Post vom Bahn-Aufsichtsrat

S21 Vor dem 5.März 2013 bekam der Bahn-Aufsichtsrat allerlei aufmüpfige Post aus Stuttgart. Der Vorsitzende, „Professor“ Utz-Hellmuth Felcht ließ nun allergnädigst antworten.

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Zur Vorgeschichte: Im Dezember 2012 sah sich die Deutsche Bahn AG gezwungen, endlich zuzugeben, dass S21 nach eigener Berechnung, die erfahrungsgemäß prinzipiell weit neben der Wirklichkeit liegt *), um bis zu 2 Mrd. Euro teurer werden soll. Nach der Landtagswahl war nun auch die Stuttgarter OB-Wahl nicht wunschgemäß ausgefallen, also sah man sich gezwungen, diese „neuen Erkenntnisse“ außerhalb der gewohnten Mauschelgremien und auch noch einigermaßen nah an der Wahrheit bekanntzugeben. Und kein schwarzgelber Demokrator stand zur Verfügung, um die Geschichte fürs tumbe Volk zurecht zu lügen.

Also sah sich der Aufsichtsrat der Bahn gezwungen, zur Beruhigung der Gemüter ein Weilchen öffentlich Widerstandsgymnastik vorzuturnen, bevor man dann am 5. März 2013 den Weiterbau auf der Basis von vermutlich wiederum falschen Zahlen des Bahnvorstandes abnickte. Wie wenig diese sehr bestellt wirkenden Zahlen alleine wirkten, ergibt sich aus Informationen/ Gerüchten über die Vorgänge im Vorfeld des „Beschlusses“

Demnach gab es vor der entscheidenden Sitzung des gesamten Aufsichtsrats eine teilweise dramatisch verlaufende Besprechung eines ausgewählten Klüngels von sieben Bahn-Aufsichtsräten um den Vorsitzenden Utz-Hellmuth Felcht. Geladen waren offenbar drei Staatssekretäre aus dem Verkehrs-, Finanz- und Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um, Ex-RWE-Chef Jürgen Großmann, Ex-E.On Personalvorstand Christoph Dänzer-Vanotti und FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

Ausbaldowert werden sollte das Abstimmungsverhalten und dabei soll es das Problem gegeben haben, dass nur der Staatssekretär von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), Michael Odenwald seine Zustimmung zum weiteren Bau von S21 geben wollte; der Finanz- sowie der Wirtschaftsstaatssekretär wollten dagegen nicht zustimmen. „Ohne deren Ja-Stimmen, fand Felcht, sollten auch die anderen Eigentümervertreter den Weiterbau verweigern.

Die Folgen waren den Anwesenden sofort klar: Stuttgart 21 würde zu einem unkalkulierbaren Thema im beginnenden Bundestagswahlkampf.

In der Runde brach Hektik aus. FDP-Generalsekretär Döring rief seinen Parteifreund, Wirtschaftsininister Rösler, an und meldete sich mit der frohen Botschaft zurück:”Herr Rösler hat das geregelt.” Im Klartext: Wirtschaftsstaatssekretär Heitzer werde den Weiterbau nun doch absegnen.

Nun blieb nur noch offen, ob auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seinen Staatssekretär Beus auf Linie gebracht hatte. Aber diese Frage stellte sich wenig später überraschenderweise gar nicht mehr. Denn Beus, hieß es kurz nach Beginn der Aufsichtsratssitzung, falle wegen gesundheitlicher Probleme bei der Abstimmung aus.“

Damit war das kollektive bewußtlose Abnicken gesichert und im Gesamtaufsichtsrat enthieltsich Ex-E.On-Manager Dänzer-Vanotti und der Vertreter der Lok­füh­rer­ge­werk­schaft stimmte dagegen. (Reinhold Boehmer, Wirtschaftswoche, zitiert nach o.a. Link).

Ausschlaggebend waren danach weder sachliche noch juristische Gründe, sondern lediglich die Frage, welchen Kurs die Politik wünschte. Es war wohl ein krimineller?

Genau davon aber steht nichts in dem Brief, den der Herr Honorarprofessor Felcht jetzt allergnädigst an einen Parkschützer (nicht an mich, wohlgemerkt!) schreiben ließ, der ihm seinerseits im Vorfeld des kollektiven Abnickens brieflich ins Gewissen zu reden versucht hatte.

Stattdessen versucht Felcht den Eindruck zu erwecken, man sei nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema der wirtschaftlichen Vernunft gefolgt. Nach allem, was der Stuttgarter Widerstand dazu auf den Tisch gelegt hat, eine glatte Lüge. Und wie schrieb doch die FAZ just am 5.(!) März 2013: "Bahnchef Grube gestand ein, dass die Bahn mit heutigem Kenntnisstand „das Projekt nicht noch einmal beginnen würde“.

Bessere Alternativen habe es in all den Jahren kontroverser Debatte nie gegeben, mein Felcht weiter und provoziert damit nur die Frage, ob die Aufsichtsräte über kein Internet und/ oder TV verfügen. Aber bereits die Lektüre der richtigen Zeitungen könnte ja als Einstieg schon mal weiterhelfen.

Der dickste Hund aber ist die Berufung Felchts auf die vielen parlamentarischen Mehrheiten in dieser Sache. Als ob nicht Merkel & die Herrenknechts die einzig relevante "Mehrheit" bei der Aufsichtsratsentscheidung gewesen wären.

Kein Wort dagegen von Felcht zu den im Vorfeld an den Aufsichtsrat gerichteten, konkreten Hinweisen auf die vom Stuttgarter Widerstand aufgedeckten Lügen und Betrügereien und die strafrechtliche Relevanz der Aufsichtsratsentscheidung , zu denen auch hier im FREITAG immer wieder geschrieben wurde. **)

Copy&Paste-Zitate sind mir leider nicht möglich, aber jeder kann ja selbst den Link anklicken und die eine Seite lesen. Von mir ergänzend dies: MP Kretschmann ließ meine neuliche Mail an ihn dreiseitig beantworten – woraus man immerhin schließen kann, dass er nicht ganz ohne eigene Argumente ist und den Bürger auch ein bisschen ernster nimmt.

Aber Felcht ist da ja bereits vorher einschlägig hervorgetreten, als er sich weigerte, einer Einladung des Parlamentarier-Pöbels im Verkehrsausschuss des Bundestages Folge zu leisten. Der demokratische Pöbel schließlich lehnte es seinerseits ab,zu der Audienz zu erscheinen, die der Herr Honorarprofessor nach langem Zögern schließlich höchst gnädiglich zu gewähren gewillt sich zeigte. Der SPIEGEL lässt seinen Bericht zu diesem Vorgang vermutlich zutreffend durch den verkehrspolitischen Sprecher der SPD, Sören Bartol schließen :

"Der Aufsichtsratsvorsitzende ist Ramsauers Mann. Er hat ihn ernannt. Offensichtlich verbietet Bundesverkehrsminister Ramsauer, dass Herr Felcht im Deutschen Bundestag erscheint. Ich erwarte, dass der Minister dafür sorgt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende in der kommenden Woche im Verkehrsausschuss erscheint."

Wer ist eigentlich dieser Felcht, der sich, leider zu Recht, in „seinem“ Brief als „Herr Professor“ titulieren lässt? Er ist nicht nur Honorarprofessor, sondern hat diesen Titel auch von zwei interessanten Hochschulen verliehen bekommen, laut Wikipedianämlich von der TU Münchenund der Jilin-Universität in Changchun (China).

Nein, ich sage jetzt nicht, dass beide in autoritär regierten Ländern angesiedelt sind. Das denkt sich beim Lesen ohnehin jeder. Ich verweise lieber auf ein paar interessante Gedanken, die man sich an dieser Stelle zum Thema Honorarprofessor machen könnte:

http://www.zeit.de/studium/hochschule/2012-10/honorarprofessur-schavan-promis/komplettansicht

http://www.taz.de/!110717/

https://de.wikipedia.org/wiki/Honorarprofessor

Aber zurück zum eigentlichen Tratsch: Das Apportieren könnte der Herr Honorarprofessor beim Grundwehrdienst gelernt und 1967 als Fähnrich und Ausbilder in der 3./ PzGrenBtl 332 Fürstenau, und 1968 als Oberleutnant d. Reserve zum „Radfahren“ weiterentwickelt haben. Wer weiß.

Nach dem Chemie-Studium und etwas wissenschaftlicher Assistenz machte er dann von 1977 bis 1998 seine zivile Karriere bei der Hoechst AG in der Bundesrepublik und den USA. Danach ging's über die SKW Trostberg AG, zur Degussa AG und zur RAG Aktiengesellschaft und mündete 2007 schließlich in einer „Partnerschaft“ mit der Frankfurter Filiale des Finanzinvestors One Equity Partners - ein Private Equity-Unternehmen der zweitgrößten US-amerikanischen Bankengruppe JPMorgan Chase & Co .

Am 10. März 2010 entschied dann die Bundesregierung, Felcht an die Spitze des Aufsichtsrates der DB zu wählen zu wählen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Utz-Hellmuth_Felcht

https://de.wikipedia.org/wiki/One_Equity_Partners

Dass ausgerechnet ein Chemiker am Ende bei einer „Heuschrecke“ landet, mag zunächst etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen, schließlich dient die Chemie für gewöhnlich ja dazu, solcherlei zu vernichten – wobei ich jetzt bitte keine historischen Konnotationen auslösen will. Felcht folgt damit auch nur dem Lauf der Profitinterssen bei seiner Mutter-Bank. Hierzu ein kleiner Exkurs:

Die New York Chemical Manufacturing Company wurde 1823 als Herstellerin verschiedener Chemikalien gegründet. 1824 änderte die Gesellschaft ihre Satzung, um die Geschäftstätigkeit als Bank zuzulassen, und schuf damit die Chemical Bank of New York. Nach 1851 wurde die Bank von ihrer Muttergesellschaft getrennt und wuchs sowohl organisch als auch durch eine Serie von Übernahmen. Zu den bekanntesten Übernahmen gehören die Corn Exchange Bank, Texas Commerce Bank und Manufacturer's Hanover Trust Company. Zu verschiedenen Zeitpunkten im Verlauf ihrer Geschichte war Chemical Bank die größte Bank der USA (entweder nach Vermögen oder Marktanteil in Bankeinlagen).

1996 kaufte die Chemical Bank die Chase Manhattan Corporation und nahm den Namen des übernommenen Unternehmens an. Im Jahr 2000 erwarb sie auch die J.P. Morgan & Co. und änderte ihre Firma in J.P. Morgan Chase & Co. Im Verlauf dieser Fusionen behielt JPMorgan Chase den Firmensitz und den Großteil des Managements der Chemical Bank.“

Jo, wenn die Chemie stimmt..... Und Erfahrungen mit dem Staatsanwalt hat man auch schon – was nach dem letzten Aufsichtsratsbeschluss hilfreich sein könnte. Zumindest hat man schon mal die Telephonnummern der teuren, smarten Rechtsanwälte, die man dann braucht, um die Gesetze kapitalkonform zu „interpretieren“ und dem juristischen Pöbel des Stuttgarter Widerstandes – so womöglich die einschlägige Denke – eins überbraten zu können.

Laut SPIEGEL war Felcht aber trotz dieser viel versprechenden Voraussetzungen nur eineB-Lösung für die Bahn“ und das „Ende einer quälend langen Kandidatenkür“, bei der am Ende nach medialem Eindruck die langjährige Bekanntschaft mit dem Verkehrsminister-Darsteller Peter Ramsauer („Vitamin B“) den Ausschlag gab, den Felcht während seiner Tätigkeit bei der SKW Trostberg kennengelernt hatte. Neben diesem KO-Kriterium gab es aber noch ein zweites. Felcht spielt – wie auch Ramsauers Großer Vorsitzender Seehofer – offenbar ausgiebig, unverwüstlich und gern mit seiner elektrischen Eisenbahn:

"Der Mann steht nicht eben wie ein strahlender Held da. Er vertieft sich gerne in Unterhaltungsliteratur oder spielt mit seiner Modelleisenbahn - Hobbys, die im Allgemeinen eher Besitzern von Reihenhäusern in der Vorstadtsiedlung zugeschrieben werden und nicht hochrangigen Konzernführern.

Auch beruflich lief nicht immer alles nach Plan. Im Jahr 2006 wurde er von dem damaligen RAG-Chef Werner Müller vom Chefposten bei Degussa weggebissen. Im November 2009 musste er seinen Aufsichtsratsposten beim Graphit-Spezialisten SGL Carbon räumen, um Platz für die neuen Mehrheitsaktionären Susanne Klatten zu machen.

Doch jetzt hat er es endgültig geschafft: Utz-Hellmuth Felcht wird Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn. Die Bundesregierung verständigte sich am Sonntag auf den 63-Jährigen Chemieprofessor, der als Vertrauter von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer gilt.

Felcht löst damit ausgerechnet jenen Mann ab, der ihm einst den einschneidenden Karriereknick bescherte: RAG-Chef Müller. Je nach Perspektive wird man seine Ernennung jetzt wohl als Auszeichnung oder als nachträgliche Misstrauensbezeugung gegen Müller interpretieren...."

Und wieder stimmt also die Chemie..... Und man versteht: dieser Mann ist der fleischgewordene willige Helfer des Herrn Ramsauer und seiner „Mutti“. Egal was wirtschaftliche Vernunft und Verantwortung gebieten. Legal, illegal, scheißegal..... Hauptsache, der Bürger hat nicht das letzte Wort......

Mehr zur illustren Gesellschaft im Aufsichtsrat hat die Bundestagfraktion der Linken zusammengestellt.

http://dokumente.linksfraktion.net/mdb/7764010724.pdf

Einiges dazu auch hier:

https://www.freitag.de/autoren/seriousguy47/kriminelle-republik-kompakt

https://www.freitag.de/autoren/seriousguy47/eine-kleine-filz-fibel-zu-s21

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*) Siehe dazu auch: http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2013/03/arme-reiche-bahn/

**)

http://www.freitag.de/autoren/mcmac/im-brandfall-bitte-den-aufzug-benutzen

http://www.freitag.de/autoren/mcmac/angela-pharaos-pyramide-21

http://www.freitag.de/autoren/mcmac/muttis-wahnhof

http://www.freitag.de/autoren/mcmac/bahnhof-verstehen-05

http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2013/02/blick-in-den-abgrund/

http://www.kontextwochenzeitung.de/fileadmin/user_upload/2013/3/13032013/Schreiben_des_OB_an_Kirchner_bs.pdf

http://www.freitag.de/autoren/seriousguy47/mo_demo-165_1-kacke-quillt-aus-allen-duekern

Zuletzt überarbeitet am 12.04.2013, 11:48 Uhr.



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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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