„Ich bin Muslim und habe 2 Söhne. Sie galuben nicht wie entlastend es ist, dass meine Söhne da nicht durch können. Vielen Dank liebes Gericht. Mein Vertrauen ins deutsche Rechtssystem wächst. Wer bin ich, das ich die Schöpfung beschneiden muss? Wenn Got[t] wollte, wären wir beschnitten geboren.“
Kommentar bei Cicero ( http://www.cicero.de/berliner-republik/urteil-gegen-beschneidung-wie-weit-darf-der-staat-die-religionsfreiheit-eingreifen/49850?print )
Bei der Beschneidung der Muslime kommt dadurch, dass sie später erfolgt, eindeutig ein säkulares Moment hinzu, das bei der sehr frühen jüdischen Beschneidung ausscheidet: der (bewußt erlebte erlebte) Initiationseffekt. So überschreibt die türkischstämmige Journalistin Hatice Kilicer ihre Reportage über die Beschneidung eines sechsjährigen Jungen mit „Der kleine Yusuf wird zum Mann“. Im Artikel selbst spricht sie an einer Stelle gar vom Durchstehen der Beschneidung als „Heldentat“. Yusufs Mutter wird so zitiert: „Das Zipfelchen wird abgeschnitten,...dann wirst du ein Mann“. (Stuttgarter Zeitung vom 17.10.2009).
Einen weiteren profanen Grund für die Beschneidung nennt Yusufs Mutter in der Reportage:
„Die Beschneidung ist für die rituelle Reinheit unverzichtbar.“ (a.a.O.) Dröhnend nationalistisch wird es dann schließlich bei dem türkischen Schriftsteller Kemal Kurt:
„Weinen galt als Blamage. Als Gipfel der Tapferkeit gilt, wenn ein Junge es fertig bringt, im entscheidenden Moment „Es lebe die türkische Republik!“, „Es lebe Mustafa Kemal Atatürk!“ oder dergleichen zu brüllen. Ich blieb stumm. Mir war nicht nach Heldentaten. Mein Vater war viel zu weichherzig, um der Abgelegenheit beizuwohnen. Er wartete draußen vor der Tür und kam erst wieder herein, als die Anwesenden die Geschicklichkeit des Beschneiders und den Mut des Beschnittenen mit Applaus quittierten.“(8)
Auch darin kann ich nichts Religiöses erkennen.. ... Na ja, es gibt ja die sogenannte „Zivilreligion“....
Es sind dies alles eher spontan niedergeschriebene Vermutungen oder Resultate sehr oberflächlicher Recherche, aber auch spekulatives Denken muss ja nicht zwangsläufig schaden. Auch müssen plausible religiöse Begründungen dem bisher Gesagten nicht entgegenstehen. Wie ich irgendwo gelesen habe, versucht unser Gehirn für alles eine plausible Erklärung zu finden. Und wenn eine frühe Beschneidungserfahrung eben wegen ihres frühen Zustandekommens aus dem Zusammenhang und aus den (unbekannten) Motiven der Verantwortlichen nicht hinreichend erklärt werden kann, dann nutzt man eben aus dem, was man abgespeichert hat, das Plausibelste, um sich diese Erfahrung dennoch zu erklären. So mag zusätzlich zu den geäußerten Behauptungen der religiösen Erfinder der Beschneidung bei den Betroffenen die Bereitschaft kommen, solche Begründungen dankbar zu übernehmen und bei Bedarf selbst zu ergänzen.
Man darf dann vielleicht auch annehmen, dass die Reaktionen von Betroffenen auf das Infragestellen solcherlei Rationalisierungen umso heftiger ausfallen, je dramatischer und unerklärlicher das Beschneidungsereignis erlebt wurde und/ oder je mehr Sicherheitsgefühl und Stabiulisierung der aktuelle Status Quo vermittelt.
Heftige emotionale Reaktionen können aber auch von der Beschneidung vollkommen unabhängig sein, denn die Religion selbst kann so durch Ängste abgesichert und so identitätsstiftend sein, das ihr Infragestellen dem gesamten eigenen Leben und/ oder der ganzen eigenen Persönlichkeit die Basis entzieht:
„Und ein unbeschnittener Mann, einer, der sich nicht beschneiden läßt am Fleisch seiner Vorhaut, dessen Seele soll ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat!“ (3)
Solch emotionale Aufladung macht sachliche Auseinandersetzung schwierig, weil sie dazu neigt, sich in einen Stellungskrieg zu verwandeln. Wobei dafür nicht nur eine Seite verantwortlich sein muss. Im Thema "Beschneidung" können auch Unbeschnittene und Beschneidungsgegner bequem unbewältigtes Eigenes unterbringen-
Das macht diese Debatte so heikel und das debattierte Gerichtsurteil so provokant. Darin aber liegt auch die große Chance von neuer (Ein)Sicht und Veränderung auf allen Seiten. Denn überwältigende und beherrschende Ängste sind häufig kindlich, und damit längst überholt und unangemessen. Sich ihnen zu stellen kann zur Erfahrung der Welt oder eines Problems als Erwachsener führen. Und zu neuer Selbstermächtigung. Das macht die Debatte sinnvoll. Insgesamt also ist es eine heikle Gratwanderung.
Auf ARTE lief derweil, zufällig passend, eine Sendung über die Aufklärung. Und genau um deren Fortführung scheint es mir in dem debattierten Gerichtsurteil zu gehen: um die Einladung, eine möglicherrweise religiös verursachte Unmündigkeit in Sachen Beschneidung zu verlassen und sich um eine eigene, unabhängige Position zu bemühen. Na ja, vielleicht ist es auch ein Wink mit dem Zaunpfahl. Soll auch vorkommen.
http://www.villaglobal.de/texte/BESCHNEIDUNG_KEMAL.pdf
Literatur, Audio und Filme zur Beschneidung und zum Urteil:
http://www.youtube.com/watch?v=P-5VbZFbmj4
Ein Film über die Beschneidung eines 9-jährigen Türkenbuben. Ein großer Festtag für die alevitische Familie aus Göppingen. Und ein Beweis dafür, dass der Islam Traditionen wahren und doch undogmatisch sein kann. Im Auftrag von www.swr.de
http://www.youtube.com/watch?v=U5kaEEckXmU&feature=player_embedded#!
Mom, why did you circumcise me?
This documentary was made by journalist/filmmaker Michael Schaap.
Gefunden von dame.von.welt
http://www.youtube.com/watch?v=Q5o6VgBOpFQ&feature=relmfu
Ein Rabbi sagt, daß Beschnittensein oder nicht, nichts mit dem Jüdischsein zu tun hat.
http://www.youtube.com/watch?feature=endscreen&v=C9C6T9QoLTM&NR=1
Jüdische Eltern, die bei der Beschneidung ihres Sohnes dabei waren haben ihre Entscheidung bedauert.
Gefunden von Schachnerin
http://guggiedaly.blogspot.de/2012/06/even-in-israel-parents-avoid.html
Even in Israel Parents Avoid Circumcision. Umfangreiches und hoch informatives Dossier von Haaretz.
Gefunden von Ursula Keller
http://nocirc.org/symposia/second/montagu.html
Ashley Montagu: Mutilated Humanity, Presented at The Second International Symposium on Circumcision, San Francisco, California, April 30-May 3, 1991.
http://www.violence.de/prescott/truthseeker/genpl.html
GENITAL PAIN VS. GENITAL PLEASURE: WHY THE ONE AND NOT THE OTHER
James W. Prescott, Ph.D. Institute of Humanistic Science San Diego, CA
http://www.violence.de/prescott/bulletin/article.html
BODY PLEASURE AND THE ORIGINS OF VIOLENCE By James W. Prescott
http://adam1cor.files.wordpress.com/2012/06/151-ns-169-11-beschneidung.pdf
Das Urteil höchstselbst
http://data.aerzteblatt.org/pdf/105/34/a1778.pdf
ZIRKUMZISION BEI NICHT EINWILLIGUNGSFÄHIGEN JUNGEN
Strafrechtliche Konsequenzen auch bei religiöser Begründung. Wenn keine medizinische Notwendigkeit besteht, sollte der Eingriff vom Arzt abgelehnt werden.
Von Maximilian Stehr, Holm Putzke, Hans-Georg Dietz
http://www.info-und-design.de/pdf/2008-03-holm-putzke-fs-beschneidung.pdf
Die strafrechtliche Relevanz der Beschneidung von Knaben
Zugleich ein Beitrag über die Grenzen der Einwilligung in Fällen der Personensorge
Holm Putzke
http://www.holmputzke.de/images/stories/pdf/2008_fs_herzberg_beschneidung.pdf
Holm Putzke ausführlich zum juristischen Hintergrund
http://www.holmputzke.de/index.php?option=com_content&view=article&id=23&Itemid=29
Religiöse Beschneidung. Literaturübersicht von Holm Putzke
Beschneidungs-Urteil: Juristisch und rechtsethisch fragwürdig
Von HANS MICHAEL HEINIG
http://www.juedisches-recht.de/rec_matrilinearitaet.php
„Mutilare Genitalia“ Römisches Recht und jüdische Matrilinearität
Vater oder Mutter ? Von Joseph Mélèze Modrzejewski
Gefunden von Musica
Religiöse Beschneidungen von Jungen verboten
von Prof. Dr. Holm Putzke
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1796548/
Bei Kindergewalt-Debatte "religiöse Beschneidung ausgeblendet". Prof. Dr. Holm Putzke zum Körperverletzungsurteil des Kölner Landgerichts
Nach Urteil: „Ärzte sollten religiöse Beschneidung ablehnen“
Interview mit Prof. Dr. Holm Putzke
Beschneidung als Körperverletzung –
Wie weit geht die Religionsfreiheit? Es diskutieren: Günther Bernd Ginzel, jüdischer Publizist, Köln Robert Leicht, politischer Korrespondent "Die Zeit", Hamburg Prof. Dr. Holm Putzke, Strafrechtler, Universität Passau Gesprächsleitung: Matthias Heger
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