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Ressourcen
So werden wir uns von Öl und Kohle lösen
Transition Town
Zum Beispiel Eberswalde: Ohne Öl und Kohle lief in der 40.000-Einwohner-Stadt in Brandenburg bis vor drei Jahren kaum etwas. Doch seither ist Eberswalde „Transition Town“ – eine Stadt im Wandel. Völlig unabhängig von fossilen Rohstoffen zu werden ist nun das Ziel. 500 Städte weltweit versuchen das und gehören damit zur sogenannten Transition-Bewegung.
Die Eberswalder haben Gemeinschaftsgärten angelegt, um Lebensmittel nicht mehr über weite Strecken importieren zu müssen. Eine offene Werkstatt und ein Tauschring sollen den Ressourcenverbrauch für immer wieder neue Konsumgüter eindämmen. Gegen Spende kann jeder das eigens gebaute Lastenfahrrad ausleihen, um sich so das Auto zu sparen. Eine Initiative arbeitet daran, die Energieversorgung des ganzen Landkreises schnellstmöglich komplett auf Erneuerbare umzustellen.
Genau das ist der Charme der Transition-Town-Bewegung: Die Macher wollen gar nicht erst an den großen globalen Zusammenhängen verzweifeln, um sich von Öl und Kohle lösen zu können. Sie versuchen es gleich vor Ort: in der eigenen Stadt oder Kommune. Eberswalde eben. Einer der Initiatoren der Idee, Rob Hopkins, hat vor kurzem ein Buch mit dem Titel geschrieben: Einfach. Jetzt. Machen!
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Unternehmen
So erkennen wir, ob Unternehmen gerecht sind
Gemeinwohlbilanz
Ein Steuerberater erhöhte sofort das Gehalt seiner Sekretärin, nachdem er zum ersten Mal einen Blick auf jene Gemeinwohlbilanz warf, die er für seine Kanzlei hatte erstellen lassen. Sie zeigte ihm nämlich an, dass das, was seine Mitarbeiter verdienten, sehr weit auseinanderklaffte. Zu weit. Und so tat der Steuerberater etwas für den Wohlstand und die Motivation seiner Sekretärin.
Eine Gemeinwohlbilanz macht viel mehr sichtbar als bloß die Umsatzzahlen herkömmlicher Geschäftsberichte. Sie untersucht die Beziehungen einer Firma zu ihrer Umwelt nach folgenden fünf Werten: Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Mitbestimmung. Diese bilden dann eine Bewertungsmatrix mit den Bezugsgruppen des Unternehmens: Lieferanten, Geldgeber, Mitarbeiter und Eigentümer, Kunden und das gesellschaftliche Umfeld. Am Ende stehen wieder Zahlen: Minus- und Pluspunkte für ökologische Auswirkungen oder innerbetriebliche Demokratie.
Wir finden, dass eine solche Gemeinwohlbilanz Grundlage für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Kredite sein sollte.
Mehr Infos unter: ecogood.org
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Produktivität
So werden wir selbstbestimmter arbeiten
Grundeinkommen
Es ist der bisher größte Feldversuch in Deutschland: Drei Grundeinkommen à 12.000 Euro pro Jahr hat ein 29-jähriger Berliner in diesem Sommer per Crowdfunding organisiert und unter allen Bewerbern verlost. Jetzt geht es los. Aber wie werden die Gewinner ihr Jahr verbringen?
Wir wagen mal eine Prognose: Sie werden kreativ und produktiv sein wie selten zuvor. Denn ein bedingungsloses Grundeinkommen auf existenzsicherndem Niveau macht Schluss mit der lähmenden Angst um die eigene Existenz, die uns in Arbeit treibt, deren Sinn wir oft nicht sehen. Genau das braucht unsere Gesellschaft: Zeit für soziale Innovationen! Für Antworten auf Fragen wie die, wer ohne Existenznöte unsere Kinder betreuen und unsere Alten pflegen soll.
In der Schweiz steht derweil eine Volksabstimmung über die Einführung des Grundeinkommens an. Politik, Arbeitgeber, Gewerkschaften, sie alle leisten weiter erbitterten Widerstand. Aber die Zeit des Grundeinkommens wird kommen.
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Jobs
So schaffen wir endlich Beschäftigung für alle
Arbeitszeitverkürzung
Es war John Maynard Keynes’ größter Irrtum: In 100 Jahren, schrieb der britische Ökonom im Jahr 1930, würden seine Enkel nur noch drei Stunden pro Tag arbeiten, weil das Wachstum von Produktivität, Fortschritt und Vermögen dies ermöglicht haben werde.
Gewachsen ist unsere Wirtschaft tatsächlich noch viel mehr, als Keynes es erwartet hatte. Doch von jener 15-Stunden-Woche sind wir weit entfernt: Wer in Deutschland einen Vollzeitjob hat, arbeitet in der Regel 39 Stunden. Gleichzeitig sind drei Millionen Menschen arbeitslos, dazu viele in ungewollter Teilzeit.
Mehr Muße für alle und Arbeit für die, die keine haben – das erreicht man nur über eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung, und zwar bei vollem Lohn- und Personalausgleich: Keiner verliert Einkommen, kein Job wird abgebaut, denn Arbeitszeitverkürzung ist Umverteilung. Sie funktioniert nur, wenn die alljährlichen Zuwächse bei Produktivität und Preisen den Arbeitnehmern zugutekommen. Und nicht wie heute den Gewinnen und Vermögen der Unternehmen.
Wir meinen, es ist höchste Zeit, dass sich die Gewerkschaften endlich dieser Forderung annehmen. Nach dem Mindestlohn sollten sie das zu ihrem nächsten großen Projekt machen.

Illustration: Heiko Windisch für der Freitag
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Steuer
So lässt sich Umverteilungfinanzieren
Transparente Einheitsabgabe
Das ist bekannt: Wer bei Amazon bestellt, erhält seine Rechnung aus Luxemburg. So spart der Konzern Steuern, prellt das Gemeinwesen, dessen Infrastruktur er nutzt, und ist damit in bester Gesellschaft. Siehe Ikea, Google, Starbucks und andere.
Weniger bekannt aber ist das Gegenmodell: die Gesamtkonzernsteuer. Seit den 1930er Jahren schon wird sie von Experten diskutiert. Heute kämpft das Tax Justice Network für die Einführung der „Unitary Taxation“. Sie sieht vor, dass Unternehmen in ihren Steuererklärungen alle Aktivitäten und Daten in einzelnen Ländern sowie ihren globalen Umsatz offenlegen. Auf dieser Grundlage berechnet ein Staat gemäß dem nationalen Steuersatz, wie viel ein Unternehmen dort zahlen muss. Ausschlaggebend dafür ist, wie viel Kapital, Arbeitsplätze und Umsätze das Unternehmen in dem jeweiligen Staat hat, ob selbst oder in Form von Tochterfirmen.
In etlichen US-Bundesstaaten ist die Unitary Taxation seit Jahrzehnten Usus, und sogar die EU-Kommission hat zumindest eine Ultra-Light-Version per Richtlinie verabschiedet. Die harrt allerdings seit zwei Jahren einer Entscheidung.
Mehr Infos unter: taxjustice.net
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Eigentum
So ist Share Economy gut und richtig
Nachbarschaft
Das Prinzip der „Share Economy“ hat mit den Gründern der Taxiapp Uber und des Ferienwohnungsportals Airbnb inzwischen ziemlich starke Fürsprecher. Kein Wunder: Sie beschwören den Paradigmenwechsel vom Konsumieren zum Teilen und verdienen daran als kommerzielle Vermittler prächtig mit.
Das Schweizer Projekt „Pumpipumpe“ vermittelt auch, aber ohne Gebühr und nur in der Nachbarschaft. Per Internet werden kostenlos Aufkleber von allen möglichen Sachen vertrieben: Bohrmaschine, Schlauchboot, Beamer, Zeitung, Fahrrad und WLAN. Später klebt man diese Aufkleber dann auf seinen Briefkasten – und bietet die Sachen so den Nachbarn zur Mitnutzung an. Das geht in Berlin, Hamburg, München, Backnang oder Riesa genauso. Und schön sind die Aufkleber auch noch.
Mehr Infos unter: pumpipumpe.ch
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Konsum
So werden wir keinen Müll mehr produzieren
Cradle-to-Cradle
Manch einer mag Bohrmaschine, Fahrrad und Zeitung nicht mit den Nachbarn teilen (siehe: Share Economy). Selbst wenn sich so die exzessive Ausbeutung von Rohstoffen zum Zweck der Massenproduktion eindämmen ließe. Die Entwickler von „Cradle-to-Cradle“ („Von der Wiege zur Wiege“) haben dafür eine Lösung. Ihr Produktionsprinzip soll Abfall und Umweltverschmutzung überflüssig machen. Jedes Gebrauchsgut wollen sie so herstellen, dass es unendlich oft wiederverwendet werden kann oder komplett kompostierbar ist. Dafür suchen sie für jedes Produkt die idealen Materialien und kombinieren diese zu einem Kreislauf.
Cradle-to-Cradle steht für einen Paradigmenwechsel in der Güterproduktion: Noch regiert vielerorts die Obsoleszenz, mit der Firmen die Lebensdauer eines Produktes absichtlich verkürzen. So stellen sie sicher, dass jeder Konsument bald wieder ein neues Produkt kaufen muss.
Das Prinzip funktioniert. Die Menschen hinter Cradle-to-Cradle, der Chemiker Michael Braungart und der Designer William McDonough, können bereits auf eine große Produktpalette verweisen: essbare Sitzbezüge für Flugzeuge, Putzmittel, Möbel, Elektrogeräte und ein in großen Teilen recycelbares Containerschiff.
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Finanzmarkt
So entmachten wir die großen Banken
Genossenschaft
Sorry to say, aber die Zukunft des Bankwesens liegt nicht in Frankfurt/Main, London oder New York. Sondern in Wien. Dort nämlich wird gerade ein Vorläufer der ersten demokratischen Bank gegründet. Eine Genossenschaft, die aber zur direktdemokratischen Übernahme bereitsteht.
Nach dem Konzept für ein demokratisches Bankensystem stimmen wir künftig nicht nur über Parlamente, sondern auch über Vorstand und Aufsichtsrat der Demokratischen Bank unserer Kommune ab. Ihre Aufgabe verankert ein Volksentscheid in der Verfassung: kostengünstige Kreditvergabe an den Staat und für private Investitionen, die ökologischen und sozialen Mehrwert erwarten lassen, kostenlose Girokontos für alle und unbeschränkte Garantien aller Spareinlagen. Letzteres garantiert die Zentralbank, denn die Demokratische Bank ist too essential to fail.
So eine Bank tätigt keine Geschäfte mit Aktien, Derivaten oder Rohstoffen. Wozu auch? Sie muss solide wirtschaften, ist aber frei von Profit-Interesse. Sie soll einfach Geld zwischen Sparern und Kreditnehmern vermitteln.
Mehr Infos unter: mitgruenden.at
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Handel
So organisieren wir die Weltmärkte besser
Protektionismus
Bei dem Wort Protektionismus läuft vielen ein kalter Schauer über den Rücken. Sie denken an Handelsschranken, Schutzzölle, Einfuhrkontingente. Für viele Unternehmen der blanke Horror. Regierungen verwehren ihnen Zugang zu Absatzmärkten, um lokale Produzenten und Produkte zu schützen.
Aber dieser Schutz ist nötig, um Arbeitnehmer- und Verbraucherrechte, Lebensmittelstandards und Gentechnikfreiheit, eine Daseinsvorsorge unter demokratischer Kontrolle und einen Rechtsstaat, den nicht internationale Investitionsschutzabkommen aushebeln, zu sichern. Wer meint, Schutzbarrieren würden die Wirtschaft zerstören, der muss wissen: Unsere Wirtschaft funktioniert viel lokaler, als es die Fixierung auf den Export suggeriert. Weit mehr als zwei Drittel dessen, was wir in Deutschland konsumieren, werden auch hier produziert.
Um diesen Schutz geht es dem Bündnis, das die EU-Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada verhindern will. Am 11. Oktober rufen die Initiatoren zum europaweiten Aktionstag.
Mehr Infos unter: stop-ttip-ceta-tisa.eu
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Ethik
So finden wir heraus, was wir wirklich brauchen
Neue Glücksdefinition
Alle Ideen und Visionen für eine neue Wirtschaft werden nur Projekte bleiben, wenn wir nicht beantworten, wozu das Ganze gut sein soll. Ökonomisches Handeln braucht ein ethisches Fundament, damit wir alle endlich verstehen, ein Markt, aus dem jeder für sich nur das Beste herausholen will, ist ein schlechter Markt. Wie aber ist diese destruktive intellektuelle Einfalt zu überwinden? An Vorschlägen mangelt es nicht. Einer der überzeugendsten ist der der beiden Briten Robert und Edward Skidelsky in ihrem Buch Wie viel ist genug?. Vater Robert ist Wirtschaftshistoriker und Politik-Veteran, sein Sohn Edward lehrt Philosophie an der Universität Exeter.
Der Untertitel des Buches, Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens, ist Programm, ihr Ansatz ein starkes Stück: Die Skidelskys machen einen konkreten Vorschlag, was gutes Leben ist, und überlassen diese Frage nicht mehr den Individuen, dem Markt oder irgendeiner anderen Chimäre. Gesundheit, Respekt, Sicherheit, Harmonie mit der Natur, Freundschaft, Muße und persönliche Autonomie – that’s it. All das ist gut an sich und der Staat ist in der Pflicht, es paternalistisch, aber ohne Zwang für jede und jeden, zu realisieren.
Darüber kann, ja, muss man streiten. Aber allein wenn solch ein Streit im öffentlichen Raum die geistige Ödnis des neoliberalen Mainstreams ein wenig beiseitedrängte, wäre viel erreicht.
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