In der täglichen SWR2-Musikstunde beschäftigt sich in der Sendewoche vom 5. bis 9. Mai täglich ab 09:05 Uhr Katharina Eickhoff unter dem Thema „Andersrum“ mit der schwul-lesbischen Kulturgeschichte – unter besonderen Berücksichtigung der Musik. Die Sendungen können 7 Tage lang im Internet nachgehört werden. Ergänzend gibt es auch Sendemanuskripte. Dazu SWR2:
„Zeit..., mal festzuhalten, wie sehr schwul-lesbisches Lieben und Leben Kunst und Denken und die Musik des Abendlands mitgeprägt hat, von David und Jonathan in der Bibel über Platons Phaidros bis zu Jimmy Somervilles Small Town Boy.
Natürlich war und ist die Geschichte der Homosexualität meistens eine Geschichte von Verfolgung, Ausgrenzung, Ablehnung. Aber die hat eben auch unbezweifelbar große Kunst hervorgebracht! Es geht in dieser Reihe nicht darum, zu bestimmen, was "schwule Musik" ist - die gibt es nicht, aber man kann die Klischees benennen und beschreiben, wie die verschiedenen Epochen mit Homosexuellen umgegangen sind, von der Antike, wo der schöne Antinoos zum Gott stilisiert wurde, bis zum 20. Jahrhundert, wo Antinoos mit Rosa Winkel im KZ gelandet wäre - und, ein paar Jahrzehnte später, als Karl Lagerfelds Muse Karriere gemacht hätte.
Und diese assoziative Tour d'Amour lässt sich wunderbar mit Musik begleiten und "bebildern"....
Kommentare 2
„Gut gemeint“ bewirkt oft das Gegenteil
Es sind auch die *Klischees, die den Umgang der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft mit der homosexuellen Minderheit ausmachen und die die Sichtweise verzerren.
Eine Minderheit, die ja im übrigen eben nicht nur aus Schwulen besteht, sondern auch aus Lesben (warum die Lesben regelmäßig unterschlagen werden, erklärt sich woraus? Vielleicht daraus, dass sich heterosexuelle Männer von homosexuellen Frauen nicht so sehr in ihrer „Männlichkeit“ bedroht sehen, wie von homosexuellen Männern? Vielleicht.)
Zu den *Klischees:
In Zeiten massivster Unterdrückung alles Homosexuellen, gab es häufig eine Nische, in der Schwule und Lesben von der „paranoid homophoben“ heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft wenn schon nicht akzeptiert, so doch irgendwie „geduldet“ wurden, die Kunst (und alles was auch nur am Rande damit zu tun hat).
Doch das führte dazu, dass man homosexuellen Menschen eine besondere (angeblich „naturgegebene“) Begabung für alles künstlerisch-kreative Wirken zuschrieb, die so einfach nicht vorhanden ist. Was vorhanden war, ist die deutlichere Sichtbarkeit homosexueller Menschen in diesen Nischen, weil z.B. homosexuelle Schriftsteller, wie Truman Capote oder Tennessee Williams sich viel weniger um die Ablehnung kümmern mussten, die ihren weniger bekannten „Mit-Homosexuellen“ entgegen schlug. Komponisten, Musiker, Maler, Bildhauer, bis hin zu Modedesignern und - ja, noch so eine Nische - Innenarchitekten, Friseure und „sogar“ Schaufensterdekorateure kümmerten sich viel weniger um Phobiker und Ewig Gestrige, denn sie waren bereits „ausgegrenzt“, weil manche meinten „Künstler haben ja sowieso alle irgendeinen Dachschaden = Genie und Wahnsinn“, so die bei vielen vorhandene unterschwellige Einschätzung der Künstler, na und da kam es auf die andere „verrückte“ Sexualität dann auch nicht mehr an :-)
Unter diesen Vorurteilen haben diejenigen homosexuellen Menschen, die weder besonders kreativ, noch sonst wie künstlerisch begabt oder auch nur interessiert waren, lange Zeit sehr zu leiden gehabt. Das Verrückte:Man nahm sie gar nicht als Homosexuelle wahr und das, obwohl es sich bei diesen Menschen, die in allen Berufsgruppen, allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten/Gruppierungen vorkommen, wohl eindeutig um die übergroße Mehrheit der Homosexuellen handeln dürfte.
Nachdem immer mehr „Betroffene“ erkannt haben, dass es darum geht zunächst überhaupt erst einmal wahrgenommen, zu werden, will man seine Menschen- und Bürgerrechte erkämpfen, ist auch die Sichtbarkeit dieser Menschen größer geworden.
Plötzlich nimmt die Gesellschaft verblüfft zur Kenntnis, dass es unter den Arbeitern, Angestellten, Beamten, Lehrern, Hochschullehrern, Anwälten, Ärzten, Sportlern, Journalisten, Polizisten, Soldaten, Müllmännern, Baggerführern etwa den prozentual gleich hohen Anteil homosexueller Menschen gibt, wie er bei den „Künstlern“ schon immer vermutet oder behauptet wurde.
Dass die „eher langweiligen, weil nicht als bunte Vögel oder Exoten auszugrenzenden“ Homosexuellen plötzlich sichtbar sind, weil sie das Versteckspiel leid sind, führt jedoch teilweise erneut zu ganz merkwürdigen Verhaltensweisen der Mehrheitsgesellschaft. Da wird in Hunderten Leserkommentaren darüber geklagt, „dass man nicht dauernd mit diesem Thema konfrontiert werden möchte, dass es jetzt langsam mal genug sei, mit all den Hitzlspergers, Wowereits usw., denn schließlich trage man seine heterosexuelle Identität ja auch nicht wie eine **Monstranz vor sich her“.
Diese Zeitgenossen haben nicht verstanden, dass es hier um einen Emanzipationsprozess geht, der erst abgeschlossen sein wird, wenn gleiche Rechte wirklich umgesetzt sind. Dann - ich werde es mit Sicherheit nicht mehr erleben - werden sowohl Outings (nicht zu verwechseln mit Coming Out), als auch öffentliche Erörterungen in der Art, wie sie z.B. bei ***Queer.de an der Tagesordnung sind, aufhören.
Die verstärkte Sichtbarkeit von Homosexuellen in der Gesellschaft führt auch zu den bekannten, unfreiwillig komischen, Abwehrreaktionen besonders bei rechtskonservativen, klerikalen und puritanisch-moralischen Menschen, nämlich dem krampfhaften Versuch den Anteil Homosexueller an der Gesamtgesellschaft solange herunterzurechnen, bis „nix mehr vorhanden ist“, mit dem man sich auseinandersetzen müsste (neulich schrieb in der rechtskonservativen FAZ.net ein Leser „es handele sich bei Homosexuellen nur um etwa 0,1 % der Menschen“ :-) ).
** Wie Heterosexuelle ununterbrochen ihre sexuelle Identität, als „Monstranz“ :-) vor sich hertragen (unterschwellig bzw. subtil), hat schon vor Jahren Stefan Niggemeier in seinem Blog sehr schön beschrieben (inzwischen fast so etwas wie ein Klassiker, diese Streitschrift von ihm) http://www.stefan-niggemeier.de/blog/die-schwulen-sollen-wieder-verschwinden/
*** http://www.queer.de/detail.php?article_id=21530
Das ist sicher alles richtig. Aber die Sendung heißt "Musikstunde". Es geht also IMMER um Künstler & Künstlerisches. Und in diesem Fall eben darum, aufzuzeigen, welche und wieviele schwule Themen & Schwule/ Lesbierinnen in Musik und Kunst auftauchen - ohne immer als solche erkennbar zu werden. Ich wäre z.B. nie auf die Idee gekommen, in Händels "Saul" könnte eine schwule biblische Geschichte erzählt werden. Falls es denn tatsächlich so sein sollte.
Das wäre also schon mal ein Aspekt, der für Kunst-/ Musik-Liebhaber interessant sein könnte. Und um die geht es. Ein anderer Aspekt ist der, dass auch aufgezeigt wird, wie unterschiedlich Gesellschaften in der Geschichte mit der schwul-lesbischen Thematik umgegangen sind.
Ich denke also, dass es durchaus legitim & interessant ist, diesem Thema eine Sendereihe in einem Kulturprogramm zu widmen.