichtigen Steuer vom Bundesverfassungsgericht ausgesetzt wird: die der Grundsteuer. Bis Ende 2019 muss eine Neuregelung verabschiedet und von 2025 an angewendet werden. Für diese Zeit bringt sich die SPD in Stellung. Denn ist die Angelegenheit mit der Immobilienbewertung geregelt, könnte auch die Vermögenssteuer wieder erhoben werden.

Allerdings sollte man auf die nicht allzu große Hoffnungen setzen. Jedes Jahr aufs Neue das Geldvermögen, die Versicherungen, wertvollen Sammlungen und den Immobilienbesitz der Reichen zu vermessen, davon das Betriebsvermögen zu unterscheiden, welches in Teilen womöglich verschont bleiben soll, um nicht Arbeitsplätze zu gefährden – all das ist irre aufwendig. Darum gilt es manchem Ökonomen als lohnender, dort zuzugreifen, wo das Kapital nicht allzu mobil ist, gegenüber Beamten des Staates also versteckt, verschoben und verrechnet werden kann – bei Erbschaften etwa, die ja nur ein einziges Mal anfallen, oder bei Grundbesitz.

Schimmelnde Schulen

Dennoch ist der SPD-Impuls zu begrüßen. Es hat sich nämlich etwas gedreht in der Debatte: Diese dominiert nicht mehr so sehr die Mär vom gierigen Staat, der angeblich fleißigen Facharbeitern ihre Ersparnisse wegnehmen will. Virulenter ist heute Deutschlands riesiger Investitionsbedarf: Jeder kennt aus eigener Anschauung die schimmelnden Schulen und bröckelnden Brücken. Spürt, was der demografische Wandel verlangt: die Pflege der Alten endlich angemessen zu bezahlen und die Integration von Einwanderern zu organisieren. Regionale Disparitäten stehen in krassem Gegensatz zum Verfassungsgrundsatz der gleichwertigen Lebensverhältnisse – viele zieht es in die Städte, was dortige Verteilungskämpfe zuspitzt. Derweil mag hier und da in der Peripherie ein Soli-sanierter Autobahnabschnitt glänzen – schnelles Internet gibt es nicht, der Weg zum Orthopäden oder Kinderarzt wird immer weiter. Gar nicht erst zu reden von den Milliarden, die die Transformation diverser Sektoren angesichts des Klimawandels verlangt. Es gibt so viel zu tun – und so viel zu bezahlen.

Wenn deshalb nun sogar Arbeitgeber-nahe Ökonomen von der Schuldenbremse abrücken, die SPD den Soli für die oberen 4,5 Prozent erst mal sichert und wie Linkspartei und Grüne lauter über jene spricht, denen es nicht wehtut, ein Prozent ihres Vermögens einzubringen, dann lässt sich durchaus sagen: Die SPD macht sich wieder.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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