Der Kampf gegen die zunehmende Radikalisierung, gegen die Verrohung des Umgangstons und damit gegen brennende Flüchtlingsunterkünfte, ist auch ein Kampf um den Wert und die Wirkung von Nachrichten und Bildern. Genau genommen also um deren Status. Nichts anderes bedeutet die Rede von der sogenannten Lügenpresse. Wenn nahezu der gesamte Medienapparat von einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe in Frage gestellt wird, verliert die demokratische Öffentlichkeit ihrer wichtigsten Mittel – Aufklärung, Aufdeckung, Investigation. Zum Thema Lügenpresse wurden unzählige Artikel geschrieben. Wie immer gibt es darunter bessere und schlechtere. Georg Seeßlen ist mit seinen tiefgründigen Analysen im Freitag und in der Jungle World in neue Tiefenschichten vorgestoßen. Eine der zentralen Aussagen: Nachrichten haben sich von der Wirklichkeit immer mehr entfernt, erschaffen vielmehr eigene Wirklichkeiten und dienen lediglich der Bestätigung und Konstruktion einer eigenen Weltsicht.
Die goldene Regeln: Komplexitätsreduktion und Emotionalität
Dies beginnt bereits mit den Kernelementen des heutigen Journalistenhandwerks – goldene Regeln vor allem für den Fernsehmacher: Ein Beitrag muss zugänglich sein und eine emotionale Geschichte erzählen. Am Ende wird der Inhalt einer vorgefertigten Dramaturgie untergeordnet, die zu immer gleichen Bilderfolgen führt. Man will schließlich, dass die Zuschauer nicht wegschalten. Werden die Dinge zu kompliziert, lassen sie sich nicht in Schwarz und Weiß einteilen, ist das mit der Weltbestätigung schon schwierig. Nicht umsonst haben sich die dritten Programme der regionalen Farbe verschrieben.
In Zeiten der algorithmischen Nachrichtenaufbereitung und der je nach Weltsicht zugeschnittenen Nachrichtenfeeds, potenziert sich dieses Problem der Abspaltung ins Unermessliche. Tendenzen gab es dazu schon immer. Der überzeugte Linke glaubte nur der Zeitung seines Vertrauens, wie der Konservative nicht jedes Schmierblatt in die Hände nahm. Für eine kritische und informierte Öffentlichkeit braucht es aber Pluralität. Diese gilt aber nicht nur für die Produzenten. Auch der Rezipient muss sich zum pluralen Leseverhalten zwingen. Sonst kippt man zurück in die Ideologie. In der digitalen Gegenwart haben sich die Stimmen multipliziert. Blogs, Foren und soziale Netzwerke, sie alle generieren Nachrichten. Mit diesen Nachrichten generieren sie eine neue Unübersichtlichkeit, eine Geschwindigkeit und als Gegenbewegung eine immer stärkere Abschottung bestimmter Gruppen: Komplexitätsreduktion.
Woher kommt dieser Zweifel?
Nachrichten brauchen Zeit und Reflexion, da sie sich sonst selbst überholen. Dann passiert das, was Georg Seeßlen als Hyperinformation bezeichnet: Die Nachricht richtet sich nicht mehr nach der Wirklichkeit, nach dem Widerstand des Realen - die Nachricht selbst ist das Ereignis. Man denke an die Nachricht von dem gestorbenen Lageso-Flüchtling oder an all die Opfer von Gewalt durch Flüchtlinge, die es niemals gegeben hat. All das ist in meinen Augen eine treffende Analyse der Gegenwart. Dennoch steht man immer noch vor einem Rätsel: Wann und wie hat das angefangen? Wann hat sich die Welt entwirklicht und warum haben wir das alles nicht gemerkt?
Die Wirkungsweise und die Funktion scheinen hinreichend beschrieben. Nun könnte man sagen, es liegt letztlich an der ideologischen Verblendung der AfD oder der Dummheit von Pegida-Demonstranten, die ihre nationale Eingrenzung in ihrem Medienkonsum medial vorwegnehmen: Da wollen einfach ein paar Bürger in ihrer heilen Welt nicht gestört werden. Diese Argumentation macht es sich zu leicht und verschiebt das Problem nur. Es ist eine Ahnung, dass eine Sehnsucht nach Authentizität und affektiver Nachricht ein wesentlicher Schlüssel sein könnte. Das Internet hat uns nicht nur eine Vervielfältigung der Stimmen gebracht, es hat in uns allen einen Wunsch nach Authentizität geweckt, auf die eine oder andere Form. Direkte, ungefilterte Kommunikation, horizontale Machtverhältnisse und eine Überwindung der klassischen Nachrichtenproduzenten: das Volk ergreift die direkte Demokratie. Diese naive Utopie hat sich auf eine seltsame Weise verwirklicht.
Direkte Kommunikation gilt als authentisch
Der Erfolg von Bloggern und Youtubern liegt genau darin: Da spricht einer von uns, hinter dem kein Sender, keine große Institution steht. Das ist natürlich nicht selten ein Irrglaube, aber dennoch: Die mediale Inszenierung der Unmittelbarkeit erzeugt nun mal verführende Authentizitätseffekte. Da sitzen echte Menschen, die von echten Problemen schreiben, ihren echten Gefühlen Ausdruck verleihen und die in der Welt stehen, nicht in der Redaktionsstube sitzen. Liveschalten und Liveticker haben eine ähnliche Wirkung. Live vor Ort zu sein, ganz nah dran am Geschehen, wie bei der Räumung des Stadions in Hannover, bringt zwar kaum Inhalte oder Information, aber ein Gefühl von Realität. Da passiert etwas, genau jetzt, während wir hier vor dem Fernseher sitzen. Ist das nicht auch eine Form von Authentizität? Hier vergeht Zeit, wir sind direkt vor Ort und ihr könnt uns bei der Arbeit zusehen.
Alle anderen Formen, der Kommentar, die Reportage – letztlich alles, was in irgendeiner Weise mit textlicher oder bildlicher Montage und mit Redaktionen zu tun hat – steht im Verdacht der Meinungsmache: Da vergeht soviel Zeit, vom Ereignis bis zum geschrieben Wort, dass das unmöglich ohne Manipulation von statten gehen kann. Das ist zumindest der Verdacht. Der als Objektivität getarnten Subjektivität setzt man radikale Subjektivität entgegen.
Ist das nicht ein seltsamer Widerspruch? Auch der authentische Youtuber gibt nur seine Meinung wieder. Dennoch wirkt das authentisch, weil der Ort des Sprechens ein anderer ist. Dieser mag nicht weniger inszeniert sein, aber eben auf eine andere Art und Weise: Authentisch eben, aus dem Bauch heraus. Die Lösung der etablierten Medien, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Sender scheint eine inflationäre Verwendung des O-Tons zu sein. Wenn das Volk glaubt, wir wären zu weit von ihm entfernt, dann lassen wir eben das Volk zu Wort kommen – so die Losung. Es ist der Versuch, sich die verlorene Authentizität zurückzuholen: Am Ende produziert man Affektbilder, Affekttöne – Nachrichten aus dem Bauch heraus. Das unüberlegte Wort, das im Zorn geäußerte Fluchen, ist nicht einfach eine Einzelmeinung. Man kann sich darin einhaken, mit den eigenen Affekten. Insbesondere wenn der O-Ton nicht reflexiv eingeholt wird, keine Gegenposition bezogen wird, die Montage ausbleibt. Durch die mediale Rahmung wird dieses im Affekt gegebene Statement eines Augenzeugen zur authentischen Nachricht, zu einem Zeugnis und damit zur Wirklichkeit. Authentizität heißt direkt und aus dem Bauch heraus, ungefiltert, frei Schnauze.
Mit dieser Taktik erreichen die etablierten Medien das Gegenteil dessen, was sie eigentlich wollen. Doch die Sache ist noch viel schlimmer. Am Beispiel des Youtube-Kanals #Dreisechzich des WDRs zeigt, dass der Versuch den Vlog in das öffentlich-rechtliche System zu überführen letztlich nur schlechte Kopie wird: Man merkte, dass hier Authentizität hergestellt werden sollte und spürte, dass hinter den Gesichtern letztlich eine Redaktion stand. Nicht falsch verstehen. Ich fand das Experiment durchaus gelungen, denn eine Redaktion ist in Zeiten einer immer komplexer werdenden Welt notwendig. Die breite Masse fühlte sich aber nicht angesprochen. Für die Mehrheit sprach da immer noch das Establishment, versuchte sich der WDR nur hinter einem jüngeren Aussehen zu verstecken.Aber das ist gar nicht schlimm, denn man ist dem Konsumenten viel zu lang entgegengekommen und verliert, oh welch dialektische Wendung, immer mehr an Boden.
Haltung ist das Mittel
Überall ein menschelnder Zugang, eine emotionale Brücke und wenig Komplexität. Jeder Beitrag braucht eine Dramaturgie, muss gut gebaut werden, damit er sich verkauft, angeklickt wird, oder eine gute Quote bringt. Der Journalismus hat sich bisweilen selbst in eine unsägliche Abhängigkeit gebracht. Heute leben wir also in Zeiten des (Bauch)Gefühls, in der ein Misstrauen gegen die Arbeit der Journalisten alter Schule herrscht. Das Abwägen, Reflektieren und Recherchieren wird zum Auslaufmodell, zum Staatsfernsehen.
Wir müssen uns diesem Authentizitätswahn erwehren, indem wir die Haltung, die Reflexion, den Bericht und den Diskurs dagegenhalten und nicht aufhören die Authentizität als das zu entlarven, was sie letztlich immer sein wird: eine Inszenierung, ein mediales Konstrukt. Der Leser und der Zuschauer sind keine Konsumenten, die Ansprüche stellen können. Der einzige Anspruch, den es zu erfüllen gilt, ist der Anspruch die Probleme, Ereignisse und Diskurse – die Wirklichkeit – so angemessen wie möglich wiederzugeben. Ob diese Wirklichkeit den Wutbürgern passt oder nicht.
Kommentare 34
Die Tagessschau beweist Haltung:
<img src="https://heerlagerderheiligen.files.wordpress.com/2016/02/nittom.png?w=600" >
"Nachrichten brauchen Zeit und Reflexion, da sie sich sonst selbst überholen. Dann passiert das, was Georg Seeßlen als Hyperinformation bezeichnet: Die Nachricht richtet sich nicht mehr nach der Wirklichkeit, nach dem Widerstand des Realen - die Nachricht selbst ist das Ereignis. Man denke an die Nachricht von dem gestorbenen Lageso-Flüchtling oder an all die Opfer von Gewalt durch Flüchtlinge, die es niemals gegeben hat. All das ist in meinen Augen eine treffende Analyse der Gegenwart. Dennoch steht man immer noch vor einem Rätsel: Wann und wie hat das angefangen? Wann hat sich die Welt entwirklicht und warum haben wir das alles nicht gemerkt?" - Nun; für Buddhisten stellt sich vermutlich die Frage nicht- da steht ja bekanntlich der allumfassende Schein bereits am Anfang. Ansonsten zitiert auch Seeßlen ziemlich massiv Baudrillard, und seine weitgefasste Simulationstheorie.
"Alle anderen Formen, der Kommentar, die Reportage – letztlich alles, was in irgendeiner Weise mit textlicher oder bildlicher Montage und mit Redaktionen zu tun hat – steht im Verdacht der Meinungsmache: Da vergeht soviel Zeit, vom Ereignis bis zum geschrieben Wort, dass das unmöglich ohne Manipulation von statten gehen kann. Das ist zumindest der Verdacht. Der als Objektivität getarnten Subjektivität setzt man radikale Subjektivität entgegen." -
Einerseits erkennen Sie schon , dass die proklamierte "Objektivität" getarnte Subjektivität (und damit "erschlichen") ist, und letztlich auch noch in großen Teilen von darüberliegenden (aber partikularen) Interessen geleitet wird ( seien es "Klasseninteressen" a la Marx, oder die "Herstellung von Konsens" , wie bei Chomsky) . Und dass man die größeren Medien eigentlich daher "Wahrheitspresse" (von Wahrheit(en), die sie größeren Teils gerne mal selbst "produzieren") nennen müsste.
Dann muss aber gleichmäßig auch der Hammer über die "radikale Subjektivität" (und ihre eingestandene "Zufälligkeit") ergehen, die "authentisch" insofern ist, als man im Zweifel auch eine "beliebige Meinung" , mit rein "individuellen" Interessen, die man teilen oder nicht teilen kann (ohne entsprechende Konsens-"Nötigung" ) , darin erkennen mag. - Ja, wie denn nun ?
Ich würde ja denken, soweit ich Blogs und Channels kenne, dass es einerseits mit der unterstellten "radikalen Subjektivität" nicht gar so weit her ist (vergleicht man es etwa mit ausgesprochenen philosophischen Vertretern; a la Nietzsche) , sondern dass sich meist auch gerade dort "das gegebene gesellschaftlich Allgemeine reproduziert" (inklusive natürlich der Doxa) , - und teils halt auf unterem Bildzeitungs-Niveau.
Andererseits ist es aber, in allen Lagern, nur selten der Fall, dass (als "politischer Akt", siehe Badiou) "für die Allgemeinheit" gesprochen wird - im Sinne etwa des (relativ "metaphysischen") Volonte Generale bei Rousseau; - der "Streit" zwischen Platon und den skeptisch-subjektiven Sophisten ging wohl im politischen Kern (Einzelinteressen oder Gesamtinteressen) auch in diese Richtung.
Wenn es übrigens einen "authentischen" Journalismus geben sollte, dann liefe der vermutlich unter dem (etwas "idealistischen") Motto : " Ich kenne sie nicht, aber es gibt (und ich suche nach) Wahrheit." "Verfügen", gar im materiellen Sinne, darf man darüber natürlich nicht. Gepaart mit H.J. Friedrichs Aussage, dass man sich, zur Bewahrung auch der Authenzität und Integrität, mit keiner Sache, und ich behaupte sogar am wenigsten einer guten , gemein machen darf.
Davon allerdings ist ganz faktisch die Medienwelt, als "Meinungsmacht", wohl gegenwärtig meilenweit entfernt. Während im Privatsektor sehr nachvollziehbar die Interessen der Eigentümer und der Inserenten gewahrt werden, gibt es eine deutliche Verschmelzung von Parteienproporz und "staatstragendem" Anspruch im öffentlichen Bereich. Was eben in jeder Nachrichtensendung dazu führt, dass (allerdings häufig, belegbarerweise, ziemlich gezielt) der Blick auf die Wirklichkeit zugekleistert wird, indem man (inter)subjektive Meinung als objektive Meldung deklariert. Schlagworte wie "Despot"( statt z.B. Präsident) , "Regime" , "Putin" (statt z.B. Russland) , "Hillary Clinton" , oder mechanisch dauerhaft wiederholte Neologismen a la "Balkan-Route" , kommen mir dabei unmittelbar in den Sinn.
Hallo BadBentham.
„Dennoch steht man immer noch vor einem Rätsel: Wann und wie hat das angefangen? Wann hat sich die Welt entwirklicht und warum haben wir das alles nicht gemerkt?“
Gegenfrage: Haben wir es merken wollen? Können hätten wir. Luhmann ist schon was her, Heidegger noch länger.
„Ich würde ja denken, soweit ich Blogs und Channels kenne, dass es einerseits mit der unterstellten "radikalen Subjektivität" nicht gar so weit her ist (vergleicht man es etwa mit ausgesprochenen philosophischen Vertretern; a la Nietzsche) , sondern dass sich meist auch gerade dort "das gegebene gesellschaftlich Allgemeine reproduziert" (inklusive natürlich der Doxa) , - und teils halt auf unterem Bildzeitungs-Niveau.“
Oder wir betrachten einander zu sehr als Objekte, „scannen“ einander zu viel. Ausgebreitet findest Du das hier, im hinteren Teil, die Passage mit Zitat von Habermas ( unter: „Subtile Beeinflussung 2.0 – Spitzenphilosophie und niveaufreies Fernsehen“).
„Wenn es übrigens einen "authentischen" Journalismus geben sollte, dann liefe der vermutlich unter dem (etwas "idealistischen") Motto : " Ich kenne sie nicht, aber es gibt (und ich suche nach) Wahrheit."“
Weiß nicht. Vergleiche hier :„Die Sache mit der Wahrheit“. Wenn es stimmt was da steht – also wahr ist ;-) - jo, wie geht man dann damit um? Wie käme man je aus der Subjektivität raus – ich glaube: gar nicht – und wäre das notgedrungen schlimm - ich glaube: nein -? Würde es nicht reichen fair zu sein? Einfach beide Seiten anzuhören und dann, wenn man es denn will, gegen eine davon, wenn man sie gut durchdrungen hat und nicht plakative Zerrformen von ihr abgibt, was leider die Regel ist. Mit einander, statt über einander zu sprechen? Einfach nur … „nur“ Diskurs, wie er mal gemeint war, womit ich wieder nach oben, zum zuerst verlinkten Artikel gesprungen bin.
„Was eben in jeder Nachrichtensendung dazu führt, dass (allerdings häufig, belegbarerweise, ziemlich gezielt) der Blick auf die Wirklichkeit zugekleistert wird, indem man (inter)subjektive Meinung als objektive Meldung deklariert.“
Ich weiß ja nicht, welche Vorstellung Du allgemein von Intersubjektivität hast, aber mir ist nie so ganz klar geworden, wo Objektivität je mehr ist, als das in der Tat folgerichtige Schließen – man kann auch falsch schließen – aus zuvor gewählten Prämissen, auf die man sich, voilà, intersubjektiv einigte. Im Alltagsgebrauch macht die Rede von der Objektivität schon Sinn, keine Frage, aber da Deine Anspielungen ja philosophischer Natur sind, wollt ich mal nachfragen.
Die Medienmachenden selbst "leiden" an diesem "Authentizitätswahn". Sogesehen gleicht sich das dann aus.
Das ist mir ehrlich gesagt "zu verkopft". Jeder Journalist weiß für sich selbst sehr wohl, ob er objektiv alles wiedergibt, was er weiß, oder ob er, um den Leser oder Zuschauer zu seiner eigenen Meinung zu überreden, selektiv oder sogar irreführend berichtet.
Letzteres ist Lüge. Davon gehe ich nicht ab. Es interessiert mich ehrlich gesagt gar nicht, ob Pegida-Leute die gleichen Journalisten als Vertreter der "Lügenpresse" bezeichnen, denen auch ich Unehrlichkeit vorwerfe. Wer als Journalist Teile seines eigenen Wissens unterschlägt, weil er eine bestimmte Wirkung erzeugen will, ist ein Lügner. Punkt.
Das zu sagen, ist auch keine unzulässige Reduzierung der Komplexität. Man kann der Komplexität sehr wohl Rechnung tragen und wahrhaftig sein. Es sind vielmehr die Lügner unter den Journalisten, welche die Komplexität unzulässig reduzieren.
Ehrlich währt eben tatsächlich am Längsten. Nach Umfragen vertrauen 70% der Deutschen den Massenmedien nicht. Ich bekenne, dass ich zu diesen 70% gehöre. Meine Erfahrung ist eben, dass man keiner Information der Massenmedien trauen kann, die man nicht selbst gegenrecherchieren kann und gegenrecherchiert hat. Die Quote ausgewogener und faktisch richtiger Beiträge liegt ganz sicher nicht mehr über 50%.
Unter solchen Umständen kann keine öffentliche Meinungsbildung und keine vernünftige Diskussion über verschiedene Standpunkte stattfinden. Beides wären aber Voraussetzungen für eine offene und demokratische Gesellschaft. Wenn sich diese Zustände nicht bessern, wird die Demokratie nicht auf Dauer stabil bleiben.
Die Nachricht richtet sich nicht mehr nach der Wirklichkeit, nach dem Widerstand des Realen - die Nachricht selbst ist das Ereignis.
Könnte es sein, dass Nachrichten bzw. Informationsprodukte Waren sind, die nach den Gesetzen des Marktes generiert und vertrieben werden; teils für den Supermarkt, teils beim billigen Jakob?
Wer genau führt denn da den "Kampf gegen die zunehmende Radikaliserung", von dem im Artikel die Rede ist? Die kritisierten Medien sind es ja eben gerade nicht. Denn genau sie sind ein maßgeblicherteil dieser Radikalisierung. Ihre Ignoranz, Arroganz, Uneinsichtigkeit und permanente Diffarmierung gegenüber breiter Bevölkerungsgruppen haben ja eben gerade genau dazu geführt wo wir heute hinsteuern.
Hallo,
ich möchte ganz kurz ein paar Dinge klären, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Ich wollte in meinem Text nicht die Medien kritisieren, zumindest nicht in einem einfachen Sinne, sondern vielmehr den Umgang mit den Medien und die Erwartungshaltung. Authentizität geht heute zusammen mit direkter-affektgeladener Kommunikation. Diese Authentizität ist aber ebenso konstruiert. Die etablierten Medien lassen sich davon aus der Ruhe bringen und versuchen ebenso - durch eine zunahme der O-Tone - Authentizität zu erzeugen. Zudem gibt es schon lange die Tendenz sich an Klickzahlen und Einschaltquoten zu orientieren und Komplexität zu reduzieren. Wenn das zu verkopft ist, frage ich mich durchaus, was der Sinn von Journalismus überhaupt noch sein soll: Die Frage, was die Bedingungen der derzeitigen Entwicklung sind, ist doch wichtig. Einfach die Medien zu kritisieren, weil sie etwas berichten, was einem persönlich nicht passt - damit macht man es sich zu einfach. Und ich halte daran fest: Die Medien in Deutschland lügen nicht. Lügen muss mutwillig geschehen. Wahrheitsfindung ist ein Prozess. Soviel dazu ...
Herzlichst.
...frage ich mich durchaus, was der Sinn von Journalismus überhaupt noch sein soll
Der Sinn von Journalismus besteht darin, Geld zu verdienen. Oder sind Journalisten weniger an Geld interessiert als z.B. Rechtsanwälte, Ärzte oder Unternehmer? Es wird Zeit, sich einmal näher dafür zu interessieren, was in der Medienbranche verdient wird und ob und inwiefern das für die verbreiteten Informationen von Bedeutung ist. Ich hege den Verdacht, dass Journalisten nicht wirklich daran interessiert sind, den Warencharakter ihrer Erzeugnisse offenzulegen, zumal unter den Aspekten von Kosten und Nutzen.
Die Medien in Deutschland lügen nicht. Lügen muss mutwillig geschehen. Wahrheitsfindung ist ein Prozess. Soviel dazu ...
Ach was. Natürlich lügen sie in der Regel nicht platt und glatt. Aber sie drehen und wenden die Informationen um damit Geld zu verdienen. Heinrich Heine bezeichnete die Anwälte mal ganz zutreffend als die Bratenwender der Gesetze. Journalisten sind die Bratenwender der Nachrichten und Informationen.
"Einfach die Medien zu kritisieren, weil sie etwas berichten, was einem persönlich nicht passt - damit macht man es sich zu einfach. Und ich halte daran fest: Die Medien in Deutschland lügen nicht. Lügen muss mutwillig geschehen. Wahrheitsfindung ist ein Prozess. Soviel dazu ..."
Glaube auch, dass das allenfalls in einem sehr geringen Maße entsteht. Lesenswert fand ich Giovanni di Lorenzos Dresdner Rede.
Guten Abend Moorleiche! Ich habe mich gefreut,diese Info's hier zu kriegen. Und für mich war es besonders wichtig,daß mit klugen Argumenten den Verschwörungstheoretikern widersprochen wurde. Ich habe die Rede gelesen von di Lorenzo aber da ich so lachen mußte bei einigen Passagen,mußte ich mehrmals wieder anfangen.(z.B.Herkunft Kanzlerin etc.) Angst macht viel mit uns Menschen aber manche Zweibeiner verblöden vor lauter Angst oder es fehlt die rationalität.Angst-kann die auch produktiv sein?
Guten Abend Moorleiche! Ich habe mich gefreut,diese Info's hier zu kriegen. Und für mich war es besonders wichtig,daß mit klugen Argumenten den Verschwörungstheoretikern widersprochen wurde. Ich habe die Rede gelesen von di Lorenzo aber da ich so lachen mußte bei einigen Passagen,mußte ich mehrmals wieder anfangen.(z.B.Herkunft Kanzlerin etc.) Angst macht viel mit uns Menschen aber manche Zweibeiner verblöden vor lauter Angst oder es fehlt die rationalität.Angst-kann die auch produktiv sein?
Rationalität
@Anelim Aksnesej
"Guten Abend Moorleiche!"
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Das ist ein Satz, der in die Literaturgeschichte eingehen sollte. Für Ähnliches muß ich zu Goethe zurückgehen: "Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen." So Mephisto an Marthe Schwerdtlein.
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Ciao
Wolfram
Zum ersten Zusammenhang: Das ist für ein großteil der Medien völlig richtig - man muss mit einer Zeitung Geld verdienen. Das muss man reflektieren. Für die öffentlich-rechtlichen Sender gilt das jedoch nicht. Das ist der große Vorteil den diese Sender eignetlich hätten - trotzdem schreien viele gegen die Rundfunkgebühr. Hier und da gibt es Quotendruck, aber eher in der Unterhaltung oder der Fiktion.
Zum Vorwurf der Lüge: Man muss durchaus zwischen Information und Ereignis unterscheiden. Eine Information muss durch einen Kommunikationsprozess, muss übermittelt werden bzw. gar erst aufgenommen werden. Interpretation spielt da immer eine Rolle. Auch Sie müssen meine Zeichen hier interpretieren - meine Nachricht an Sie. Ein Ereignis ist eine nackte Tatsache. Menschen haben die Einfahrt zur Flüchtlingsunterkunft blockiert. Was das aber bedeutet - dass muss man interpretieren. Das ist dann ein Prozess. Ihr Hinweis auf den Bratenwender hilft das Glaube ich nicht so sehr.
Ja,schön .Eine Antwort ist das aber nicht auf mein Geschriebenes.
@Anelim Aksnesej
Ja,schön .Eine Antwort ist das aber nicht auf mein Geschriebenes.
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Das habe ich nie behauptet. Aber es ist ein schöner Satz, auf dessen Schönheit ich hinweisen wollte. (Man überliest dergleichen so leicht.)
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Ciao
Wolfram
@ Anelim Aksnesej
"Angst-kann die auch produktiv sein?"
Klar, vielleicht nicht die nackte Panik, aber ich denke vieles entsteht aus dem Motiv der Angst.
@ Wolfram Heinrich
Ich sach ja: Augen auf, bei der Namenswahl. Hier kann man ja.
@ Sebastian Seidler
Die Lüge impliziert immer eine bewusste Absicht.
Und alles was wir übermittelt bekommen, wie neutral auch immer, ist schon Interpretation.
Guten Abend Moorleiche!Akzeptierst Du Notlügen?Und ich möchte diese Band verlinken,kann ich aber nicht.Band heißt Annen My Kantereit und noch Joni Mitchell-die verehre ich.
Und zuletzt noch zum Thema Interpretation-die Kunst dahinter die Person an sich zu erkennen,die interpretiert ,z.B. nach eingehender Analyse aller zur Verfügung stehender Fakten und Ausschluss der falschen Behauptungen-die Bemühungen,so objektiv zu sein wie möglich mit Hilfe der Analyse und die ist ja definiert,was da dazugehört oder?Bis dann wieder.
Hallo Anelim Aksnesej.
„Akzeptierst Du Notlügen?“
Kommt immer auf den Kontext an. Generell ja, in begründeten Ausnahmen nein.
Zum Verlinken linke Maus-Taste gedrückt halten, über den Text ziehen, der blau werden soll, dann Maus-Taste loslassen. Dann auf dieses stilisierte Kettenglied klicken, was dann nicht mehr blass ist. Dann sollte ein Fenster aufgehen, oben die link Adresse rein kopieren und auf Einfügen oder was da steht klicken.
Interpretationen sind nur Annäherungen, nie abgeschlossen, schon weil wir nicht wissen, was das Kriterium ist, was uns sagt, wie nahe wir dran sind. Sicher gibt es gute und schlechte Interpretationen, aber selbst bei den besten kann man nicht immer sicher sein, ob sie stimmen. In Reiner Stachs erster Kafka-Biographie „Jahre der Erkenntnis“ stehen ganz zu Anfang Erläuterungen zur Interpretation, die ich für unübertroffen halte, ich weiß nur nicht, ob man das hier posten darf, sind 1540 Wörter. a) wegen der Länge, b) wegen des Urheberrechts und c) wegen des Themenbezugs.
Wenn es da grünes Licht gibt, kopiere ich es hier rein.
Hallo Moorleiche! Nee,verlinken hat nicht geklappt und mein Text ist auch weg.Das probiere ich mal später wieder.Bis zum Kettenglied bin ich gekommen und dann finito.So jetzt was Anderes.Kopieren nicht nötig,ich schreibe mir Literaturhinweise oder andere Sachen immer noch mal auf,um in Ruhe nachzulesen.Danke aber trotzdem.Jetzt noch eine Frage,in einem Artikel über Schellnhuber's Buch (neu),,Selbstverbrennung...``schreibt er über kafkaeske Situationen-Klimagipfel in Bali.Das ist aber nicht das erste Mal,daß ich so etwas gelesen habe.Gut ,dazu muß Mensch sicher Kafka gelesen haben aber wie gesagt,nach mehreren Anläufen geht da nichts mehr.
@Moorleiche
@ Wolfram Heinrich
Ich sach ja: Augen auf, bei der Namenswahl. Hier kann man ja.
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Obacht, ich muß vorsichtig sein. Wenn ich jetzt anfange, mit einer Moorleiche zu diskutieren, kommen ganz schnell die Herren mit den weißen Turnschuhen.
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Ciao
Wolfram
Hallo Wolfram Heinrich.
Klar wohnt dem Gruß „Guten Abend Moorleiche!“ ein Zauber inne, aber andererseits bewegen wir uns doch im linksliberalen Milieu, da gehört doch die vor dem Versuch abgebrochene Lehre, die 5 Semester Soziologie und 2 Lateinamerikanistik, die latente Suchtproblematik mit gelegentlichen Ansprachen an weiße Mäuse und Moorleichen, so wie ultimative Ideen zur Rettung der Welt vor dem Schweinesystem nachts um 4 in der Toilettenkabine zum guten Ton, oder hat sich da inzwischen Grundlegendes geändert? Die Zahl der Geschlechter ist von 2 auf 68 gestiegen, aber dat is ja nix Besonderes.
Hallo Anelim Aksnesej.
Es geht um den Begriff „kafkaesk“, oder?
Damit ist in der Regel eine bizarre und in ihrer scheinbar bezwingenden inneren Logik ausweglose Situation gemeint. Der oft auch eine gewisse Absurdität anhängt. Konstrukte, die bis ins Feinste ausbuchstabiert und durchdacht sind, bei denen man aber vergessen hat den grundsätzlichen ersten Schritt zu hinterfragen, was aber manchmal, da Kafka uns mit einem Kopfsprung in die Absurdität stürzen lässt auch kaum möglich ist.
(Noch ne Randbemerkung zu Stach: Man muss m.E. weder ein glühender Kafka Verehrer noch intimer Kenner seiner Werke sein, um die Stach Biographien mit großem Gewinn zu lesen. Was mich wirklich beeindruckt hat, ist die Unaufdringlichkeit mit der Stach seine profunden Kenntnisse einbringt und die Unaufgeregtheit mit der er manchem, was wir zu wissen glauben – z.B. Kafka, der Expressionist, der Melancholiker – eine Abfuhr erteilt. Die schon erwähnte, einleitende Passage über die Interpretation und wie speziell der Biograph sich ihr nähern sollte, gehört zum Besten, was ich diesbezüglich gelesen habe.)
thema: not-lüge
häufig verwendeter satz gegen meine frau: frag mich nicht, dann muß ich auch nicht lügen.
namen:
sind schicksal. aboy named sue(j.cash),nicht wahr kevin,schantall?
moorleiche:
mir lieber als absonderungen der schwarz-kröte : mohr-laich. -->mopperkopp,schwarz-sehen ohne hinzugucken(gelegentlich).
Hallo Moorleiche! Das Buch hole ich mir in der Bibliothek und wenn ich die Interpretationspassage ,,verdaut`` habe,schreibe ich.
Kafka-Expressionist?Melancholiker-da gehe ich mit.(Film über M.J.-das war mein Faszit über F.K. dann auch)
Hallo denkzone8.
„thema: not-lüge
häufig verwendeter satz gegen meine frau: frag mich nicht, dann muß ich auch nicht lügen.“
Wenn sie es wechseln kann.
„namen:
sind schicksal. aboy named sue(j.cash),nicht wahr kevin,schantall?“
Ja, ich habe mal den bösen Spruch gehört, Kevin sei kein Name, sondern eine Diagnose. (Ich finde den Namen eigentlich ganz schön, komme aber bei Dörthe, Frauke und Malte ins Rudern und den misslungenen Doppel- und Mehrfachnamenorgien.)
„moorleiche:
mir lieber als absonderungen der schwarz-kröte : mohr-laich. -->mopperkopp,schwarz-sehen ohne hinzugucken(gelegentlich).“
Schwarz sehen, ohne rot zu werden. Ja dann, danke.
Stach führt die ungeahnt komische Seite Kafkas schön vor Augen.
war ein test, ob du nur schreibst,oder auch liest.
das: "gelegentlich" sollte deine echten verdienste nicht schmälern.
kriegs-bemalte pale-faces, die so aussehen wie rot-häute, leiden oft unter dem indianischen bedächtig-keits-gebot.
wenn nachrichten wirken, sind sie wirk-lich: orientieren oder des-orientieren.
wer angriffe gegen die mängel des nachrichten-wesens persönlich nimmt....
die möglichkeit, widerstände gegen die herrschende nachrichten-lage massenhaft zu äußern, zeigt auch die rezeptions-lage, die verarbeitungs-bereitschaft der nachrichten-nutzer.
erstmals wird das weite feld der öffentlichkeits-arbeit sichtbar.
was mineure, öffentlichkeis-arbeiter mit interessierten auftrag-gebern, in die medien lancieren ,hat eine nur zu vermutende dunkel-ziffer.
bewußter umgang mit ver-öffentlichtem wissen wird immer mehr zur grundlage von kooperation und streit.
daß jede rede gerichtet ist, vorhandene deutungs-raster nutzt oder kreuzt(framing) ist bisher hier noch nicht wirklich ergründet worden. oder?
"daß jede rede gerichtet ist, vorhandene deutungs-raster nutzt oder kreuzt(framing) ist bisher hier noch nicht wirklich ergründet worden. oder?"
Doch, findet sich alles bei Kahnemann, hier in einem Interview.
Priming, Ankerreize, der ganze Kram. Ein wirklich lesenswertes Buch.
Die komische Seite kommt erst an mit der Fernausleihe-dauert also noch.
Erstmal Danke für die wohlmeinende Kritik, und Entschuldigung für die späte Antwort! ;)
"Ich weiß ja nicht, welche Vorstellung Du allgemein von Intersubjektivität hast, aber mir ist nie so ganz klar geworden, wo Objektivität je mehr ist, als das in der Tat folgerichtige Schließen – man kann auch falsch schließen – aus zuvor gewählten Prämissen, auf die man sich, voilà, intersubjektiv einigte."
- Das ist natürlich ein großer Themenkomplex. Wenn man es philosophisch wenden möchte, beschreibt Deine Ansicht letztlich das "positivistische" Hegelsche System - die "objektive" "Wahrheit" entsteht ( - ob man es so sagen darf...) aus der Intersubjektivität als "Geist" , ob nun als Zeitgeist, Weltgeist, oder auch Volksgeist. In letzter Hinsicht ist es stets schwierig, dagegen an zu argumentieren; denn sobald etwas (egal was) sich intersubjektiv verfestigt hat, hat es als solches auch wieder gesellschaftliche (und damit "objektive" ) Realität: Wenn die Menschheit kollektiv beschließt, dass die Sonne sich um die Erde dreht, dann "ist" das so. Allerdings meint (philosophischer, quengelig-neinsagerischer) "Geist" eigentlich immer die Frage: IST das denn so ?
(Zwar nimmt bei Hegel diese "Negativität" eine überragende Stellung innerhalb seiner Fortschritts-Teleologie der Abarbeitung dialektischer Widersprüche ein - das "Resultat" ist allerdings affirmativ-versöhnlich, wie letztlich von ihm gewünscht, und die eigentliche "kritische" denkerische "Arbeit" geht darin, sehr überspitzt gesagt, unter: - "Es ist gut, weil es ("geworden") ist" )
Gerade das (post-) marxistische Denken arbeitet sich relativ zentral an der (z.B. Hegelschen) Supposition ab: Von Marx`Kritik am "notwendig falschen Bewußtsein" innerhalb der (Hegelschen) "Bürgerlichen Gesellschaft" über die Kritische Theorie ( Z.B. Adornos " Negative Dialektik", inklusive "Wende zum Besonderen" , das nicht schon bereits von der Intersubjektivität begrifflich "kaltgestellt" wurde) , über Althussers Begriff der "Ideologie", bis hin zu Foucaults Macht-Begriff.
Das, worauf man sich da nämlich "geeinigt" hat, ist nie "unschuldig" . Sondern verweist (in Marx "dialektischem Materialismus" ) gerade auf die dahinterliegende (und als solche im "Diskurs" "unsichtbare", und schließlich "unkenntlich gemachte" ) gesellschaftliche Realität . Und damit (trotz Habermas` neokantianischen "herrschaftsfreien Diskurs" , der eigtl. nur im Wissenschaftsbetrieb gewisse Relevanz hat) auf grundlegende (verschiedenstartig strukurierte) Gewaltverhältnisse.
Bei Marx wären eben gerade diese "objektiv" , und als solche beschreibbar- die intersubjektiven Resultate dieser Verhältnisse sind dagegen vor allem "Effekte" (an der gesellschaftlichen Oberfläche) , die dann anschließend als "gesellschaftliche Objektivität" FETISCHISIERT werden: Was für Hegel (was ja auch unmittelbar einleuchtend wirkt) "die Wahrheit" ist, ist für Marx im sehr harten Sinne "der (gesellschaftliche) Schein" .
- Und Medien spielen natürlich in diesem Prozeß (der "Bewußtseinsbildung") eine zentrale Rolle.
-Übrigens gibt es natürlich nicht nur die (marxistischen) Anhänger der "gesellschaftlichen Objektivität", die gegen die genannte Vorstellung von "Intersubjektivität" argumentieren:
Entweder man geht letztlich noch klassisch (sagen wir, wie Nietzsche) vom einzelnen Subjekt aus, oder man beruft sich auf das konkrete (existenziale, "geworfene") "Dasein" , als quasi "unmittelbaren" , "sinnlichen" (der eben darin seine "Wahrheit" hat) Weltbezug; - als Gegenentwurf zur "Abstraktion" des klassischen Cartesianischen Subjekts. Und stellt damit auch die klassische Einteilung in "subjektiv, objektiv, intersubjektiv" grundsätzlich in Frage. Dann wird die gesamte "intersubjektive" Sphäre, gerade der Politik und der Medien, wie bei Heidegger, zum (apersonalen) "Gerede" , oder zum "Man" . Und "Objektivität" (die allerdings sichtbar, aber nicht vollständig, anders als im Marxismus gedacht wird) zum "Gestell" , zur Naturbeherrschung (der allerdings natürlich auch der Mensch unterworfen ist) durch den Menschen: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Heidegger#Technik_als_Gestell
- Wenn man so will , und stark vereinfacht, ist der Rekurs auf das "Entfremdete" (der Gesellschaft) "links" , der Rekurs auf das "je Eigene" (des -ziemlich kontingenten- individuellen "Daseins" ) politisch eingeordnet "rechts" .
Nur: Weder hat die Linke gegenwärtig die "Kraft" , den "Schein" zu durchbrechen, noch bezaubern auf der Gegenseite ausreichend viele Menschen mit der Erfindung neuer ("schwarzwaldmystischer") Privatsprachen, und entziehen sich so dem "Gerede".
- Stattdessen gibt es, man kann es zumindet behaupten, um mit dem Mitforisten Mopperkopp zu sprechen, "Steinzeitlinke" und "Steinzeitrechte" , die beide die "Alternativlosigkeit" der Situation reproduzieren. - Indem sie die vorgefundenen und "industriell gefertigten" ("intersubjektiven") "Doxa" (welche boshaft gesagt geistesgeschichtlich etwa auf dem Stand von 1800 sind) , auch als "kritische Öffentlichkeit" und "alternative Medien" vor allem geflissentlich (und natürlich allermeist unbewusst) wiederkäuen.
Was darüber hinaus geht, findet sich allenfalls im Wissenschafts- (oder Philosophie-) Betrieb und wird dem "Markt" ( z.B. der Meinungen) meist nicht zugemutet. Dort herrscht, weil u.a. ökonomisch "praktischer" , die Sensation und das Ressentiment. Und zwar, wenn man so will, - "man" hat sich darauf schließlich "geeinigt" - , relativ "objektiv" .
Hallo BadBentham.
„Erstmal Danke für die wohlmeinende Kritik, und Entschuldigung für die späte Antwort! ;)“
Ken Problem, auf eine gute Antwort warte ich auch gerne länger. ;-)
„Wenn die Menschheit kollektiv beschließt, dass die Sonne sich um die Erde dreht, dann "ist" das so. Allerdings meint (philosophischer, quengelig-neinsagerischer) "Geist" eigentlich immer die Frage: IST das denn so ?“
Klar, und zurecht. Aber ich denke, eine Abstraktionsstufe höher steht man erneut vor dem Problem. Baut man Kritik, alle Fürs und Widers, Wenns und Abers und was die aktuellen Spitzenleute gerade dazu meinen mit ein, steht man vor dem besten Ergebnis, was man redlicherweise gerade haben kann und einer sozialperspektivischen Lösung, aus der man m.E. das Geisthafte auch streichen kann.
„Das, worauf man sich da nämlich "geeinigt" hat, ist nie "unschuldig" .“
Das glaube ich auch nicht, aber die Gegenfrage ist m.E. die, wie „unschuldig“ die Rede von der Wahrheit oder Objektivität ist (oder prinzipiell sein kann).
„Und damit (trotz Habermas` neokantianischen "herrschaftsfreien Diskurs" , der eigtl. nur im Wissenschaftsbetrieb gewisse Relevanz hat) auf grundlegende (verschiedenstartig strukurierte) Gewaltverhältnisse.“
Finde ich eigentlich nicht. Erstens gibt es auch in der Wissenschaft überall die Machtfrage, aber andersherum, gibt es überall in Machtstrukturen die Frage nach den besseren Gründen. Manchmal mit einem Einschlag in Richtung Wahrheit: „Ist das wirklich so?“, manchmal in Richtung Moral: „Wieso sollte ich?“ Auch Machtstrukturen sind nie starr, sondern immer in Bewegung, weil es neue Erkenntnisse, Kräfteverhältnisse, Perspektiven … gibt.
„Was für Hegel (was ja auch unmittelbar einleuchtend wirkt) "die Wahrheit" ist, ist für Marx im sehr harten Sinne "der (gesellschaftliche) Schein" .“
Mein Reden.
Wobei man auch hier, um fair zu sein, sagen muss, von welcher Wahrheit man gerade redet. Hier stoßen allerdings viele noch nicht mal zum Problem durch. Die einen leugnen, dass es überhaupt mehr als die marxistisch-leninistische Wahrheit gibt, die auch nur erwähnenswert wäre (dass ein solch' rigider Dogmatismus überhaupt noch existiert, hätte ich gar nicht geglaubt), die anderen sagen, dass es genau eine Wahrheit gibt (wie die Welt zum Zeitpunkt genau x ist), ansonsten einen Haufen Meinungen über deren Beschaffenheit, die alle mehr oder weniger weit von der Wahrheit abweichen. Diesen Realismus (mit stark korrespondenztheoretischen Zügen) würde ich als theoretisch richtig, aber praktisch unbrauchbar kritisieren.
Übrig bleibt m.E. so eine Hybridsicht, der großenteils konsenstheoretisch (nach Habermas) ist und glaube ich auf korrespondenztheoretische Elemente zurückgreift, so dass eine Einstellung ist, dass die Korrespondenztheorie der Wahrheit letztlich ein Spezialfall der Konsenstheorie ist, jedenfalls im Praktischen von uns so benutzt wird.
Was Wahrheit ist wäre demnach immer nur die Ansicht unserer besten Argumente dazu, was natürlich nichts damit zu tun hat, dass ein Turm höher wird, weil sich die Meinung über seine Höhe ändert. Ich erwähne das nur, weil diese grobschlächtige Blödheit immer als irgendwie feinsinnigstes Gegenargument eingeführt wird, so dass einem die Tränen kommen.
„Entweder man geht letztlich noch klassisch (sagen wir, wie Nietzsche) vom einzelnen Subjekt aus, oder man beruft sich auf das konkrete (existenziale, "geworfene") "Dasein" , als quasi "unmittelbaren" , "sinnlichen" (der eben darin seine "Wahrheit" hat) Weltbezug; - als Gegenentwurf zur "Abstraktion" des klassischen Cartesianischen Subjekts.“
Man kann ja nach wie vor beides machen. Festzustehen scheint, dass das Subjekt oder Ich erstaunlich fertig, geschlossen, konsistent auf die Welt kommt. Dafür spricht z.B. Kants „synthetische Einheit“, die sich brav all die Eindrücke einverleibt und ordnet und was immer schon da ist – und da sein muss – damit die letztlich unüberzeugenden Argumente des Empirismus überhaupt greifen können. Den Vergleich zwischen etwas durchführen zu können, setzt den Rekurs auf eine zum Vergleich fähig Instanz voraus, damit ist die Sache ein für alle mal geklärt. Empirisch (nicht empiristisch) könnte man die Arbeiten von Daniel Stern (ein Säuglingsforscher) anführen, der ebenfalls erstaunlich fertige Säuglinge vorgefunden hat. Nur ist das was wir meinen, wenn wie „Ich“ sagen (und damit „das Ich“, nicht uns selbst meinen) ziemlich verschieden.
Das führt uns zur anderen Seite, dass dem Ich (und Descartes war ja keineswegs dämlich, er hatte ein reflexives Ich im Auge, über das er redete) eine Entstehungsgeschichte zugrunde liegt und die nicht nur im biologischen Sinne, sondern vor allem im philosophischen, jedes komplexere Ich braucht das Du, was man irgendwie bei Wittgenstein, Heidegger, Strawson, Habermas, Apel findet. Wir müssen also die „Iche“ unterscheiden, über die wir reden und letztlich haben glaube ich beide Seiten recht. Ein Ich ohne Du und Welt bleibt kümmerlich und ganz ohne Ich geht es auch nicht.
„Dann wird die gesamte "intersubjektive" Sphäre, gerade der Politik und der Medien, wie bei Heidegger, zum (apersonalen) "Gerede" , oder zum "Man" .“
Damit wird, m.E. berechtigt, der Fokus auf die regressive Seite der Öffentlichkeit gelegt, die Heidegger m.E. vollkommen zutreffend und hellsichtig beschreibt. Doch es gibt eben auch den nichtregressiven Aspekt, die als „Schwarmintelligenz“ m.E. etwas zu verklärt ist, aber in einem gerichteten Teamwork zu erkennbar wird, wenn man denn will.
„- Wenn man so will , und stark vereinfacht, ist der Rekurs auf das "Entfremdete" (der Gesellschaft) "links" , der Rekurs auf das "je Eigene" (des -ziemlich kontingenten- individuellen "Daseins" ) politisch eingeordnet "rechts" .“
Weiß ich nicht.
„- Stattdessen gibt es, man kann es zumindet behaupten, um mit dem Mitforisten Mopperkopp zu sprechen, "Steinzeitlinke" und "Steinzeitrechte" , die beide die "Alternativlosigkeit" der Situation reproduzieren.“
Ich stimme dem insofern zu, als es extreme Zuspitzungen (und damit Regressionen) gibt.
„Was darüber hinaus geht, findet sich allenfalls im Wissenschafts- (oder Philosophie-) Betrieb und wird dem "Markt" ( z.B. der Meinungen) meist nicht zugemutet. Dort herrscht, weil u.a. ökonomisch "praktischer" , die Sensation und das Ressentiment. Und zwar, wenn man so will, - "man" hat sich darauf schließlich "geeinigt" - , relativ "objektiv" .“
Regressiv. Das ist keine Einigung im klassischen Sinne, sondern ein großgruppen- und massenpsychologisches Notfallprogramm. Da das aber bekannt ist und man die Stellschrauben kennt, kann man auch Gegenstrategien entwickeln.