Die Opposition hatte im Bundestag gerade den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss beantragt, es blieben einige Wochen bis zu dessen erster Sitzung im Februar 2016, da mailte der „Exekutivdirektor Bankenaufsicht“ der Bafin, der obersten Finanzaufsicht des Landes, an Kollegen: „Da muss sich mal jemand einlesen in das Thema.“ Das Thema: Cum-Ex – Finanzkriminalität, wie es sie in diesem Ausmaß hierzulande noch nicht gegeben hat; auf zehn Milliarden Euro taxieren Bündnis 90/Die Grünen und der Steuerexperte Christoph Spengel den Schaden für den Staat. Wie dessen Politik- und Verwaltungsapparate mit dem Skandal lange umgegangen sind, das illustriert jene Bafin-Mail von Ende 2015 vortrefflich. Dafür, dass sich dieser Umgang geändert hat, haben etliche Whistleblower gesorgt – und die Grünen-Fraktion als einzige wirklich treibende Kraft hinter dem Untersuchungsausschuss, der seine Arbeit bald beendet.
Dessen Mitglieder aus den übrigen Fraktionen hielten es in den 20 öffentlichen der bisher 43 Sitzungen eher mit der Bafin: mal einlesen, ja. Das Fragerecht nutzen, um Banker, Beamte und Berater bis zur letzten Sekunde mit sachkundigem Nachbohren in die Mangel nehmen – eher nein. Im Falle von Union und SPD ist das leicht zu erklären – sie deckten jene, in deren politische Verantwortung Cum-Ex fällt, Wolfgang Schäuble und Peer Steinbrück. Dagegen war bei der Linksfraktion eine Diskrepanz augenscheinlich: die zwischen großen und richtigen finanzpolitischen Slogans auf der einen und mangelhaftem faktischem Engagement auf der anderen Seite. Die personellen Ressourcen einer kleinen Fraktion sind begrenzt, ja. Doch wenn es darauf ankommt, muss sie sie investieren.
Und im vergangenen Jahr kam es darauf an – nie war in der Öffentlichkeit präsenter, wie die Profiteure des sich eisern haltenden Finanzkapitalismus riesige Aktienvolumina cum und ex Dividende hin- und hertransferierten, um sich einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach rückerstatten zu lassen. Wie Professoren mit Auftragsgutachten, die sie später als Fachaufsätze veröffentlichten, dem Modell eine Legalität attestierten, die nach heutiger Rechtsprechung nichts war als Schein. Wie der Bankenverband einen Gesetzesentwurf wörtlich mitschrieb, der jene Scheinlegalität aufrechterhielt sowie die Geschäfte über das Ausland erst explodieren ließ. Und wie, als die Abzocke ruchbar wurde und Fahnder sich endlich an die Strafverfolgung machten, dann einzelne Beamte Amtshaftungsklagen auf ihren Namen zugestellt bekamen – als wüssten die verantwortlichen Anwälte der Cum-Ex-Drahtzieher nicht, dass Amtshaftung stets gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht werden muss. Die Einschüchterung fand sogar am Telefon statt, so schilderten es die Zeugen im Ausschuss.
Whistleblower wie der Ex-Chef der Steuerabteilung der Hypovereinsbank verloren ihren Job – weswegen ein Schutzgesetz für Mutige wie ihn überfällig ist. Der Staat braucht Verbündete, will er zumindest in die Nähe eines Kräftegleichgewichts mit der Finanzindustrie kommen. Vor allem aber braucht er Personal in der Breite, um Machenschaften wie Cum-Ex und Cum-Cum – eine andere Spielart des Dividendenstrippings, deren Kosten sich noch nicht beziffern lassen, absehbar aber ein Mehrfaches von zehn Milliarden betragen – früh identifizieren und stoppen zu können. Heute aber fehlen, so hat es die Böckler-Stiftung jüngst analysiert, allein in den Finanzverwaltungen der Länder 35.000 Vollzeitkräfte.
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